David Grann – Der Untergang der Wager (Buch)


Unfassbare Seefahrtsgeschichte und Drama pur

Kolonialkrieg zwischen England und Spanien. Die Kriegserklärung erfolgt im Oktober 1739, aber zunächst bleibt es unblutig, da die Kriegsschiffe erst ertüchtigt werden müssen. Eine große britische Kriegsflotte wird entsandt, doch es gibt da noch einen Geheimauftrag, den ein zweites Geschwader, bestehend aus fünf Kriegsschiffen, erledigen soll. Eine spanische Galeone soll an der Pazifikküste Südamerikas unterwegs sein, reich beladen mit einem gigantischen Schatz aus Silber und Gold. Kapitän George Anson übernimmt das Kommando über das Geschwader, allein es fehlt noch das fünfte Schiff, denn die Wager ist ein sogenannter Ostindienfahrer, ergo ein Handelsschiff, dass umgebaut werden muss. Als es endlich losgehen kann, fehlt noch das Wichtigste: Ausreichend Seeleute.

Wer es einrichten kann, ins Gefängnis zu kommen, wird nicht Seemann, denn auf einem Schiff ist es genau wie im Gefängnis, nur dass man Gefahr läuft zu ertrinken. (Samuel Johnson)

Vorbei an Madeira, wo bereits spanische Schiffe auf das Geschwader warten, denn so ganz geheim war der Auftrag dank eines Maulwurfs dann doch nicht, geht es zum gefährlichen Kap Hoorn, welches erste Opfer unter der Flotte fordert. Zudem rafft Skorbut einen nicht unerheblichen Teil der Besatzungen dahin. Mit dem Wissen von heute, hätte man auf Madeira die dort massenhaft vorhandenen Limetten in großer Menge eingekauft, dann wäre die Krankheit beherrschbar gewesen.

Robinson Crusoe für Erwachsene

Nach Kap Hoorn und der Drakestraße erreicht die schwer angeschlagene Wager am 14. Mai 1741 ein ödes Eiland vor Patagonien, wo sie strandet. Hundertfünfundvierzig der ursprünglich zweihundertfünfzig Mann starken Besatzung leben zu diesem Zeitpunkt noch. Die Insel gibt kaum Essbares her, die Vorräte auf der Wager müssen geborgen werden. Aber wie soll man die Insel jemals wieder verlassen? Zudem sind die Vorräte endlich. Es kommt zu einem Mord und letztlich gar zur Meuterei, bei der sich eine größere Gruppe um Stückmeister John Bulkeley gegen den Kapitän David Cheap stellt. Mittendrin ein Fähndrich namens John Byron, zu Beginn der Reise sechszehn Jahre jung und Großvater des bekannten Dichters Lord Byron.

Einflüsse von Wind und Wellen werden mit dem gesunden Menschenverstand kalkuliert. Das Ergebnis verdankt sich also im Grunde einer Mischung aus begründeten Annahmen und Gottvertrauen.

Fast am Ende ihrer Kräfte und Nahrungsreserven startet die Gruppe um Bulkeley eine abenteuerliche Reise mit einer ertüchtigten Barkasse. Es geht durch die Magellanstraße nach Brasilien. Entfernung circa fünftausend Kilometer. Im Januar 1742 erreichen dreißig Männer das Ziel. Kapitän Cheap wurde derweil auf der inzwischen Wager Island benannten Insel mit einigen Getreuen zurückgelassen. Drei von ihnen werden Anfang Juni 1742 in Chile ankommen, darunter Cheap und Byron. Zurück in England folgt der dritte und letzte Akt der Tragödie, denn Cheap hat einen wehrlosen Seemann erschossen, Bulkeley zur Meuterei angestiftet. Wer kann sich mit seiner Variante der Erzählung durchsetzen? Immerhin winkt in beiden Fällen ein Todesurteil der Admiralität.

Vom Autor des Bestsellers „Killers of the Flower Moon“

David Grann erzählt eine unfassbare Geschichte, die aus drei Hauptteilen besteht. Der Umbau der Wager und die beschwerliche Fahrt bis zur Strandung, das zähe Überleben auf Wager Island, das nicht allen vergönnt ist und schließlich die waghalsigen Rückfahrten bis zum Gerichtsurteil, welches ein Highlight der besonderen Art darstellt. „Der Untergang der Wager“ ist ein Sachbuch, liest sich aber als kurzweilige, packende Abenteuergeschichte, das Time Magazine spricht von einem Thriller. Kein Widerspruch.

Grann garniert seine Darstellungen mit unzähligen Zitaten aus Tagebüchern, Briefen und weiteren Aufzeichnungen, die er jahrelang recherchiert hat, was über sechzig Seiten Anhang belegen. Gleichwohl beginnt das Buch mit der simplen Erkenntnis: „Ich muss bekennen, dass ich nicht dabei war …“ und so bemüht sich der Autor um eine neutrale Sicht der Dinge und lässt wertneutral alle Seiten zu Wort kommen. Man möge sich als Leser bitte selber ein Urteil bilden, jenes der Admiralität, kann es jedenfalls nicht sein.

© C. Bertelsmann

Wer als Kind oder Jugendlicher „Robinson Crusoe“ von Daniel Dafoe begeistert gelesen hat, kommt um diese wahnsinnige Abenteuergeschichte nicht herum. Man kann es sich trotz teils drastischer und detaillierter Schilderung schlicht nicht vorstellen, wie die Männer auf Wager Island überlebt haben, ebenso wenig wie die rund fünftausend Kilometer lange Reise auf einem dafür ungeeigneten Schiff und nahezu ohne Proviant. Ein Meisterwerk!

  • Autor: David Grann
  • Titel: Der Untergang der Wager
  • Originaltitel: The Wager Aus dem Englischen übersetzt von Rudolf Mast
  • Verlag: C. Bertelsmann
  • Umfang: 430 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: April 2024
  • ISBN: 978-3-570-10546-7
  • Produktseite

Wertung: 14/15 dpt


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