Ein freies Leben ist für eine einfache Frau in Irland des 19. Jahrhunderts unmöglich – vor allem alleinstehende Frauen sind in der Gesellschaft nicht allzu viel wert und bekommen keine Chance geboten, sich zu verwirklichen. Dies bekommt auch eine Dame zu spüren, die sich nach sehr schlechten Erfahrungen dazu entschlossen hat, sich fortan als Mann verkleidet mit dem Namen Albert Nobbs in der Gesellschaft zu bewegen, akzeptiert zu werden und sich mit Arbeit über Wasser zu halten. Sein Geld verdient Nobbs im Dubliner “Morrison’s Hotel”, einer der angesehensten und geschätztesten Unterkünfte für Wohlhabende aller Welt, als Butler. Da er seine Arbeit schweigsam, prompt und perfekt
erledigt und sich zurückhaltend verhält, genießt er größtenteils hohe Anerkennung. Hierfür geht er so weit, dass er sich selbst komplett aufgibt – und damit seine Persönlichkeit.
Doch Albert, sparsam und voller Zukunftsvisionen, möchte nicht für immer in dieser lebengewordenen Lüge gefangen sein und sehnt sich nach einem Leben in Unabhängigkeit, will aus seiner Fassade ausbrechen, doch die strengen Regeln und der Druck der Allgemeinheit ersticken seine Absichten bereits im Keim. Als eines Tages der Künstler Hubert Page im Hotel auftaucht, um dort für einige Zeit zu residieren, keimt in Albert Hoffnung auf. Kann er sich endlich offenbaren und jemandem zeigen, wer er wirklich ist, nämlich eine Frau? Kein Selbstbetrug mehr, kein Versteckspiel, sondern ein Leben als der Mensch, der man wirklich ist? Albert wird nicht nur von Hubert immer aufs Neue überrascht, denn er möchte zur Verwirklichung seines Traumes sehr gerne – nicht ganz uneigennützig – das Hausmädchen Helen ausführen, die wiederum dummerweise mit dem Kesselflicker Joe, dessen Wunsch die Flucht nach Amerika ist, ein Techtelmechtel hegt. Die Dinge verkomplizieren sich von nun an immens.
Very British und in sehr stilvollen Bildern in Szene gesetzt, welche sehr authentisch die damalige Zeit und die damalige Geschichte – sowohl im Sinne von Story als auch von Zeit – wiedergeben, erlebt der Zuschauer ein vielseitiges Drama, das in sämtlichen Disziplinen punkten kann. Zum einen birgt “Albert Nobbs” eine ureigene, unberechenbare Dynamik in sich, sodass die nächste Wendung nie abzusehen ist – hier wurde ein cleveres Drehbuch geschrieben, bei dem beinahe perfektionistisch auf jedes Detail geachtet wurde, was sicherlich auch denen, die das Ganze visualisiert haben, zu verdanken ist.
Auch hat man sämtliche Rollen mit charismatischen Charakterköpfen besetzt, beinahe bis in die Statistenrollen hinein – und vor allem Nobbs-Darstellerin Glenn Close sowie Hubert Page-Darstellerin Janet McTeer dürften sich in diesem Streifen mit ihren meisterhaften Leistungen einen massiven Meilenstein in der eigenen Filmographie gesetzt haben, und die Oscar-Nominierungen sprechen diesbezüglich eine eindeutige Sprache.
Doch auch die elegante musikalische Untermalung und das feinfühlige Einbinden einer feinen Prise Komik, welche gelegentlich offensichtlich, zumeist aber zwischen den Zeilen zu sehen ist, bereichern “Albert Nobbs” in seiner Gesamtheit und erzeugen eine ganz eigene Atmosphäre. Wo auch immer es im Film auf was auch immer ankam, wurde das Vorhaben zu hundert Prozent mit Liebe und Hingabe umgesetzt.
Der Filmverlauf kann obendrein gewissermaßen als dual bezeichnet werden, da an sich sehr viel geschieht, der Grundton des Films allerdings überwiegend ruhiger Natur ist. Was besonders auffällig hierbei ist, ist, wie viel mit dem Nichtgesprochenen gesagt wird – in kaum einem Film wurde so viel mit Mimik und im Speziellen mit Augen ausgedrückt wie in diesem, und diese zweite Ebene in Form des stillen Untertons verleiht “Albert Nobbs” ein gewisses Etwas, das aus einer gewöhnlichen Hollywood-Produktion etwas Besonderes werden lässt. Besser hätte man den inneren Zwiespalt der Person Nobbs, die immer mehr in lautlose Aufbruchstimmung umschwenkt, kaum verbildlichen können.
“Albert Nobbs” ist ein ergreifendes, nahezu perfektes Melodram.
Cover und Szenenfotos © Arthaus/Pandastorm
- Titel: Albert Nobbs
- Originaltitel: Albert Nobbs
- Produktionsland und -jahr: USA, 2011
- Genre:
Historiendrama
Melodram
- Erschienen: 17.10.2013
- Label: Arthaus/Pandastorm
- Spielzeit:
109 Minuten auf DVD
113 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Glenn Close
Janet McTeer
Antonia Campbell-Hughes
Mia Wasikowska
Pauline Collins
Maria Doyle Kennedy
Mark Williams
James Greene
Serena Brabazon
Michael McElhatton
Dolores Mullall
Bonnie McCormack
Phyllida Law:
Brendan Gleeson
Kenneth Collard
Judy Donovan
Jonathan Rhys Meyers
Phoebe Waller-Bridge
Emerald Fennell
John Light
Daniel Costello
Angeline Ball
Philip O’Sullivan
Aaron Johnson
Brenda Fricker - Regie: Rodrigo García
- Drehbuch:
Glenn Close
John Banville
Gabriella Prekop - Produktion:
Alan Moloney
Bonnie Curtis
Glenn Close
Julie Lynn - Musik: Brian Byrne
- Kamera: Michael McDonough
- Schnitt: Steven Weisberg
- Extras:
Interviews mit Cast & Crew
Deleted Scenes
Kinotrailer - Technische Details (DVD)
Bildformat: 2,35:1 / 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
- Technische Details (Blu-Ray)
Bildformat: 2,35:1/1080p24/AVC
Ton: Deutsch, Englisch (DTS-HD MA 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
- FSK: 6
- Sonstige Informationen:
Webseite zum Film
Wertung: 13/15 dpt
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