Ein großer Mann in Laufschuhen betritt die Bühne im Filmstudio Glückauf in Essen an diesem grauen, regnerischen Abend. Robert Seethaler, der Autor von “Ein ganzes Leben” ist ein bescheidener Mensch. So tritt er auch auf, unprätentiös und fast schon lässig.
Beate Scherzer von der Buchhandlung Proust stellt ihn vor, und dieser Mann, der schließlich gelernter Schauspieler ist, offenbart dem Publikum, dass er unter heftigstem Lampenfieber leidet. Und nun sitzt er da, in diesem liebevoll restaurierten Filmstudio, auf einer Bühne, wirkt verlassen und beinahe ängstlich.
Doch er bricht schnell das Eis mit der Frage an das Publikum, ob sich nicht jemand zu ihm auf die Bühne setzen wolle.
Dann fängt dieser Schriftsteller an, aus seinem Roman “Ein ganzes Leben” zu lesen. Eine sonore Stimme erklingt, die sich sofort ändert, wenn er liest. Und schnell wird den Zuhörern klar, warum Seethaler mit seinen Büchern momentan einen derartigen Erfolg hat: Kein Wort zu viel in diesem Roman, sprachlich präzise, schildert Seethaler das Leben des Andreas Egger.
Beate Scherzer sagte es in ihrer Anmoderation: ein Heimatroman ist das, ein Roman, der in einer kargen Berglandschaft angesiedelt ist. Aber keiner mit schwülstigem Habitus, sondern nüchtern. Sondern liebevoll und poetisch. Und Seethaler transportiert das in seiner Lesung. Wie gesagt: gelernter Schauspieler!
Diese Stimme ist so eindrucksvoll, dass schnell vor Augen des Zuhörers die Berglandschaft erscheint, der Kampf der Menschen in dieser Gegend, in ihrer Umwelt. Doch auch die Poetik in der Liebe Eggers zu Marie. Wie dieser einfache Mann um Worte kämpft. Schlicht beeindruckend durch Seethaler aufgeschrieben und vorgelesen.
Fast eine Stunde lang liest der Autor – eine intensive Stunde für ihn und für das Publikum. Und anschließend signiert er geduldig seine Bücher, geht auf Fragen ein und hat nette Worte für, der sich an ihn wendet.
Robert Seethaler ist dieser Tage ein ungewöhnlicher Schriftsteller!