Lars Werner – Zwischen den Dörfern auf hundert (Buch)


Wo ich herkomme, gibt es einige Menschen, die nicht verstehen, dass es noch immer Nazis gibt und dass diese gefährlich sind. Rassistische Aussagen werden entweder als solche nicht war genommen oder als witzig empfunden, Ausländer müssen raus und jemanden als Nazi zu bezeichnen ist schon krass – das macht man nicht! Darf man keine eigene Meinung mehr haben?! 

Diese Leute verstehen nicht, dass es gefährlich ist, dass immer mehr AfDler wichtige Ämter beziehen, dass menschenverachtende Positionen Teil unserer Sprache und Institutionen sind, dass auch heute noch Menschen von den Gräueltaten, die während des Zweiten Weltkriegs passiert sind, profitieren – seien es Unternehmen, die in dieser Zeit reich geworden sind, Strukturen innerhalb der Polizei, Studentenverbindungen oder wohlhabende Familien, die ihr Erbe nicht hinterfragen.

“Zwischen den Dörfern auf Hundert” von Lars Werner, herausgegeben vom Albino-Verlag und 2023 veröffentlicht, zeigt, wie allgegenwärtig Faschismus noch immer ist, dass zu viele Menschen noch immer auf dem rechten Auge blind sind und wie schwierig es ist, in antifaschistischen Strukturen aktiv zu sein.

Benny wächst im ländlichen Bereich herum um Dresden auf und ist ein selbsternannter Punk durch und durch. Er geht auf Konzerte und Partys, nimmt interessante Mischungen an Drogen, ist ein Fashion-Icon und schwebt in der ständigen Gefahr, an der nächsten Ecke von Nazis verkloppt zu werden. Währenddessen muss er mit seinen kleinbürgerlichen Eltern umgehen, die gar nicht richtig merken, wie sie an ihren kleinbürgerlichen Werte  ersticken.

Die Handlung spielt zeitlich zur Fußballweltmeisterschaft 2006 – einer Zeit, in der die Dorfnazis noch immer Polizisten werden, Punkmusik auf dem Dorffest (denkt an Schrei nach Liebe von den Ärzten) zu Schlägereien führen und rechte Strukturen immer noch nicht als gefährlich angesehen werden. Diese Situation wurde sogar noch durch die Fußball-Weltmeisterschaft verschlimmert, in der ein neuer deutscher Nationalstolz aufgekommen ist und nationalistische und angrenzende Aussagen wieder salonfähig gemacht wurden.

Aber auch Leftist in Fighting – das Drama innerhalb der Linken darüber, wer denn bitteschön links genug ist, ob eine Revolution sein muss und wie die erreicht werden kann und wie schlimm es ist, dass Linke sich der Mitte der Gesellschaft zuwenden – werden thematisiert und entromantisiert.

Die Geschichte besteht aus unterschiedlichen Ausschnitten aus Bennys Leben, die Einblicke in die Punkszene und das Aufwachsen in einem Umfeld, in dem alles angepasst und kleinbürgerlich, mit einer riesigen Angst vor Konflikten ist. Wir verfolgen, wie Benny immer mehr Mitglied der linken Community wird, Selbstwirksamkeit durch sein Engagement und durch seine Freunde erfährt, aber auch überfordert von seinen (romantischen) Gefühlen zu seinen Freunden und Konflikten innerhalb seiner Community. Dabei ist immer präsent, wie ausweglos sich das Ganze anfühlt und wie verloren Benny darin ist, irgendwie halt zu finden – nicht, dass das sein größtes Problem ist. Dabei liest sich auch oft ganz viel Frust darüber, dass sich keiner über Faschos aufregt, wie konform und eingeschränkt alles ist und es irgendwie nicht so richtig etwas gibt, auf das man hinwirken kann.

Das Buch liest sich schnell und macht sogar sehr oft Spaß – sei es bei Bennys Modeabenteuern, wilden Partys, oder wenn wir dabei sein dürfen, wenn viele Zusammenkommen und irgendwie versuchen bei der ganzen Ausweglosigkeit eine gute Zeit zu haben.

Das Buch ist dabei gerade jetzt ein wichtiges, weil es bei vielen Menschen immer noch nicht angekommen ist, dass der bequeme (wenn auch ausbaubedürftige) Lebensstandard, an den wir uns gewöhnt haben, gefährdet ist und viele Versprechen der Rechten offene Lügen sind.

  • Autor: Lars Werner
  • Titel: Zwischen den Dörfern auf Hundert
  • Verlag: Albino
  • Erschienen: 2023
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 248
  • ISBN:  978-3-86300-354-8
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 dpt


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