Mord wird zu persönlichem Fall für Oberkommissär Wurzer
Mai 1925. Oberkommissär Benedict Wurzer drängt es mit Frau Marei in den Urlaub nach Kallmünz, wo deren Schwester einen Bauernhof besitzt. Doch zuvor machen beide einen Abstecher nach Regensburg, um Tochter Anna und deren Familie zu besuchen, die sie zuletzt vor einem halben Jahr gesehen haben. Anna wirkt auf Wurzer etwas fahrig, was womöglich an dem angespannten Verhältnis zu Ehemann Walter oder den ärmlichen Wohnverhältnissen liegen könnte, seine wahre Ursache aber im Verschwinden der Veronika Haberl hat. Ihre Nachbarin Vroni wurde zur Freundin und ist am Tag zuvor nicht nach Hause gekommen. Ein ungewohnter Vorgang, schließlich ist ihr unehelicher, zwölfjähriger Sohn Karl ihr ein und alles.
Einen Tag später reisen Wurzer und Marei schon weiter, allerdings haben sie spontan entschieden, Annas Kinder mitzunehmen. Derweil machen sich Anna und Karl auf die Suche nach Vroni und geraten dabei selbst in Gefahr. Währenddessen identifiziert Kreszentia Wenniger, die Tante von Vroni, die Leiche jener jungen Frau, die am Donauufer auf der Schillerwiese gefunden wurde. Aber warum sollte sich die frisch verliebte Vroni an einem Baum aufgehangen haben, wie es die Polizei vermutet? Nachdem auch Anna verschwindet, muss Wurzer wohl oder übel seinen Urlaub unterbrechen und stürzt sich mit Walter auf Verbrecherjagd.
Überzeugt durch Handlungsaufbau und Zeitgeschichte
Nach „Zum Sterben zu viel“ gibt es mit dem vorliegenden Roman „Schillerwiese“ ein Wiedersehen mit dem sympathischen Oberkommissär Wurzer, wenngleich dieser weiterhin bedrückt wirkt. Wer will es ihm verdenken? Beide Söhne sind im Krieg gefallen, die politische Lage im Land erhitzt sich zunehmend, zumal Hitler trotz fünfjähriger Haftstrafe nach dem Putsch in München 1923 längst wieder frei ist und völkische Kräfte ihr Unwesen treiben. Eine Entwicklung, die auch innerhalb der Polizei Auswirkungen hat, denn nicht wenige sympathisieren mit der nationalen Bewegung; zum Leidwesen Wurzers, der Anhänger der Bayerischen Volkspartei ist.
Die politische Gemengelage wirkt immer durch und ist ein wichtiger Faktor hinsichtlich der Lösung des Falles, dessen Spannungskurve recht überschaubar bleibt. Wichtiger als die Frage nach dem Mörder der Vroni, da gibt es kaum Alternativen zur Auswahl, sind die schon erwähnte politische Lage, die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und eine Verkettung unglücklicher Umstände. Nicht nur Wurzer leidet unter dem Krieg, auch Walter, der mit Annas Brüdern gemeinsam an der Front war, ist von den Erlebnissen noch immer stark belastet. Sein Leben scheint verpfuscht, das geringe Einkommen landet nicht selten in der Wirtschaft, die gemeinsame Ehe steht auf der Kippe, was unter anderem auf einem unausgesprochenen Missverständnis beruht.
Fehlentscheidungen führen gleich bei mehreren Personen zu fatalen Folgen, welche dann doch für ein wenig „Spannung“ sorgen. Lotte Kinskofer hat sich da einen originellen Plot ausgedacht, der schnell und unterhaltsam an einem Tag bewältigt ist. Der Wechsel von München nach Regensburg ist stimmig und bietet eine neue, gut inszenierte Kulisse.
- Autorin: Lotte Kinskofer
- Titel: Schillerwiese
- Verlag: ars vivendi
- Umfang: 190 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2024
- ISBN: 978-3-7472-0599-0
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Wertung: 12/15 dpt