Es ist ein großes Glück, dass Allmen ausgerechnet dann Herrn Weynfeldt kennenlernt, als er unter finanziellem Druck gerät. Denn bereits kurz nach ihrem Kennenlernen fällt auf, dass Herr Weynfeldt bestohlen wurde. Ein Gemälde, von dem nicht bekannt ist, ob es nichts oder aber ein Vermögen wert ist, wurde aus seiner Wohnung entwendet. Es erscheint ebenso als großes Glück, dass Allmen ein Privatdetektiv ist, der sich auf Kunst spezialisiert hat. Es dauert nicht lange, bis alle Freunde des teuren Freundes in Verdacht geraten. Könnte Strasser der Dieb sein? Oder eher Karin Winter? Doch diese scheidet schnell als Verdächtige aus. Denn kaum hat sie etwas zu berichten, wird sie tot in ihrer Buchhandlung aufgefunden.
Herr Weynfeldt. Diese Figur eines schwerreichen Mannes, der alle Regeln des guten Geschmacks und des Benehmens beherrscht und gleichzeitig so romantisch und bescheiden wohltätig ist. Vielleicht war es Liebe auf den ersten Buchstaben bei mir. Wie konnte ich also nicht in einen Freudentaumel geraten, als ich von Martin Suters Neuerscheinung erfuhr, in der auch Herr Weynfeldt eine große Rolle spielen würde!
Adrian Weynfeldt verzaubert auch diesmal wieder mit seiner zurückhaltenden Art und seiner Gabe, allen etwas Gutes zu tun, ohne den Ruhm dafür einstreichen zu wollen. Aber – und hier setzt ein großes Aber ein, das Sorge bereitet in Hinblick auf die Zukunft des nahezu untadeligen Mannes – Allmens Einfluss scheint ihm nicht gut zu tun.
Betrachten die Leser*innen den Lebemann Allmen, lässt sich schnell erkennen, dass er wie ein Hochstapler wirkt. Der Kunstdetektiv gibt sich als reich und gönnerisch, während er in Wirklichkeit pleite ist und seine Rechnungen anschreiben lassen muss. Anstatt wie jede*r Vernünftige ein bescheideneres Leben zu führen, borgt er sich lieber Geld bei seinem Angestellten, der eigentlich sein Partner ist. Allerdings putzt der ihm täglich die Schuhe, was zeigt, wie die Hierarchie im Hause Allmen aussieht.
Kurz: Allmen gibt sich als etwas aus, das er nicht ist. Auch Weynfeldt gelingt dieser Zug, jedoch in umgekehrter Richtung. Beide Männer scheinen das Gegenteil des jeweils anderen zu sein.
Gleichzeitig beeinflussen sie sich gegenseitig. Besonders einfach lässt sich dies an dem Umstand erkennen, dass Weynfeldt immer häufiger den bestellten Martini trinkt anstatt lediglich die Olive daraus zu essen. Allmen hingegen blickt bewundernd auf den Kleidungsstil seines neuen Freundes.
Um beim Martini zu bleiben – Alkohol spielt eine große Rolle in der Geschichte um die beiden Männer. Nicht so sehr für den Fall an sich, sondern weil er über den gesamten Plot hinweg als die einzige Flüssigkeitszufuhr in Erscheinung tritt. Trinken die Protagonisten, so ist es stets etwas Alkoholisches. Die Häufigkeit dessen kann in seiner Pauschalisierung als Verharmlosung von Alkoholismus interpretiert werden. Parallel erscheint es so, als gehörte es zum Leben eines wohlhabenden Mannes dazu, den Pegel permanent hochzuhalten.
Der eigentliche Fall thematisiert einen Kunstraub mit anschließendem Mord. Allmen und Weynfeldt ermitteln als Duo. Sie befragen ehemalige Gäste einer Abendgesellschaft und möchten Videomaterial sichten, welches sie nie zu sehen bekommen.
Während die Handlung in Der letzte Weynfeldt in ihrer Komplexität überzeugt, kommt die Auflösung hier zu simpel daher. Es ist ein stetiges Befragen, Essen gehen, trinken, Befragen, … Das Ganze geschieht fast emotionslos. Zudem müssen die Lesenden auf Weynfeldts unerwartete Gerissenheit in diesem Roman verzichten.
Suters Sprache ist gewohnt elegant, passend zu seinen Charakteren. Der Erzählstil wirkt fast sachlich. Die Nähe zu Weynfeldt will diesmal nicht aufkommen, zu sehr tritt Allmen als Störfaktor diesbezüglich in Erscheinung. Etwas, das den Autor auszumachen scheint, ist eine große Kenntnis in Sachen Kunst. Hier gewährt er Einblicke, die Laien vermutlich andernfalls verschlossen blieben.
Fazit
Es ist eine schöne Lektüre, die Allmen und Herr Weynfeldt bieten. Doch wer auf das Besondere von Der letzte Weynfeldt hofft, wird leider enttäuscht.
- Autor: Martin Suter
- Titel: Allmen und Herr Weynfeldt
- Verlag: Diogenes
- Umfang: 224 Seiten
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Erschienen: 20. März 2023
- ISBN: 978-3-257-07279-2
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Wertung: 11/15 dpt