Kai Magnus Sting – Immer ist was, weil sonst wär ja nix – Mein Alltag in 33 Katastrophen (Liveprogramm, Audio-2CD)


Kai Magnus Sting - Immer ist was, weil sonst wär ja nix (CD Cover © ROOF Music/tacheles!)

Kai Magnus Sting – Immer ist was, weil sonst wär ja nix – Mein Alltag in 33 Katastrophen (Liveprogramm, Audio-2CD)

Es ist kein Geheimnis, dass der Duisburger Kabarettist einer derer ist, die sich in den kleinsten Kleinigkeiten ergehen können, bis auch das letzte Krümelchen an Diskussionsbedarf abgeseiht ist. Während zahlreiche Vertreter der gehobenen Komik allerdings die gesellschaftlichen Entwicklungen und die Politik aufs Korn nehmen, beschränkt sich der Nordrhein-Westfale überwiegend auf die alltäglichen Dinge.

In seinem aktuell veröffentlichten Programm regt sich Sting herrlichst über die Definition des “Nichts” und des “Seins” und des Nichtseins, das ja auch was sein muss, auf. Sein überbordendes Temperament lässt fast drei Stunden lang nicht nach, und das Publikum hat offensichtlich hörbar Spaß daran, wie sich der Anzugträger in Rage redet, sich verbal die Hand vor den Kopf haut und dabei in die tiefsten Tiefen des jeweiligen Themas abtaucht.

Da werden augenzwinkernd Nichtigkeiten wie Wind und Wetter seziert, der Urlaub in der Nachsaison wird in allein Einzelheiten und Minikataströphchen nacherzählt, und nachdem Sting jenes Thema bis zum Gehtnichtmehr ausgewrungen hat, geht es mit seinen Erfahrungen mit der Telekom weiter (»Zwei … eins … Internet … ja … null … zwei …«), und auch mit dem Paketzustelldienst hatte und hat er so seine sonderbaren Erlebnisse.

Doch auch als Beobachter, der irgendwann aus dem Hinterhalt hervorstößt und sich selbst zu Wort meldet, kann er sich wunderbar über Undinge und Unmöglichkeiten echauffieren – eine Frau macht ihren langjährigen Ehemann im Café zur Schnecke, und irgendwann kann sich Kai Magnus Sting das nicht mehr mit anhören (“Café Kaiser oder Eine Frage der Haltung”).

Radfahren mit Schutzhelm und Gulaschsuppe sind nur wenige der Themen, die bei seinem “…Telefonat mit Tante Frieda” angeschnitten werden, und völlig entkräftet und entnervt holt Sting für dreieinhalb Millisekunden Luft, um das Heute mit dem Früher zu vergleichen, über Quärke zu philosophieren pder beim Shopping mit der Frau den Sinn und Unsinn einer Übergangsjacke zu ergründen. Ansonsten im Programm: Nudelsalat und Zahnarztbesuche.

Sting kommt stets vom Stöckchen aufs Steinchen, und wenngleich seine Wortsalven, seine mitunter hektikdurchtränkten Ausführungen und seine ins extremste Detail gehenden Wortschwälle und Korinthenkackereien nicht jedermanns und -fraus Sache sind, so ist dies genau das, was ihn als Kabarettisten und Komiker ausmacht: Sting ist der Mann, der von einem Thema erst genug hat, wenn es bis auf die Knochen abgenagt ist. Die besondere Würze hierbei liegt in seinen zuweilen absurd-abstrusen Formulierungen und Vergleichen. Erstaunlich bei diesen Textmengen ist, dass er hierbei nie den Faden verliert.

Ähnlich wie der cholerische Bochumer Hennes Bender, der auf der Bühne ebenfalls regelmäßig zur allgemeinen Erheiterung ausrastet, tobt auch Sting, wenngleich die Wortwahl des Duisburgers ein wenig gewählter ist als die des oftmals doch (ihn im positiven Sinn auszeichnende) verbale Derbheiten absondernden Kollegen. Sting hat Druck auf dem Kessel, und der muss irgendwo hin. Und das ist auch gut so, denn sonst würde der gute Mann irgendwann einfach durch Überdruck explodieren – und das gibt eine Riesensauerei.

Beim Lauschen dieses Livemitschnitts, der am 14. und 15. Mai 2014 im Duisburger Grammatikoff entstanden ist, sind amüsiertes Kopfschütteln, grinsendes Augenverdrehen und gespanntes Innehalten die einzigen logischen Reaktionen des Zuhörers, denn ganz gleich, ob die Art und Weise, wie Sting alltäglich aufregend Unaufregendes darbietet, den eigenen Geschmack trifft oder nicht: Qualitativ ist es über alle Zweifel erhaben.

Der Rezensent braucht nun jedenfalls erst mal ein paar Atemzüge aus der Sauerstoffflasche.

Cover © ROOF Music/tacheles!

Wertung: 12/15 dpt


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