Büchermenschen gegen Rechts – Interview mit Bookstagramerin Laila Riedmiller


Jeder Versuch, Rechtspopulisten auf inhaltlicher Ebene zu begegnen, macht sie zu scheinbar legitimen Gesprächspartner*innen.
Ich würde deshalb im konkreten Fall Betroffenen beistehen und mich darauf konzentrieren, demokratische Kräfte zu stärken.

Booknerds: Hallo, Laila! Auf Instagram betreibst du unter dem Pseudonym not_without_my_books einen Account, auf dem du regelmäßig Literatur vorstellst. Dabei gehören die meisten von dir vorgestellten Titel nicht zur Unterhaltungsliteratur, sondern in den Sachbuch-Bereich. Dein Kernthema ist der Rechtsextremismus.
Das kommt nicht von ungefähr. Magst du dich einmal kurz selbst vorstellen und etwas zu deinem Themenschwerpunkt erzählen?

Laila: Klar! Mein Name ist Laila, ich komme ursprünglich aus dem Rheinland und lebe nun seit etwa einem Jahr in Franken. Ursprünglich hatte ich den Account ins Leben gerufen, weil ich mich mit anderen Buchbegeisterten über Unterhaltungsliteratur und Sachbücher austauschen wollte. Als ich dann Ende 2021 mit meiner Masterarbeit anfing, die sich mit Geschlechtervorstellungen im extrem rechten Verschwörungsdenken auseinandersetzte, habe ich immer wieder auch dazu Einblicke geteilt und Sachbücher empfohlen, die sich als Einstieg ins Thema eignen. Mittlerweile promoviere ich. Da mich die Themen extreme Rechte, Antisemitismus, Rassismus, Feminismus und co. also auch hauptberuflich beschäftigen, hat sich der Schwerpunkt meines Accounts mittlerweile etwas verschoben und ich nutze die Gelegenheit, bestenfalls einstiegsfreundliche Sachbücher zu empfehlen und über das Thema aufzuklären.

Booknerds: Wo wirst du fündig bei deiner Suche nach Titeln aus dem rechten Umfeld? Ist diese Literatur leicht zugänglich?

Laila: Das kommt darauf an. In der Forschung gibt es unterschiedliche Standpunkte dazu, ob man Publikationen rechtsradikaler und extrem rechter Verlage für die Forschung im Original kauft. Persönlich möchte ich das vermeiden und besorge mir deshalb nicht indizierte Bücher über die Universitätsbibliothek. Das ist gerade auch über die Fernleihe gut möglich. Bücher, die ich unbedingt brauche, beschaffe ich antiquarisch. Anders sieht es natürlich aus, wenn es sich um Texte handelt, die aus guten Gründen nicht öffentlich verfügbar oder zumindest nicht so ganz leicht zu finden sind (bspw. Bücher extrem rechter Autor*innen im Selbstverlag, alte Mitgliederzeitschriften verbotener Vereinigungen etc.). In solchen Fällen helfen sich Forschende untereinander aus, indem sie ggf. digitale Quellen teilen können und darüber hinaus kann ich in solchen Fällen unterschiedliche Forschungszentren und Archive kontaktieren und fragen, ob sie die Quellen verfügbar haben. Solange es sich um frei verfügbare Publikationen handelt, sind diese aber ganz normal zu bekommen.

Booknerds: In deinen Ausführungen orientierst du dich an wissenschaftlichen Maßstäben. Ist Wissenschaft vielleicht der beste Weg, um rechtsextreme Thesen zu entlarven?

