John Mair – Es gibt keine Wiederkehr (Buch)


Ein unbeabsichtigter Mord mit Folgen

Es gibt keine Wiederkehr
© Elsinor

Desmond Thane arbeitet für die Nachrichtenagentur „International Features“ als Boulevardjournalist in London und hat sich vor geraumer Zeit in Anna Raven verliebt, die ihn magisch anzieht. Dabei wirkt Anna stets kühl und reserviert, bestimmt den Rhythmus ihrer Treffen, so dass Desmond sie schon bald loswerden will. Allerdings ist das Verlangen stärker, welches inzwischen nichts mehr mit sexueller Begierde gemein hat, eher eine Hassliebe. Als ihm Anna eröffnet, dass sie das Land verlassen wird, fordert er sie mit einem Telegramm zu einem letzten Treffen auf, bei dem er ein vermeintliches Tagebuch in ihrem Schreibtisch findet. Da er ihr schon länger unterstellt, auch mit anderen Männern zu verkehren, möchte erst recht erfahren, was sie über ihn geschrieben hat. Anna bedroht ihn daraufhin mit einer Pistole, es kommt zu einem Handgemenge an dessen Ende Desmond seine Geliebte mit deren Halstuch erwürgt.

Die folgenden Stunden verflogen in traumartiger Verwirrung.

Desmonds Leben gerät aus den Fugen, denn Anna war Agentin einer Geheimorganisation, die das Tagebuch, welches in Wirklichkeit eine verschlüsselte Kontaktliste enthält, zurückhaben möchte und dabei vor keinem Mittel zurückschreckt.

Längst vergessenes Werk erscheint bei Elsinor

Im kleinen Elsinor-Verlag gibt der bekannte Krimiexperte Martin Compart einige teils in Vergessenheit geratene Werke heraus, darunter das vorliegende „Es gibt keine Wiederkehr“ aus dem Jahr 1941, welches werbewirksam als „Klassiker“ bezeichnet wird. In seinem Nachwort führt Compart aus: „Die Rezeption war und ist erbärmlich: In keinem der sekundärliterarischen Werke zur Geschichte des Spionageromans oder des Polit-Thrillers wird der Roman erwähnt.“ Immerhin, kein Geringerer als George Orwell hat das Werk seinerzeit in einer Rezension wohlwollend besprochen. Aus heutiger Sicht ist es – zumindest für „Laien“ des Krimigenres – schwer einzuordnen. Ja, man kann einiges in dieses Werk hineininterpretieren; muss man aber sicher nicht. Da der Roman seinerzeit mit den gängigen Konventionen brach, ist er aber mindestens “Krimiliteraturhistorisch” von Interesse.

Anna arbeitet für die „I. O.“, die Internationale Opposition, ein Zusammenschluss von wirren Politikern in Europa. Linke Nationalsozialisten treffen auf russische Trotzkisten sowie britische Erzkonservativ. Politisch passt hier nichts zusammen, doch sie alle eint, dass sie ihren jeweiligen Regierungen überdrüssig sind und sich derer entledigen wollen. Dafür ist ihnen nahezu jedes Mittel recht und so wird Desmond kurz nach Annas Ermordung entführt und teils gefoltert. Natürlich gibt er nicht preis, wo sich das gesuchte Buch befindet, wohl wissend, dass er anschließend ermordet würde.

Das alles klingt lächerlich, nicht wahr? Wenn ich es so erzähle, mag ich es selbst kaum glauben.

Desmond gelingt die Flucht, wird von der Polizei vorübergehend verhaftet und landet letztlich zum großen Finale doch wieder bei dem Geheimbund. In zahlreichen Verhören bringt sich Desmond immer mehr in Bedrängnis, denn der eloquente Journalist erzählt ein irrwitziges Märchen nach dem anderen, was mitunter durchaus vergnüglich ist. Der Roman erschien 1941 und spielt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Mit reichlich Fantasie mag man ihn als Spionageroman oder laut Buchcover als „Polit-Thriller“ lesen, wenngleich es sich eher um eine Genreparodie handeln dürfte, denn das, was den Roman auszeichnet ist der Umstand, dass Desmond Thane der erste Antiheld der genannten Genres ist.

Der erste Antiheld seiner Zeit

Er handelt nicht wie damals üblich aus Patriotismus, sondern denkt nur an den eigenen Vorteil und – wie Orwell erwähnte – „nirgends ist eine schöne Jungfrau zu retten.“ Zudem ist Desmond eine gut greifbare, dreidimensionale Figur. Eitel, feige, ein notorischer Lügner und keineswegs der sonst übliche angstfreie Held seiner Zeit. Dazu passt die Figur der Anna, die eine für die damalige Zeit ebenfalls unübliche, da äußerst selbstbewusste Frau verkörpert, so dass in der Beziehung zwischen ihr und Desmond das gängige Rollenbild getauscht wird.

Die Handlung selbst mutet wie besagter Geheimbund über weite Strecken völlig surreal an. Es bleibt am Ende – wie so oft – Geschmacksache, aber wer sich für außergewöhnliche Plots interessiert, mag einen Blick riskieren. Allein das informative Nachwort von Martin Compart lohnt die Lektüre.

  • Autor: John Mair
  • Titel: Es gibt keine Wiederkehr
  • Originaltitel: Never Come Back (1941). Übersetzt von Jakob Vandenberg und einem Nachwort von Martin Compart
  • Verlag: Elsinor
  • Umfang: 264 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Juni 2021
  • ISBN: 978-3-942788-56-4
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


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