Verfeindete Bauernfamilien und endlose Gier
Mürzzuschlag ist ein Ort am Fuß des Semmering in der Steiermark, der zahlreiche Touristen anzieht, aber auch über eine prosperierende Industrie verfügt. Letzteres gefällt Bürgermeister Anton Hopfer, während der Wirt Erwin Pfandl lieber den Tourismus und damit seinen Umsatz ankurbeln würde. So plant Pfandl nicht nur ein hochgelegenes Alpenhotel, sondern fördert zudem den alternden Heimatdichter Peter Rosegger, dessen 70. Geburtstag ansteht. Eine Schauspielaufführung im Ort soll den Höhepunkt bilden, doch trotz gelungener Darbietung ändert sich am 2. Mai des Jahres 1914 nahezu alles im Ort.
Noch während der Aufführung meldet der Revierjäger Johann Freidl ein abscheuliches Verbrechen, dass sich am Kaisersteig zugetragen hat. Freidl und Kommandant Birnstingl wollten den Wilderer Sepp Gruber auf frischer Tat stellen, doch Sepp erschoss Birnstingl mit einem Gewehr, woraufhin ihn Freidl mit seinem Jagdmesser erstach. Vielen Menschen im Ort wird klar, dass es sich so nicht zugetragen haben kann, dennoch kommt es zum Freispruch wegen Notwehr durch das Bezirksgericht.
Sepps Vater Mathias „Hias“ Gruber kann dies ebenso wenig fassen wie seine Kinder Karl und Resi, zumal für Resi eine Welt zusammenbricht, hatte sie doch bis dato eine Liaison mit Freidl. Dieser arbeitet für den benachbarten Rabenhof, dessen Familienoberhaupt Vinzenz Rabenhofer und Hias seit langer Zeit verfeindet sind. Sie folgen quasi einer alten Familientradition. Lisl, die Tochter vom Rabenhofer, war wiederum heimlich mit Sepp liiert. Viele haben somit einen Groll auf Freidl und seine unglaubhafte Geschichte, allerdings ist vom trägen Gendarm Fladinger mal wieder nichts zu erwarten, zumal Freidl ja bereits freigesprochen wurde.
Der aus Graz angereiste Kommandant Ulbrich soll vorübergehend den Posten in Mürzzuschlag übernehmen und interessiert sich durchaus für die Morde am Kaisersteig. Allerdings ist die Welt inzwischen eine andere, denn ein Krieg ist ausgebrochen.
Steiermark im Ersten Weltkrieg
Ein in der Steiermark gelegenes Gebiet in den Fischbacher Alpen, zu dessen Mittelpunkt der Hochwaldrücken des Teufelsteins gehört, verdankt seinen Namen „Waldheimat“ dem steirischen Dichter Peter Rosegger, der die Gegend in seinem Werk „Waldheimat. Erzählungen aus der Jugendzeit“ verewigt hat. Autor Franz Preitler setzt nach „Mord in der Waldheimat“, der zehn Jahre zuvor spielt, dem Dichter erneut ein literarisches Denkmal.
Der Krimiplot scheint zunächst überschaubar, da der Verdacht sich aufdrängt, dass Freidl nicht nur Sepp ermordet haben könnte. Wie zu erwarten, folgt die Auflösung auf den Schlussseiten, wobei sich der Autor einen Clou hat einfallen lassen. Intensiv wird das Leben in Mürzzuschlag und insbesondere auf dem Gruberhof beschrieben, wobei die Liebesverhältnisse der Kinder – Lisl Grabenhofer, Resi und Karl Gruber – einen nicht unerheblichen Raum einnehmen. Natürlich gibt es zudem ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, allen voran Erwin Pfandl, der schon beim Vorgänger den Verdacht hatte, dass hier etwas gründlich schiefläuft. Kommandant Ulbrich war 1904 ebenfalls mit von der Partie, allerdings noch als Gendarm. Schon damals hielt er von Fladinger rein gar nichts, dessen Unfähigkeit sich einmal mehr unter Beweis stellt. Warum Hinweisen nachgehen, es wäre ja mit Arbeit verbunden.
Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges beschreibt Franz Preitler bedrückend, wie sich das Leben im kleinen Ort verändert. Zunächst großer Jubel, man müsse es den Serben schließlich zeigen, gepaart mit aufkommender Kriegseuphorie. In ein paar Wochen wird der Spuk wohl vorbei sein. Jene Wochen später, im September, sieht die Lage ganz anders aus. Über 300.000 gefallene Österreicher sind zu beklagen, die Versorgungslage ist auch in der Steiermark denkbar schlecht, das Wildern nimmt zu und überall fehlen männliche Arbeitskräfte. Stattdessen müssen unzählige Soldaten auf ihrem Weg nach Ungarn in Hilfsbarracken untergebracht und versorgt werden.
„Keine Schonzeit für Mörder“ hat vereinzelt Längen, die man wohlwollend als eindringlich erzählte Darstellungen interpretieren kann und bietet insgesamt unterhaltsame Krimiliteratur. Der Mix aus Bauernleben, Liebeswirrwarr, Verbrechen und den Auswirkungen eines Weltkrieges auf eine beschauliche Dorfgemeinschaft ist gelungen. Und dass zusätzlich ein außerhalb der Steiermark längst in Vergessenheit geratener und nicht unumstrittener Dichter wieder zum Vorschein kommt, ist dabei keineswegs störend.
- Autor: Franz Preitler
- Titel: Keine Schonzeit für Mörder
- Verlag: Gmeiner
- Umfang: 288 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: August 2024
- ISBN: 978-3-8392-0705-5
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Wertung: 11/15 dpt