Schon ein paar Jährchen alt ist diese schmucke Box, welche insgesamt zehn DVDs und somit die ersten drei der bislang vier Staffeln enthält. Hierzulande schlug sich diese Serie aus Großbritannien auf RTL II besser als so manch andere Science-Fiction-Serie – dennoch fristete sie durch die Platzierung auf jenem Sender ein Nischendasein, sodass man nicht von einem durchschlagenden Erfolg sprechen kann, wie es etwa auf der Insel der Fall war.
Entstanden aus einer “Doctor Who”-Spin-Off-Idee (es sei bemerkt: “Torchwood” ist ein Anagramm der Vaterserie), entwickelte die Serie um das Team um Captain Jack Harkness (John Barrowman) schon sehr bald eine Eigendynamik, die zu einem wahren Strudel mutierte – und den Zuschauer direkt mitriss.
Unter der walisischen Stadt Cardiff befindet sich ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge, durch welches immer wieder Aliens auf den blauen Planeten gelangen. Abgesehen von der Tatsache, dass die außerirdischen Lebensformen für zuweilen seltsame Ereignisse in Cardiff sorgen, wohnt ihnen zumeist eine destruktive Natur inne. Durch den Riss kann es allerdings auch geschehen, dass Menschen aus der Vergangenheit oder der Zukunft in der Gegenwart landen – oder umgekehrt.
Königin Victoria ordnete bereits im Jahr 1879 die Gründung Torchwoods an, einer geheimen Organisation, die im Untergrund agiert. Aufgabe der der Polizei übergeordneten, jenseits der Vereinten Nationen und jenseits der Gesetze operierenden Organisation ist es, all die mysteriösen Mordfälle zu untersuchen, die dafür verantwortlichen Aliens in Schach zu halten und die Menschheit vor ihnen zu beschützen.
Harkness ist nun derjenige, der die Einheit in Cardiff anführt. Doch der smarte, charismatische Kopf der Truppe ist kein Normalsterblicher – er ist ein Zeitreisender aus dem 51. Jahrhundert, der, wenn wer denn möchte, auch wieder in die Zukunft oder weit zurück in die Vergangenheit reisen kann. Für ihn sowohl Fluch als auch Segen: Er kann nicht sterben, regeneriert sich innerhalb kürzester Zeit und ist wieder einsatzbereit. Nun ist er hauptsächlich in Cardiff im Hier und Jetzt zu Hause, denn genau dort braucht ihn sein Team. Sein Team, das sind der unbequeme, zynische, beziehungsscheue Dr. Owen Harper (Burn Gorman), ein Arzt, der Aliens und Opfer überwiegend in der Torchwood-Basis untersucht, die eher schüchterne Computer- und Technikexpertin Toshiko Sato (Naoko Mori), der “moderne Butler” Ianto Jones (Gareth David-Lloyd), welcher die Basis in Schuss hält sowie Gwen Cooper (Eve Myles). Diese war eigentlich eine ganz normale Polizistin, doch irgendwann, getrieben von unbändiger Neugier, sieht sie das zu dem Zeitpunkt noch mit einer anderen Kollegin arbeitende Gespann bei einem seiner geheimen Einsätze, macht die Basis ausfindig – und ist schneller Teil des Teams, als sie selbst es begreifen kann. Schnell stellt sich heraus, dass Harkness mit ihr die perfekte Wahl getroffen hat.
Große Einführungmomente gibt es in dieser Serie bis auf die erste Episode der ersten Staffel nicht, denn die Arbeit ruft ohne Rücksicht auf irgendwelche Einarbeitungsphasen – Gwen bleibt gar nichts anderes übrig als ins kalte Wasser zu springen und nach dem Motto “learning by doing” zu arbeiten, doch diese Herausforderung ist letztendlich genau das, wonach sie schon immer gesucht zu haben scheint. Ihr Lebensgefährte Rhys (Kai Owen) ist zwar nicht so begeistert von ihren neuen – geheimen – Verpflichtungen, doch letztendlich tut gerade er alles, damit sie beide glücklich sein können.
Bereits in der ersten Staffel geht “Torchwood” gleich in die Vollen und bombardiert den Zuschauer gnadenlos mit einem fürwahr kruden Genremix. Einen großen Teil nimmt zwar Science-Fiction ein, aber genau so finden sich in der Serie viel Mystery, reichlich Drama, unglaublich viel Humor in seinen unterschiedlichsten Facetten (von Zoten über typisch britischen schwarzen Humor bis hin zu Slapsticks, Mehrdeutigkeiten und Peinlichkeiten) sowie Sex und Erotik, Blut und Horror. Oftmals so unerwartet aufeinander folgend oder gar parallel, dass einem durchaus schwindlig werden könnte. Doch was am Anfang noch für Verstörung sorgt, entpuppt sich innerhalb kürzester Zeit als der Stoff, der süchtig macht.
