Eoin Colfer – Der Quantenzauberer (Buch)

Eoin Colfer - Der Quantenzauberer (Buch) Cover© Loewe-VerlagWir schreiben das Jahr 1898 in London. Der Gossenjunge Riley steht mit einem Messer vor dem Bett eines alten schlafenden Herrn, bereit zuzustechen. Vor seinem Mentor, einem ehemaligen Zauberer und jetzigen Auftragsmörder, soll er seine Prüfung als Killer-Assistent ablegen. Riley zögert und Albert Garrick hilft gerade nach, als plötzlich ein oranges Leuchten und ein Sog den Jungen und den Sterbenden erfassen und über hundert Jahre in die Zukunft transportieren, in das Jahr 2013.

Seit einem dreiviertel Jahr sitzt die Nachwuchsagentin Chevron Savano schon vor der seltsamen Metallkapsel im Keller der WARP-Zentrale des FBI in London. Es sieht nicht so aus, als gäbe es hier je mehr zu tun, als Selbstgespräche zu führen. Bis sich auf einmal die Kapsel rührt und irgendwer in ihrem Inneren auftaucht. Ein kleiner Junge und ein Leichnam mit einem Gorillaarm.  Der Tote ist Charles Smart, der Vater von Chevies Vorgesetzten dem FBI Agenten Felix Smart.  Begleitet wird er von einem vierzehn jährigen Jungen, der  behauptet nichts mit dem Tod des alten Herrn zu tun zu haben. “Das war Garrick”, versichert er und fügt hinzu, dass der Mörder nun ihm auf den Fersen sei.  Damit wird Riley Recht behalten und auch wieder nicht. Denn der, der als nächster aus der Zeitmaschine klettert, ist nicht mehr nur sein Lehrmeister, sondern eine Chimäre aus Garrick und Smart Junior.  Dieser Teufel in Menschengestalt hat weit finsterere Pläne als nur den zwei Teenager zu töten.

Im Auftaktband der WARP-Serie “Der Quantenzauberer” sind alle Zutaten für einen faszinierenden Young-Adult-Mysteryroman vorhanden: ein Zeitreiseabenteuer durch das moderne und spätviktorianische London, ein gewitzter Gossenjunge und eine schlagfertige FBI-Agentin sowie ein Superschurke mit dem Wissen aus beiden Zeitepochen. Dass Eoin Colfer aus jugendlichen Protagonisten Persönlichkeiten formen und aus Action und Übernatürlichem spannende Abenteuer gestalten kann, hat er eindrucksvoll in der “Artemis Fowl”-Reihe bewiesen.  Viele der Qualitäten dieser Jugendbuchreihe, die den irischen Autor bekannt gemacht hat, finden wir auch in “Der Quantenzauberer”. Dennoch bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück.

Die beiden Teenager und Hauptakteure des Romans sind dem Autor erneut gelungen. Da wäre zuerst Riley zu nennen, der in ständiger Angst vor seinem Peiniger Garrick lebt und sich in der modernen Welt zurechtfinden muss. Er entwickelt sich vom verängstigten, unsicheren Jungen zu einem selbstbewussten und schlauen Burschen. Die junge FBI Agentin Chevron Savano, kurz Chevie genannt, tritt anfangs kalt und großspurig auf, doch nachdem sie ihre Lebensgeschichte offenbart hat, wirkt sie sogar ein wenig verletzlich.  Mit den erwachsenen Akteuren tut sich der Autor dagegen schwerer. Schon die Entstehungsgeschichte des dämonengleichen Garrick wirkt wenig stimmig.  Warum gleich entstand durch eine Selbstmordaktion des WARP-Agenten Smart  während der Zeitreise mit dem Mörder ein evolutionär fortgeschrittenes Wesen? Während ein anderer Sterbender, der in Begleitung durch die Zeit reiste, fast zum Affen mutierte? Im Zeittunnel scheint einfach alles möglich zu sein.

Vielversprechend die Idee, dem Bösewicht das Gewissen des  ‘guten‘ Agenten anzuheften, ein Aspekt dem mehr Raum hätte eingeräumt werden dürfen.  Auch Garricks Faible für seinen Adlatus Riley gehört zu dessen interessanteren weil schwachen Seiten. Das Potential für die Erschaffung eines vielschichtigen Superkillers war also vorhanden, wurde aber nicht voll genutzt. In  einigen Szenen vermag Garrick den Leser zu fesseln, in anderen ist er nicht mehr als ein Teufel mit Superkräften. Amüsant kommt der Gangführer mit der Lockenpracht Malarkey herüber. Gänzlich farblos dagegen bleibt der Mafiabösewicht Mr. Charismo, dessen Rolle aufgesetzt wirkt und nicht recht in die Geschichte passen will.

In einigen Handlungsfolgen fehlt es an einer nachvollziehbaren Entwicklung, das Geschehen wirkt zufallsgesteuert und konzeptlos. Dabei beginnen viele Kapitel mit originellen Ideen, wie zum Beispiel der Einführung von Charles Smarts Geliebter, der Antiquitätenhändlerin Viktoria.  Doch auch diese Episode hakt nur einen Punkt auf der Agenda ab und verabschiedet sich wieder.  An anderer Stelle spricht Chevie das Großvater-Paradoxon an, doch es bleibt auch hier bei einer flapsigen Bemerkung, die nicht weiterverfolgt wird.

Abwechslungsreich hat Eoin Colfer die Erzählstruktur des Romans gestaltet. Vor allem zu Beginn wechselt der Erzähler oft mehrfach innerhalb weniger Seiten; von Chevie, zu Riley, zu Garrick. Zudem werden immer wieder Rückblenden auf relevante Lebensereignisse der handelnden Personen eingestreut. Die Geschichte scheint sich nach und nach aus Puzzleteilen zusammenzusetzen, was ihr eine geheimnisvolle Aura verleiht. Schade nur, dass dabei besonders zu Anfang der Fortgang der Handlung oft auf der Strecke bleibt.

Insgesamt besteht die Story um den “Quantenzauberer” aus einer Fülle guter Ideen, die leider nicht ausreifen durften, einem spannungsreichen Plot, der logische Lücken aufweist. Als Leser ist man zwischen Begeisterung  und Enttäuschung hin und her gerissen. Eoin Colfers souveräner und spritzig lockerer Schreibstil sorgt allerdings dafür, dass die Geschichte trotz der Mängel stets flüssig lesbar und unterhaltsam bleibt. Am Ende der abgeschlossenen Geschichte darf ein kleiner Ausblick auf die Fortsetzung der WARP-Reihe  nicht fehlen.  Denn in UK  ist bereits ein zweiter Band mit dem Titel “The Hangman’s Revolution” erschienen.

Cover © Loewe-Verlag

  • Autor: Eoin Colfer
  • Titel: Der Quantenzauberer
  • Teil/Band der Reihe: erster Band der WARP-Reihe
  • Originaltitel: The Reluctant Assassin
  • Übersetzer: Claudia Feldmann
  • Verlag: Loewe
  • Erschienen: Februar 2014
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 352
  • ISBN: 978-3-7855-7909-1
  • Sprache: Englisch
  • Sonstige Informationen:
    Erwerbsmöglichkeit beim Verlag

Wertung: 9/15 dpt

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