Laila: Jein. Das Problem ist, dass Menschen Parteien wie die AfD ja nicht wählen, obwohl sie (mindestens in Teilen) extrem rechte Inhalte vertritt, sondern genau deswegen. Es geht also bei diesen Menschen nicht darum, sie durch faktische Gegenargumente “zurückzugewinnen”. Hier spielen Emotionen eine große Rolle: Rassismus ermöglicht es, sich über andere Menschen zu erheben und verbessert das Selbstwertgefühl. Über Verschwörungserzählungen kann man vermeintliche Schuldige benennen. Hier geht es also ganz stark um Emotionen und denen ist mit sachlicher Aufklärung eher nicht beizukommen, sondern eher mit sozialpädagogischen Angeboten, mit Prävention und Täter*innenarbeit und vor allem mit der praktischen Stärkung demokratischer zivilgesellschaftlicher Initiativen. Aber natürlich ist die Erforschung (extrem) rechter Ideologie, Gruppendynamiken etc. entscheidend für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen. Und daneben hilft Wissen natürlich immer, um gerade die subtilen rechten Inhalte auch zu erkennen – denn extrem rechte Inhalte existieren ja nicht nur dort, wo es um offene Gewaltaufrufe geht. Die sogenannte “Neue Rechte” beispielsweise arbeitet schon sehr lange daran, Diskurse zu verschieben, Dinge sagbarer zu machen. Und gerade hier kann man mit Aufklärung ansetzen. Denn wenn man diese Strategien erkennt, kann man sie kritisieren, davor warnen, Betroffenen beistehen und sich auf (verständnisvolle, langwierige) Gespräche mit “gefährdeten” Menschen im persönlichen Umfeld besser einstellen. Und ich denke, dass verständliche Wissenschaftskommunikation durch Menschen, die selbst in diesen Feldern unterwegs sind, sehr wichtig ist. Auch wenn ich gern einschränken würde, dass ich das hobbymäßig mache und meine Inhalte auf Instagram nicht gleichzusetzen sind mit wissenschaftlichen Fachbeiträgen.

Booknerds: Hast du den Eindruck, Quantität und Qualität der Aktivitäten der neuen Rechten im Büchermarkt haben sich verändert? Und wenn ja, wie? Ist das Angebot eventuell größer geworden?

Laila: (Anmerkung: “neue Rechte” ist eine Selbstbezeichnung der extremen Rechten, die ich persönlich nicht übernehme. Deshalb nutze ich ausschließlich Anführungszeichen oder “sogenannte”.)

In meiner Forschung beobachte ich nicht schwerpunktmäßig den Buchmarkt, deshalb kann ich hier keine Forschungsergebnisse o.ä. präsentieren. Und die “Neue Rechte” ist sehr heterogen – je nachdem, wen ihr mit dieser Frage genau meint, fällt meine Antwort also unterschiedlich aus.

Insgesamt ist es aber so, dass die sogenannte “Neue Rechte”, also eine keinesfalls harmlose, sich aber gemäßigt und intellektuell gebende radikale Rechte, schon seit ihrer Entstehung Mitte der 1960er auf die Verbreitung ihrer Ideologie über ein sehr aktives Verlagswesen (Bücher, aber auch Zeitschriften) setzt. Diese Kleinverlage erhalten bspw. über Amazon definitiv eine Sichtbarkeit und Verkaufsmöglichkeit, die es so früher nicht gab. Man muss sie jetzt nicht mehr kennen oder in eine tendenziöse Buchhandlung gehen, sondern bekommt sie per Algorithmus vorgeschlagen- und nicht alle Menschen wissen, was sich hinter Namen wie “Antaios”, “Jungeuropa” oder “Ares” eigentlich verbirgt. Gleichzeitig wissen wir ja nicht nur durch die “Mitte”-Studien, dass rechte Einstellungen nicht nur am Rand der Gesellschaft auftauchen. Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen “rechts, aber noch im demokratischen Rahmen” und “antidemokratisch, antiliberal”. In der Forschung wird deshalb oft von der “Scharnierfunktion” rechtsintellektueller Akteure gesprochen, denn die macht sich genau das zunutze und verwendet oft eine subtile Sprache, die die eigentlichen Inhalte verharmlost.

An dieser Stelle muss ich etwas ausholen, ich hoffe also, ihr erlaubt mir einen historischen Exkurs.

Die Veröffentlichung ziemlich rechter oder zumindest rechtsoffener Bücher in etablierten Verlagen, wie sie zuletzt beim Piper Verlag kritisiert wurde, ist nämlich keine neue Erscheinung: In den 1980ern beispielsweise publizierte der Ullstein Verlag zeitweise derart rechte und geschichtsrevisionistische Bücher, dass es darüber verlagsintern zum Eklat kam. Der Rowohlt Verlag publizierte von 1930 bis zu dessen Tod 1972 den Nationalrevolutionären und Rechtsterroristen Ernst von Salomon. Der Langen Müller Verlag, in dem bspw. auch der Begründer der “Neuen Rechten” in Deutschland, Armin Mohler, 1991 sein geschichtsrevisionistisches Buch “Der Nasenring” publizierte, existiert bis heute und verlegt neben modernen Klassikern auch Bücher von Thilo Sarrazin, dessen “Deutschland schafft sich ab” rückblickend sehr viele Sagbarkeitsgrenzen verschoben hat. Letzteres Buch erschien übrigens in der Deutschen Verlagsanstalt, die aber auch die beiden autoritarismuskritischen Forscher Steven Levitsky und Daniel Ziblatt verlegt. Und die zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtete “Junge Freiheit” ist seit Jahrzehnten eine überregional bekannte Tageszeitung.