Bei manchen CGIs muss man durchaus noch schmunzeln, denn hier merkt man deutlich, dass das Budget für die BBC-Serie noch nicht ganz so hoch angesetzt war und der Stab um Serienerschaffer Russell T. Davies (“Queer As Folk”, “The Sarah Jane Adventures” und viele mehr) demnach noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen konnte, denn die Effekte sind hier und dort noch ein wenig “einfach gestrickt”, doch bereits die Vielfältigkeit der Charaktere, die Skurrilität des Ganzen, die Menschlichkeit in allem sowie die wilden Genresprünge machen diese ersten dreizehn Episoden zu einem wahren Genuss. Man merkt deutlich, wie ambitioniert Schauspieler und Crew schon anno 2006 waren und wie viel Liebe zum Detail schon 2006 in der Serie steckte. Auffällig ist, dass vieles von dem, wofür der “alien of the episode” steht, nur allzu menschlich ist. Wenn man so möchte, ist “Torchwood” eine Art cineastische Metapher, eine Science-Fiction-Parabel auf die Menschheit an sich – etwas, was sich in den folgenden Staffeln noch intensivieren wird.
Auch über die Figuren selbst erfährt man Stück für Stück mehr, sodass man nicht nur stur die Helden in Aktion vor Augen geführt bekommt, sondern die Damen Cooper und Sato sowie die Herren Harper, Jones und Harkness immer besser kennen lernt. Weshalb jeder so ist, wie er ist. Angenehm dabei ist, dass die Schauspieler allesamt nicht aus der Garde “glattgeleckt” kommen – lediglich bei John Barrowman hat man für Jack Harkness die Rolle des perfekten, dauergrinsenden Beau und Charmeurs bewusst und geschickt so gewählt, dass es stets ein wenig “too much” erscheint. Doch dass auch er sein eigenes Päckchen zu tragen hat, zeigt sich mit der Zeit.
Insgesamt entsteht ein ansprechendes, mutiges Gemisch aus Fall der Woche und persönlichen Storys jenseits gängiger Strickmuster.
Wie bei diversen anderen seiner Produktionen auch, setzt Russell T. Davies, der sich bereits in seiner Studentenzeit als schwul outete, in “Torchwood” die Homosexualität als völlige Selbstverständlichkeit ein und geizt auch nicht mit ebensolchen Szenen. Hier werden auch Vertreter gleichen Geschlechts in ihren intimen Momenten gezeigt, und mit letzteren wird keinesfalls gegeizt. Und all das ohne Klischees – da ist der schwule Mann nicht der tuckig umher tänzelnde, überphrasiert säuselnde Exzentriker und die lesbische Frau nicht die stabile Kurzhaarträgerin mit burschikoser Haltung. Homosexualität erlebt hier keine Sonderstellung, sondern wird als eine weitere Facette der Spezies Mensch in die Serie eingewoben. Etwas, wovon die Gesellschaft in der Realität noch weit entfernt ist.
(Fazit Staffel 1: 11/15 dpt)
In Staffel zwei, die ebenfalls aus dreizehn Episoden besteht, wird direkt an die erste angeknüpft, und es wird gleich zu Beginn deutlich, dass man für die ganzen visuellen Elemente mehr Mittel zur Verfügung hatte, denn sämtliche Effekte sowie Aliens wirken nun deutlich realistischer und professioneller. Am Format der Serie hat man hingegen nicht viel geändert – es wird weiterhin Jagd auf Außerirdische gemacht. Doch die Fälle selbst bergen immer wieder Überraschungen in sich – man weiß nie, was einen nun erwartet. Immer, wenn man denkt, dass “Torchwood” nun seine künstlerische und erzählerische Mitte gefunden hat, stößt einen die Folge danach vor den Kopf. Jede Episode ein Ü-Ei.
Die Charaktere bekommen in diesen neuen Episoden noch um einiges mehr an Tiefe mit auf den Weg. Während Gwen stets auf einem Grat zwischen Egoismus (Job und Verlockungen der amourösen Sorte) und schlechtem Gewissen (treuer Mann wartet auf sie zu Hause) wandert, bekommt man auch von der anonym wirkenden Tosh immer mehr präsentiert. Ianto und Jack scheinen wohl doch nicht “nur” miteinander zu flirten, und von Owen Harper, gleichermaßen Genie wie Kotzbrocken, erfahren wir auch sehr bald, warum er ein solch bitterironisches, zuweilen unsympathisches Wesen an den Tag legt. Ohnehin: Gerade gegen Ende dieser Staffel werden viele Rätsel um die einzelnen Teammitglieder ein Stück weit gelüftet.
