Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi (Buch)

Kristian Bang Foss - Der Tod fährt Audi (Buch) Cover © carl's books

Beim Kopenhagener Werbetexter Asger geht momentan so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Nicht genug damit, dass er eine Werbekampagne völlig vergurkt, dank der sein Boss ihn kurzerhand aus der Firma wirft. Mit seiner Freundin Sara läuft es nämlich ebenfalls schon lange nicht mehr besonders gut – eigentlich gehen sie sich nur noch mächtig auf die Zwiebel, und so macht es die Freundin dem Chef gleich: Sie wirft ihn aus der gemeinsam gekauften Wohnung. Selbst Saras Tochter Amalie, für die sich Asger – nicht ihr leiblicher Vater, jedoch von ihr als solcher voll und ganz akzeptiert und geliebt -, wie ein echter Vater fühlt, darf er nicht mehr sehen.

Der mittdreißiger Däne stürzt erst mal nach allen Regeln der Kunst ab. Job, Freundin und Quasi-Tochter – alles weg. Das Leben und die Welt scheinen sich komplett gegen ihn verschworen zu haben, also besteht sein Alltag nach einer Weile nur noch aus Nichtstun, Herumgammeln, Fernsehen und Bier. Viel Bier. Als ihm das Arbeitsamt irgendwann die Leistungen streicht, wird dem Neu-Loser klar, dass es so nicht mehr weiter geht. Nun soll er im Kopenhagener Vorort, dem runtergekommenen, trostlosen sozialen Brennpunkt Stentofte, einen Pflegehelferjob annehmen. Na super.

Fast fühlt er sich versucht, dem Drückebergertum einmal mehr nachzugeben, rafft sich dann allerdings doch zu seiner neuen Arbeitsstelle auf.  Als er das erste mal beim todkranken, im Rollstuhl sitzenden Waldemar aufkreuzt, ist er zunächst desillusioniert, vor allem aber verstört von diesem sonderbaren Kerl. Er ist kurz davor, auch diesen Job sausen zu lassen, doch letztendlich besinnt er sich eines Besseren und zieht seine Aufgabe durch. Aus der anfänglichen Skepsis entwickelt sich eine sonderbare Freundschaft, in der Asger und Waldemar vor allem feststellen, dass sie beide extrem zynisch veranlagt sind und ihr Humor eine identische dunkelschwarze Färbung besitzt.

Waldemar, gepeinigt von unzähligen Gebrechen und nicht zuletzt dadurch auch etwas sonderbar, ist das Leben in Selbstmitleid im verranzten Stentofte zuwider, und so überredet er seinen Pfleger, mit ihm einen Roadtrip gen Marokko zu unternehmen, von welchem er sich Genesung erhofft. Sie ergattern einen klapprigen VW-Bus und treten ihre Reise an – eine Reise, die so einige Skurrilitäten, Absonderlichkeiten, beeindruckende Erlebnisse und Herausforderungen in sich birgt. Und dann wäre da noch dieser seltsame Audi-Fahrer, der ihnen immer wieder auf den Fersen hängt…

In zuweilen kurze Kapitel unterteilt, nimmt der dänische Autor Kristian Bang Foss den Leser auf einen Roadtrip der besonderen Art mit, der zum einen anhand des sozialen Absturzes Asgers sowie der gesundheitlichen Situation Waldemars seine todtraurigen, desillusionierenden Momente besitzt, dann aber wieder durch den eigenwilligen Humor und den Spott über das Schicksal und die Welt für herzhafte Lacher sorgt.

Ähnlich wie Asger und Waldemar zunehmend Sympathie füreinander entwickeln, gewinnt man dieses Duo lieb, schließt es in sein Herz und lässt den Dingen lauf, was da noch so passieren mag. Man wird regelrecht der unsichtbare Dritte, der mit den beiden im schrottreifen Vehikel von Norden nach Süden tuckert. Aufregend hierbei ist, dass der Autor einen derart bildhaft-plastischen Erzählstil pflegt, dass man diese Eindrücke nicht nur vom Protagonisten Asger, der in der ersten Person, sich gelegentlich zum Leser wendend, erzählt bekommt, sondern sie regelrecht miterlebt, in sich aufsaugt und sich wünscht, dass für beide am Ende nur das Beste herauskommt.

Die Sprache ist trotz der unzähligen Schilderungen und Beschreibungen sowie Gedankengängen recht einfach und roh gehalten, sodass sich “Der Tod fährt Audi” ein einem Rutsch wegliest – man mag überhaupt nicht zu lange Halt machen, sondern möchte so schnell wie möglich wissen, wie sich die Geschiche weiterentwickelt. Man wird neugierig, wem Waldemar und Asger bei ihrer nächsten Zwischenstation begegnen und was sie nun wirklich an ihrem Ziel erwartet. So, als blende man sein eigenes Leben für den Zeitraum der Lektüre aus und konzentriere sich voll und ganz auf das in der nahen Zukunft Liegende.

“Der Tod fährt Audi” ist ein Roman, der Schicksal und Wunsch miteinander verbindet, das Gefühlspendel weit hin- und herschwingen lässt und an allen Ecken und Enden auf eine warmherzige Art menschelt, dass es eine wahre Freude ist, sich diesem Roman zu widmen. Er wirft Fragen über den Sinn des Lebens und des Vorwärtskommens, über den Sinn der Existenz an sich auf, aber niemals auf eine pseudointellektuelle oder spirituelle Weise, sondern auf eine philosophisch-bodenständige Art, die gleichermaßen deprimieren wie aufbauen kann. Galgenhumor trifft auf Verzweiflung, Überdruss auf Aufbruchstimmung, der Hass auf die Welt auf die Liebe zum Leben, Aussichtslosigkeit auf Mut. Und nie weiß man, ob sich das, was die beiden hier unternehmen, wirklich auszahlt.

Ungewissheit als Motor. Hoffnung als Antrieb. Wortgewalt als Kraftstoff. Leser als Passagier und Gast in diesem literarischen VW-Bus.

Cover © carl’s books

  • Autor: Kristian Bang Foss
  • Titel: Der Tod fährt Audi
  • Originaltitel: Døden kører Audi
  • Übersetzer: Aus dem Dänischen von Nina Hoyer
  • Verlag: carl’s books
  • Erschienen: 10.03.2014
  • Einband: Paperback, Klappenbroschur
  • Seiten: 224
  • ISBN: 978-3-570-58529-0
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite beim Verlags

Wertung: 12/15 dpt

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