Große Verlage möchten ein möglichst großes Publikum erreichen und dazu gehört auch, rechtsoffene Bücher über die schlimmen “Wokies” zu verlegen, weil sich das gut verkauft. Dazu kommt natürlich auch, dass auch schlechte Publicity in gewissem Maß die Verkaufszahlen fördert. Das ist ja auch ein Ergebnis der zunehmenden Emanzipation vieler gesellschaftlicher Gruppen. Zwar leben wir noch längst nicht in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft, aber dass Bücher wie das von Piper laut kritisiert werden, verweist ja prinzipiell auf ein gewisses Problembewusstsein. Nur leider steht dieser Kritik eine große Gruppe von Menschen gegenüber, die sich durch das immer sichtbarere Selbstbewusstsein einer neuen Generation diskriminierter Menschen bedroht fühlt und darauf mit Ablehnung (oder dem 315. Buch über die schlimme Cancel Culture) reagiert.

Ich würde deshalb sagen, dass durch das Internet rechte Inhalte deutlich schneller und weiter verbreitet werden können. Und ich denke schon, dass die gesamtgesellschaftliche Normalisierung äußerst rechter Inhalte auch auf dem Buchmarkt zu spüren ist, indem Ressentiments deutlich offener geäußert werden.

Booknerds: Wie gefährlich ist diese Literatur? Besitzt sie außerhalb ihrer Blase überhaupt einen Einfluss?

Laila: Auch hier: Es kommt immer darauf an, wovon genau wir reden. Das Riskante an der sogenannten “Neuen Rechten” ist eben, dass sie sich nicht auf “ihre” Blase beschränkt, sondern bewusst die Diskurshoheit erlangen möchte.  Ich denke, Thilo Sarrazins Buch (das zu den meistverkauften seit der Gründung der Bundesrepublik gehört!) zeigt, wie gut sich reaktionäre Inhalte verkaufen. Ein anderes Beispiel wäre die Verschwörungserzählung eines angeblichen Bevölkerungsaustauschs, die auch nicht neu ist, aber durch die “Identitären” modernisiert wurde und auf die sich auch der Attentäter von Christchurch bezog.

Es gab vor einigen Jahren mal einen Skandal, weil das beim rechtsextremen Antaios Verlag erschienene Buch “Finis Germania” von Rolf Peter Sieferle es bis zum “Sachbuch des Monats” schaffte. Zwar kam hinterher raus, dass das nur passierte, weil ein Jurymitglied sämtliche seiner Stimmen auf das Buch gesetzt hatte. Zum Bestseller wurde es trotzdem. Das Risiko bei diesen subtilen Inhalten besteht darin, dass es antidemokratische, mitunter menschenverachtende Inhalte sagbar macht und verharmlost – und dadurch auch Zustimmung von Personen erhält, die vor radikaleren Inhalten zurückschrecken. Gleichzeitig werden dann extrem rechte Inhalte gefühlt immer ungefährlicher, eben weil bestimmte Dinge schon normalisiert sind. Vielleicht kaufen dann nicht alle Menschen bestimmte Publikationen, aber die Ideen verbreiten sich. Es gibt durchaus auch auf Instagram Buchaccounts, die mitunter erschreckend unkritisch solche Bücher rezensieren und damit auch bewerben. Und das alles ist insofern gefährlich, weil die “Neue Rechte” sich sehr viele Gedanken über erfolgreiche Strategien macht und bewusst Skandale provoziert, um sich dann als Opfer einer linken Meinungsdiktatur darzustellen.

Booknerds: Hast du den Eindruck, dass rechte und rechtsextreme Themen während der letzten Jahre gesellschaftsfähiger in der Buchbranche geworden sind?

Laila: Ich habe keinen tieferen Einblick in die Buchbranche, weil das nicht mein Forschungsbereich ist. Aber vermutlich ist die Frage auch schon mit dem langen Exkurs oben zumindest angeschnitten worden.

Booknerds: Ist Rechtspopulismus so etwas wie eine Vorstufe zu rechtem Extremismus?

