„Die Mimik der Haie“ ist das Debüt des Berliner Autors Matthias Rische. Insgesamt 22 Erzählungen hat er in seinem Buch zusammengefasst, die sich trotz inhaltlicher Unterschiede deutlich um gewisse Themenschwerpunkte kristallisieren.
Rische stellt in seinen Erzählungen Menschen in den Mittelpunkt, die im realen Leben eher am Rand der Gesellschaft zu finden sind. Kinder und Jugendliche, die misshandelt oder vernachlässigt werden. Menschen, die an der Schwelle einer Transformation stehen, oft in Folge einer psychischen Erkrankung oder eines traumatischen Ereignisses oder Verlustes. Nur selten wendet sich dabei für diese Menschen das Blatt zum Guten wie etwa in den Erzählungen „ Kim“ oder „Abschied von der Trauer“.
Risches Stil ist gnadenlos naturalistisch, wobei er immer wieder Elemente aus dem Magischen Realismus heranzieht. Der dadurch initiierte Kontrast verleiht seinen Texten eine zusätzliche Tiefe, die den Leser:innen großen Raum zur eignen Interpretation überlässt.
Und ich sehe Dinge. Nehme sie vielleicht anders wahr als andere. Interessiere mich plötzlich für ein Bild, an dem alle anderen achtlos vorbeigegangen sind.
Aus der Erzählung “Der Wandler”, Seite 18
Die Intensität, mit der Rische Atmosphäre innerhalb jeder einzelnen Erzählung erzeugt, ist beeindruckend und zeichnet seine Prosa aus. Er zieht die Leser:innen buchstäblich in die Köpfe der Figuren hinein, deren labyrinthische Erlebniswelten nur selten einen Ausweg aufweisen. Die daraus resultierende Beklemmung ist bei Rische Programm. Seine Erzählungen sind selten schön. Die von ihm favorisierten Themen sind unbequem.
Besonders eindringlich wird sein Erzählen, sobald er sich sozial-bzw. gesellschaftskritischen Themen zuwendet. Die titelgebende Erzählung „Mimik der Haie“, „Gene oder Erziehung“ oder „Fallhöhe“ gehören zu den Höhepukten des Bandes. In ihnen stellt der Autor die tragische Verkettung zwischen Opfern und Tätern dar. Gewalt, das macht Rische deutlich, produziert Gewalt. Täter haben meist Vorgeschichten, in denen sie selbst Opfer sind. Risches Porträts sind ungeschönt. Er zeigt Kausalitäten auf, ohne Fakten zu relativieren.
Am Ende bleibt festzustellen, dass dem Band eine geringere Gesamtmenge an Texten vielleicht etwas besser gestanden hätte, um die Kernthemen Risches noch prominenter ins Scheinwerferlicht zu rücken. Doch das ist Kritik auf hohem Niveau, bei der die Vorfreude auf weitere Veröffentlichungen des Autors überwiegt.
- Autor: Matthias Rische
- Titel: Die Mimik der Haie
- Verlag: Periplaneta
- Erschienen: September 2023
- Einband: Klappenbroschur
- Seiten: 166 Seiten
- ISBN: 978-3959962032
Wertung: 12/15 dpt