Ansonsten kann man über diese dreizehn Folgen nicht allzu viel sagen, ohne zu sehr zu spoilern – fest steht, dass die erste Staffel mehr oder minder zum “Üben” war und Staffel zwei mit mehr Feinschliff, noch mehr Story und einem schauspielerisch noch eingespielteren Team aufwartet. Man konnte sich in allen Disziplinen steigern, man lacht und leidet, man schämt sich fremd und fiebert mit, und die Neugier wird durch das unvergleichliche Eigenleben, das die Serie entwickelt, dauerhaft aufrecht erhalten. “Torchwood” ist wie ein überdimensionaler Knallfrosch – laut und unberechenbar in seiner Laufbahn: Wohin springt er beim nächsten Knall?
(Fazit Staffel 2: 13/15 dpt)
Gleichermaßen Selbsttreue und einen krassen Stilbruch präsentiert dann die dritte Staffel mit dem Untertitel “Kinder der Erde“. Das beginnt bereits beim Format, denn im Grunde ist diese Staffel ein in fünf gleich große, etwa einstündige Abschnitte (respektive Tage) aufgeteiltes Filmepos. Ein rund fünfstündiger Spielfilm mit durchgehender Handlung und einem sich von Minute eins bis Minute dreihundert erstreckenden Spannungsbogen also – da dürften selbst Bollywood-Regisseure und -Produzenten mit ihren “nur” dreistündigen Filmen neidische Blicke nach Großbritannien werfen.
Das Torchwood-Team, auf drei Mitglieder geschrumpft, steht vor seiner wohl größten Herausforderung: Plötzlich, eines Morgens, stellen sämtliche Kinder rund um den Erdball gleichzeitig ihre Aktivitäten ein. Ganz gleich, ob zu Hause am Mittagstisch, während des Spielens auf dem Schulhof, vor dem Fernseher daddelnd oder vor dem Spiegel beim Zähneputzen – alle stehen sie schlagartig wie angewurzelt da, bewegungslos. Allesamt rufen sie mehrmals unisono und in der gleichen Sprache aus: “Wir werden kommen.” – Nach dieser Paralyse via “Fernsteuerung” – eine außerirdische Macht hat sich sämtliche Kinder als Medium zu eigen gemacht – stieben die Kinder wieder auseinander und gehen ihren zuletzt ausgeübten Tätigkeiten wieder nahtlos dort nach, wo sie aufgehört hatten. An das, was gerade passiert war, erinnern sie sich nicht.
Doch mit einer Ausnahme wird auch ein erwachsener Mann als Medium der “456” – den Namen bekommen die Außerirdischen von der Regierung verpasst, weil sie auf dieser Frequenz ihre Botschaften senden – benutzt, nämlich Clem (grandios gespielt von Paul Copely), dem bereits vor mehr als vierzig Jahren, in den Mittsechzigern, Schlimmes widerfahren war – und sich neben einer Offenbarung eines unschönen Kapitels in Harkness’ Leben ein logischer Kreis schließt. Denn die Aliens holten sich schon zu der Zeit einmal, was sie nun erneut wollen. Allerdings stellt nicht nur diese rätselhafte außerirdische Macht ein ernsthaftes Problem für das Torchwood-Team dar, sondern auch die britische Regierung, die ein unfassbares Geheimnis zu vertuschen versucht und offenbar genau weiß, was zu tun ist. Können Harkness und seine Leute die Regierung (unter anderem Mr. Frobisher, dargestellt vom bereits aus “Doctor Who” bekannten Peter Capaldi) davon überzeugen, dass ihr Plan gegen die “456” der falsche ist? Oder müssen sie zu unkonventionellen Mitteln greifen?
Wenngleich hier und dort noch immer komische Momente vorhanden sind, macht sich bereits früh bemerkbar, dass “Torchwood – Kinder der Erde” eine gänzlich andersartige Atmosphäre innewohnt – alles ist weniger effektlastig und skurril, stattdessen “dreckiger”, grauer, ernster, kränker und – da muss man den vielen darstellenden Kindern mal tonnenweise Lob aussprechen – gruseliger. Die Story ist in sich weitaus konsistenter, vor allem aber findet man seit Beginn der Serie hier so deutlich wie noch nie Parallelen zur von Egoismus, Gier und Wachstum getriebenen heutigen Gesellschaft. Gnadenloser kann man ihr den Spiegel kaum vorhalten.
Auch wird unweigerlich die Frage aufgeworfen, wie man denn selbst handeln würde, wenn eine ähnlich gelagerte – natürlich realistischere – Situation auf unserem Planeten einträfe. Ein “Was wäre, wenn … ?”der Extreme. Wie würde die Menschheit reagieren? Was würde die Regierung tun? Welchen Weg geht man und welche Opfer bringt man? Wo liegen die ethischen und moralischen Grenzen in solchen Extremstsituationen?