Laila: Persönlich sehe ich den Rechtspopulismusbegriff etwas kritisch, weil er oft sehr schwammig bleibt und riskiert, extrem rechte Inhalte zu verharmlosen, sobald sie parteiförmig sind (weil damit ja meistens radikal rechte Parteien beschrieben werden). Außerdem werden damit oft sehr heterogene Parteien beschrieben. Der Extremismusbegriff wiederum ist innerhalb der Forschung auch sehr umstritten, weil es sowohl vom Verfassungsschutz und der Totalitarismusforschung geprägte Vorstellungen “extremistischer” Ränder und einer angeblich harmlosen Mitte gibt als auch sozialwissenschaftliche Definitionen, die verdeutlichen, dass links- und rechtsradikales Denken sich qualitativ doch deutlich unterscheiden und in ihrer Gefährlichkeit nicht gleichgesetzt werden können. Deshalb habe ich auf die Frage so keine knappe Antwort außer: Die Menge unterschiedlichster Begriffe kann tendenziell auch sehr verwirren und die Beziehung zwischen rechts und extrem rechts sollte man sich eher als ein Kontinuum bzw. Spektrum vorstellen und nicht als etwas mit einem klaren Bruch.

Booknerds: Wo kann ich mich über rechtsextreme Verlage informieren? Gibt es Listen, die mir solche Verlage anzeigen?

Laila: Wenn es Verlage sind, die der Verfassungsschutz als Verdachtsfälle oder rechtsextrem eingestuft hat, finden sie sich in den Verfassungsschutzberichten der Länder und des Bundes. Im Zweifel lohnt sich auch ein Blick auf die Wikipediaseite der Verlage. Dort steht wie im Fall von Antaios auch dabei, mit welchen Verlagen gerne kooperiert wird. Größere Verlage wie Antaios und Jungeuropa unterstützen außerdem auch kleinere Verlage, indem sie deren Bücher vertreiben – was man dann oft auf der Homepage sieht. Allerdings ist nicht jedes von rechtsextremen Verlagen verkaufte “Fremdbuch” rechtsextrem. Es gibt auch Listen bspw. von der Bundeszentrale für Politische Bildung (https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/239438/was-liest-der-rechte-rand-der-buecherschrank/) oder Belltower News (bspw. https://www.belltower.news/die-buchverlage-der-szene-51006/) und wenn man googelt, findet man viele Zeitungsartikel zum Thema. Das Problem von Listen ist generell, dass sie schnell veralten können und das rechte Publikationswesen sehr dynamisch ist. Wenn man sich lange mit dem Thema beschäftigt, entwickelt man irgendwann ein ganz gutes Gespür. Ich persönlich habe mir auch angewöhnt, grundsätzlich jeden mir unbekannten Verlag zu googlen, auch aus Interesse. Das Thema sollte man eher kontinuierlich auf dem Schirm haben und sich immer wieder informieren. Aber das sollte man auch über rechte Inhalte hinaus, denn grundsätzlich gehört zu einer fundierten Quellenkritik oder Einordnung ja, dass man Autor*innen, Verlag und co. recherchiert. Deshalb würde ich diese Frage gern zum Anlass nehmen, generell nochmal auf die Relevanz von Quellenkritik hinzuweisen. Denn gerade, wenn es nicht um eindeutige Fälle geht, ist der Verlag allein kein Indiz.

Booknerds: Woran erkenne ich einen rechten bzw. rechtsextremen Verlag? Gibt es Merkmale, auf die man achten sollte?

Laila: Bei einschlägigen Verlagen sollte man sich auf jeden Fall die Logos einprägen, weil es teilweise auch Editionen gibt, die andere Namen haben. Antaios bspw. hat eine sehr markante Schlange als Logo – und die findet sich auch auf der Edition Kaplaken, in der politische Essays publiziert werden. Beim Jungeuropa-Verlag kreuzen sich zwei Pfeile hinter einem aufgeschlagenen Buch.

Viele der Verlage, gerade die, die sich elitär geben, haben eine sehr klare und oft monumentale oder epische Bildsprache: Schwarz-Weiß-Bilder von historischen Ereignissen und Denkmälern oder Kunstwerke der Romantik auf dem oft düsteren und einprägsamen Cover oder grafische Anleihen bei Motiven der klassischen Antike verweisen auf die “deutsche” und “abendländische” Kultur und Identität. Ästhetik ist ein wichtiges Element ihrer politischen Strategie und deshalb sollte man nicht den Fehler machen, altbackene Cover zu erwarten. Zumal es mittlerweile auch rechte Comicbuchverlage gibt (bspw. den Hydra Verlag).

