Büchermenschen gegen Rechts – Interview mit Buchhändlerin Lucia Bornhofen


Es haben Begriffe Einzug gehalten, die vor einigen Jahren nicht verwendet worden wären – auch jenseits der Rechtsparteien.

Booknerds: Liebe Lucia, wer dich kennt weiß: Buchhändlerin zu sein bedeutet für dich mehr als nur Bücher zu verkaufen. Magst du in einigen Sätzen beschreiben, was du alles zu deinen Aufgaben zählst? Wie du dich als Unabhängige Buchhändlerin engagierst?

Lucia Bornhofen: Buchhändlerin ist der schönste Beruf ist, den ich mir nur vorstellen kann.
Zuvorderst, weil ich mich einer unglaublichen Themenvielfalt widmen kann und mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun habe. Ich mag es sehr, die passenden Bücher für jede Person zu finden, ich organisiere gerne Veranstaltungen (und stehe auch selbst mit Freude auf der Bühne). Leseförderung ganz dicht an Kindern und Jugendlichen macht Spaß und man sieht gleich einen Erfolg. Und nicht zuletzt suche ich gerne aus der breiten Masse an Neuerscheinungen die Perlen heraus, gerne auch Perlen aus unabhängigen, kleineren und kleinen Verlagen.

Booknerds: Bist du für dein offenes Einstehen bzw. Engagement gegen Rechts schon einmal angefeindet worden?

Lucia Bornhofen: Gewalt habe ich noch nicht erfahren (zum Glück!). Aber es gab schon Schaufenster zur Meinungsfreiheit, bei denen ich mir anhören musste, dass ich nicht ausgewogen präsentiere; es waren keine Titel darin, die ich als rechts einordne. Und die Schaufenster über den Holocaust führten auch zwei Mal zu sehr unschönen Diskussionen. Außerdem habe ich einige Kund*innen verloren.

Booknerds: Die Causa Piper hat in den Sozialen Medien einiges an Aufsehen erregt. War die Aufregung auch unter Buchhändler:innen zu spüren. Wie hast du etwas davon mitbekommen?

Lucia Bornhofen: Tatsächlich auch über Social Media. Es war in einer meiner Buchhandlungs-Gruppen Thema – mit durchaus gemischten Beiträgen.

Booknerds: Ist es ein neuer Trend, dass Verlage, die – wie der Piper-Verlag – vor allem für Unterhaltungsliteratur stehen, Bücher mit populistisch aufbereiteten Themen im Programm haben?

Lucia Bornhofen: Den Trend sehe ich eigentlich nicht. Zumal Piper schon immer auch eine Sachbuchsparte hat, auch wenn die nicht ganz so bekannt ist. Ich glaube eher – kann das aber gar nicht so ganz genau belegen -, dass es ums Humorvolle ging. Und Humor a) ist sehr persönlich und b) geht leider immer noch oft von oben nach unten, hat also ein Gefälle. Ich finde das überhaupt nicht witzig, aber ich finde auch z. B. Mario Barth überhaupt nicht witzig.
Man nimmt also in Kauf, dass der „Humor“ nach unten tritt um diese Sparte zu bedienen, Menschen, die das mögen, zu erreichen. Das macht es natürlich nicht besser.

Booknerds: Hält dabei eher eine rechte Stimmungsmache Einzug oder ist das am Ende ausgewogen? Würdest du sagen, dass rechte Themen die Unterhaltungsliteratur zunehmend unterwandern?

Lucia Bornhofen: Ich kann das nur ganz schwer beurteilen, weil ich mich ja auch in meiner (eher linksgrünen) Blase bewege. Das geht bis hin zu den Vertreter*innen, die auch die entsprechenden zu mir passenden Verlage in der Tasche haben …
Aus anderen Bereichen (z. B. Tierhaltung im Kinderbuch) weiß ich, dass die Verlage sehr genau lesen müssen um Unstimmigkeiten aufspüren. Dafür muss man viel wissen und sich mit den unterschiedlichsten Themen beschäftigt haben.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren durchaus verschoben, was überhaupt gesagt wird. Es haben Begriffe Einzug gehalten, die vor einigen Jahren nicht verwendet worden wären – auch jenseits der Rechtsparteien. Und das schlägt sich durchaus in Verlagsprogrammen nieder, gerade wenn der Verlag kein ganz klares Profil gegen rechts hat. Es gibt also Verlage, bei denen man einfach genauer hingucken muss.

Es gibt also Verlage, bei denen man einfach genauer hingucken muss.

Booknerds: Wie reagierst du als Buchhändlerin ganz persönlich auf solche Veränderungen in den Verlagsprogrammen?

Lucia Bornhofen: Ich beschäftige mich immer wieder, in vielfältiger Form und unterschiedlicher Lektüre mit den Themen Rassismus, Klassismus, Antisemitismus und Feminismus. Und das verändert meine Rezeption … Wenn ich Texte (Bücher) mit Abstand zum zweiten Mal lese, entdecke ich manchmal rassistische, judenfeindliche, antifeministische und andere menschenfeindliche Tendenzen, die ich vorher so gar nicht wahrgenommen habe.
Es ist ein bisschen, wie mit dem Lesen selbst: nur lesen übt lesen – und nur hinterfragen übt hinterfragen.
Die Schwerpunkte meines Sortiments haben sich also in den letzten Jahren ein wenig verlagert: Neben Lesefutter und eher literarischen allgemeinen Titeln suche ich Bücher aus, die sich (vielleicht erst auf den zweiten Blick) mit eben diesen Themen in guter Art beschäftigen.
Und falls ich nicht gleich selbst mitbekomme, was sich vielleicht erst auf den zweiten Blick in einem Buch versteckt – meine Bubble in den sozialen Medien bekommt das sehr wohl mit. Dann reagiere ich sehr schnell.
Heißt verkürzt: Ich kauf das nicht ein oder schicke es umgehend zurück, falls ich was übersehen habe und es kaufte.

Booknerds: Gibt es Schulungen oder Richtlinien/Empfehlungen, um deine Branche auf solche Veränderungen vorbereiten?

Lucia Bornhofen: Mir sind keine bekannt.
Aber es gibt immer wieder Stellungnahmen und Infos, die vom Börsenverein über den Newsletter versendet werden. Und es gibt eine sehr aktive FB-Gruppe, in der das auch immer wieder thematisiert wird.

Booknerds: Gibt es innerhalb deiner Branche Initiativen, um sich gemeinsam gegen Rechts zu organisieren?

„Verlage gegen rechts“ ist ein Zusammenschluss, der immer wieder Stellungnahmen abgibt und zu (Podiums-)Diskussionen einlädt. Verlage, die dort Mitglied sind, kann man schon mal gut als Basis fürs Sortiment nehmen – und das ist ja auch schon hilfreich.
Die Organisation der „Woche der Meinungsfreiheit“ ist ein wichtiger Pfeiler unserer Branche, weil sie allen die Möglichkeit bietet, sich einzubringen. Und das kann man je nach Größe der Buchhandlung und Finanzen gut stemmen.
Und auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist ein „heavyweight“. Zum einen, weil er thematisch sehr dicht am Thema Antifaschismus und Antirassismus dran ist. Und zum anderen, weil die Infos dazu sich über mehrere Newsletter und Veranstaltungen hinziehen.

Booknerds: Vielen Dank für deine Antworten!

Das Interview führte Britta Röder.


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