Waren die ersten beiden procedurallastigen Staffeln noch überwiegend Entertainment mit durchaus ernstem Hintergrund, wurde hier der Spieß gnadenlos umgedreht. Und als Zuschauer hält man nicht selten die Luft an ob der Spannung, der Abartigkeit und der beklemmenden Gefühle, die einen unweigerlich vereinnahmen. Mit dieser Staffel hat sich Davies selbst ein Denkmal gesetzt, das zu übertreffen nur schwer möglich sein wird – auf dramaturgischer, darstellerischer, aber auch auf künstlerischer Ebene.
Sich die fünf Episoden über Tage oder Wochen verteilt anzusehen, ist kaum machbar, daher ist es empfehlenswert, sich fünf Stunden Zeit zu nehmen, um dieses prädystopische Ungetüm an Film-/Serienkunst am Stück zu sehen – eine solch erzählerische Dichte sollte nicht durch Pausen in Form von Alltäglichem unterbrochen werden.
“Torchwood – Kinder der Erde” ist ein Meisterwerk im großen weiten Meer der Serien.
(Fazit Staffel 3: 15/15 dpt)
Schaut man diese ersten drei Staffeln von Anfang an und führt sich jeden Tag ein paar Episoden zu Gemüte, wird deutlich, wie viel Potential bereits am Anfang in “Torchwood” steckte und wie dieses nach und nach ausgeschöpft wurde. Die Entwicklung, die Russell T. Davies’ Baby hier gemacht hat, beeindruckt – und gerade, wenn man sieht, wie viel bei der zweiten Staffel schon nachgelegt wurde und in “Kinder der Erde” der absolute Höhepunkt erreicht wurde, kann man nur staunen.
Selten konnte eine Serie auf so vielschichtige Weise begeistern und sich trotz jäher Wechsel nie selbst verlieren – stets gab es etwas Neues zu entdecken, stets tat sich irgendwo irgendetwas, und gerade im Hinblick auf die Protagonisten bekam man selten so viele Einblicke in das Leben und Wesen derart vieler Charaktere. Charaktere, die von ihren Darstellern herrlich normal (Stichpunkt Eve Myles) in Szene gesetzt wurden.
Was unbedingt noch erwähnt werden sollte, ist die Auswahl der Musik. Zwar hört man hier und dort in den ersten beiden Staffeln Songs von The Kooks, Kaiser Chiefs, Mogwai, Snow Patrol, Goldfrapp, Muse, David Bowie, Lamb, Roots Manuva und Battles, doch was die Komponisten Ben Foster und Murray Gold zusammen mit dem BBC National Orchestra of Wales auf audiovisuelle Konserve gebannt haben, gehört mit zum Besten, was jemals hinsichtlich Serien zu hören war. Auch bei “Kinder der Erde”, wo Foster ohne Gold, aber mit dem gleichen Orchester brilliert, sitzt man mit heruntergeklappter Kinnlade auf dem Sofa.
“Torchwood” ist schlichtweg großartiges Serienkino, und zwar in sämtlichen Disziplinen.
(Fazit Gesamtbox: 13/15 dpt)
Cover & Szenenfotos © polyband/BBC Germany
- Titel: Torchwood
- Staffeln:
Staffel 1
(13 Episoden à ca. 50 Minuten)
Staffel 2
(13 Episoden à ca. 50 Minuten)
Staffel 3: Kinder der Erde
(6 Eposoden à ca. 60 Minuten) - Originaltitel:
Torchwood Season One
Torchwood Season Two
Torchwood: Children Of Earth
- Produktionsland und -jahr: GB, 2006 – 2009
- Genre:
Science-Fiction
Mystery
Drama
Comedy
- Erschienen: 2009
- Label: polyband
- Spielzeit:
ca. 1600 Minuten auf 10 DVDs - Darsteller:
John Barrowman
Eve Myles
Gareth David-Lloyd
Burn Gorman
Naoko Mori
Kai Owen
und viele, viele mehr
- Idee: Russell T. Davies
- Extras:
ca. 215 Minuten
u.a.:
Making ofs
Audiokommentare
Interviews
Behind The Scenes
Deleted Scenes
Outtakes
und vieles mehr…
- Technische Details (DVD)
(bei allen drei Staffeln)
Video: 16:9 (1,78:1)
Sprachen/Ton: D, GB (DD 2.0 und DD 5.1)
Untertitel: D, GB
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite beim Label
Wertung: 13/15 dpt
Hoffentlich geht diese geniale Serie in eine weitere Runde!