Oft sind mal mehr, mal weniger subtile Anspielungen enthalten. Auch die Namen tragen oft bestimmte Botschaften in sich: Antaios entstammt der griechischen Mythenwelt. Der Sage nach ist der Riese so mächtig, weil er fest mit seinem Boden verwurzelt war – und wurde von Herakles besiegt, als der ihn in die Luft hob. Das lässt sich aus einer rechten Blut und Boden-Logik super verwenden. Ares ist der griechische Gott des Krieges, die Hydra ein Seeungeheuer der griechischen Mythologie.

Außerdem sind Schlagworte wie Abendland, Kultur, Nation, Mythos, Identität, Volk, Mythos, Globalismus und co. natürlich oft Buzzwords. Meist finden sich im Verlagsprogramm viele Titel mit historischen Bezügen, wobei der Nationalsozialismus oft ausgeklammert wird oder man bewusst auf Personen der sogenannten “Konservativen Revolution” setzt – ideologisch durchaus heterogene Wegbereiter des Nationalsozialismus, die sich mal mehr, mal weniger deutlich distanzierten und die von rechts oft zu Widerständlern stilisiert werden, obwohl sie trotzdem völkisch, deutschnational, antisemitisch etc. waren. Auffällig ist auch, dass viele dieser Verlage absichtlich die alte Rechtschreibung nutzen, mindestens in ihren Büchern und teilweise auch online.

Ich würde empfehlen, sich mal einen Nachmittag hinzusetzen und die Internetauftritte unterschiedlicher dieser Verlage miteinander zu vergleichen. Dann stößt man definitiv auf bestimmte Muster. Aber Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Booknerds: Gibt es ein Wachstum in diesem Segment?

Laila: Dafür müsste ich mir erst entsprechende Statistiken anschauen – was nicht zwingend aussagekräftig wäre, weil ich gerade Eigenaussagen rechter Verlage auch nicht unbedingt trauen würde.

Booknerds: Thema Kommunikation. Macht es überhaupt Sinn mit Rechtspopulisten oder anderen extremen Rechten zu diskutieren?

Laila: Ich zitiere an dieser Stelle mal den Kopf hinter der extrem rechten Denkfabrik in Schnellroda, Götz Kubitschek: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party”. Das schrieb er schon 2006 in der Sezession und damit erübrigt sich die Frage eigentlich schon. Mit ihnen zu diskutieren, setzt voraus, dass man sich auf bestimmte ihrer Inhalte einlassen und ihnen auf Augenhöhe begegnen muss. Das wollen sie aber nicht. Es ist wie Taubenschach, nur dass die Taube verdammt gerissen ist und nicht aus Unwissen oder Dummheit aufs Schachbrett scheißt. Und jeder Versuch, ihnen auf inhaltlicher Ebene zu begegnen, macht sie zu scheinbar legitimen Gesprächspartner*innen. Außerdem sind wir hier wieder beim Thema Emotionen, das ich oben schon ansprach. Ich würde deshalb im konkreten Fall Betroffenen beistehen und mich darauf konzentrieren, demokratische Kräfte zu stärken.

Booknerds: Die „Neue Rechte“ ist sehr aktiv in den Sozialen Medien unterwegs. Ist es klug, aktiv darauf zu reagieren? Also z.B. mit Fakten und Gegenargumenten in den Kommentaren zu widersprechen? Oder bereiten wir durch unsere Kritik rechtspopulistischen Themen erst die gewünschte Bühne?

Laila: Hier würde ich gerne auf das Buch “Digitaler Faschismus” von Maik Fielitz und Holger Marcks verweisen: Die Rechten haben den Vorteil, dass soziale Medien und Algorithmen in ihrem Sinne funktionieren. Ihnen das digitale Feld zu überlassen finde ich trotzdem falsch, wir sehen ja gerade am Beispiel TikTok und der AfD, dass die extreme Rechte auch digital Leerstellen sehr gut füllen kann. Aber es kann dabei nicht darum gehen, die Kraft inhaltlich auf die rechten Akteure selbst zu konzentrieren, finde ich.

Es geht um eine Gegenrede, die organisiert und strategisch vorgehen muss, die sich nicht in einen Streit begibt, sondern ein inhaltliches Gegengewicht schafft. Ich finde bspw. #ReclaimTikTok oder Accounts wie keine.erinnerungskultur gerade deshalb so stark, weil sie aufklären und positive Gegenerzählungen schaffen. Dafür kann man auf rechte Inhalte zugreifen, um sie zu widerlegen und sollte es auch tun, aber wenn es nicht durchdacht ist, kann das nach hinten losgehen. Sich hinterher moralisch überlegen zu fühlen, weil man es diesem anonymen Troll so richtig gezeigt hat, ist nicht unbedingt die beste Strategie – und kräftezehrend noch dazu. Bei klar rechtsextremen Inhalten kann man diese als rechtswidrig melden – wenn das mehrere Menschen tun und sie auch hartnäckig dranbleiben, klappt das immer wieder.

Booknerds: Hast du persönlich schon mal einschlägige Erlebnisse mit Personen aus dem Umfeld der sogenannten „Neuen Rechten“ gehabt? Stehst du mit deiner Bloggertätigkeit nicht permanent im Focus dieser Gruppen?

Lalíla: Man sollte mein Profil und meinen Einfluss nicht überschätzen. Mein Account ist relativ klein und – das wissen auch “neurechte” Akteure, die auf mich stoßen – nur begrenzt einflussreich. Ich kann ja nicht viel mehr tun, als immer wieder auf solche Dinge hinzuweisen. Ich kann nicht dafür sorgen, dass Menschen, die das lesen und sich schon für kritisch halten, sich auch wirklich damit auseinandersetzen. Oft sehe ich bspw. Rezensionen, bei denen ich mich frage, wie zur Hölle das diese oder jene Person, die diese Rezension geliked hat und die gegen rechts ist, denn nicht bemerkt hat, dass da antisemitische, rassistische, reaktionäre etc. Inhalte drinstecken. Nun kann und will ich schlecht die Leute anschreiben und sie fragen, warum. Erstens finde ich solches Hinterherschnüffeln befremdlich und zweitens weiß ich, dass sowas oft auch einfach passiert, weil man ein Profil vielleicht konservativ aber nicht rechts findet, ein Profil ja noch sehr klein ist, man die Codes nicht erkennt, es andere ja auch schon geliked haben, denen man vertraut und die Übergänge zwischen erzkonservativ und extrem rechts nun einmal fließend sind. Was es hier bräuchte, wären eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Medienkompetenz, gepaart mit viel mehr Wissen um die Inhalte und eine Grundskepsis gegenüber Inhalten, die man nicht sofort einordnen kann. Didaktisch gesprochen: Auswendiglernen ist eine Sache, anwenden, es beurteilen, Transferleistungen eine ganz andere und dieser Lernprozess muss aktiv passieren, weil man die Zeit investieren will. Auf Social Media verschwimmen die Grenzen, weil quasiredaktionelle Inhalte ohne journalistische Sorgfaltsprüfung von Privatpersonen geteilt werden. Und niemand von uns hat die Kompetenz, bei jedem dieser Inhalte dessen Korrektheit zu überprüfen.

Ich schweife sehr ab, will aber sagen: Klar gibt es manchmal entsprechende Nachrichtenanfragen und ich weiß auch, dass mein Post zu rechten Verlagen bei manchen einen Nerv getroffen hat. Ich bin aber auch in einer ländlichen Gegend großgeworden, in der rechte Kameradschaften viele Freiräume hatten und seit früher Jugend zivilgesellschaftlich aktiv, dementsprechend habe ich auch physische Bedrohungen von rechts und Hate Speech erlebt. Vielleicht bin ich dadurch auch etwas abgestumpft. Jedenfalls habe ich durch meine Blogger*innentätigkeit bislang deutlich weniger Gegenwind zu spüren bekommen als durch andere Formen des Engagements. Und selbst wenn – es ist eine Entscheidung, die jede*r für sich persönlich treffen muss. Aber wenn ich durch mein Engagement im ganz kleinen Maßstab dazu beitragen kann, dass mehr Menschen sich mit rechten Umtrieben auseinandersetzen, ist es mir das allemal wert. Und das soll nicht heroisch klingen.

Booknerds: Vielen Dank, dass du dein umfangreiches Wissen zum Thema mit uns geteilt hast!

Das Interview führte Britta Röder.


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