Mittelalterkrimi vom Feinsten
Seyfried von Viskenich zog einst mit Kaiser Barbarossa gen Jerusalem, kämpfte bei der Eroberung von Akkon und wurde vom englischen König Richard persönlich zum Ritter geschlagen. Ein muslimischer Arzt heilte ihn nach einer schweren Verletzung, danach hatte Seyfried genug vom Töten und ging nach Salerno, um sich dort an der berühmten Scola Medica Salernetana zum Medicus ausbilden zu lassen. Dort erfährt er eines Tages, dass sein Vater Johann durch ein Blutgericht in Köln zum Tode verurteilt wurde. Sein Vater, ein ehrenhafter Ritter, ein ruchloser Mörder? Niemals. So macht sich Seyfried auf den Weg in seine alte Heimat, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Durch das Todesurteil für seinen Vater ist die gesamte Familie geächtet, wobei es nur noch die jüngere Schwester Isolde gibt, von der seit besagtem Urteil jede Spur fehlt.
Seyfried erreicht unter falschem Namen Köln, wo er prompt in einen größeren Menschenauflauf gerät, da ein Mann ermordet wurde. Bestürzt stellt Seyfried fest, dass der Tote der frühere Kastellan seines Vaters war. Seyfried bleibt unerkannt und versucht als Medicus auf sich aufmerksam zu machen, um so in die höheren Kreise zu gelangen. Nur hier kann er Informationen über den Tod seines Vaters und das von ihm angeblich begangene Verbrechen erhalten.
Seyfried wird bald zu einem einflussreichen Tuchhändler gerufen, der unter starken Schmerzen leidet. Er stellt fest, dass man Matthias Quentenberg mit Arsenik vergiftet hat. Schnell wird es turbulent, denn Quentenberg hat nicht nur eine ebenso schlaue wie hübsche Tochter namens Rebecca, plötzlich interessieren sich auch die einflussreichsten Kölner recht auffällig für den neuen Medicus; selbst der Erzbischof bittet zur Vorsprache. Seyfried gerät zwischen die Fronten, in kaum durchschaubare Ränkespiele und als wäre dies nicht alles schlimm genug, geschehen weitere Morde und schon bald steht ein Besuch von Eleonore von Aquitanien an, der englischen Königsmutter, die auf dem Weg nach Hannover, wo sie Kaiser Heinrich VI. das Lösegeld für ihren Sohn Richard übergeben will, in Köln den Dom besuchen möchte. An ihrer Seite: Zweihundert Ritter, die auf sie und unfassbare hunderttausend Silbermark aufpassen sollen.
Das Lösegeld für Richard Löwenherz kommt nach Köln
Ingo Gach, der mit „Caligulas Rache“ und „Freyas Fluch“ bereits zwei in Köln spielende historische Romane vorgelegt hat, glänzt mit seinem ersten Mittelalterroman „Das Blutgericht von Köln“. Wer Frank Schätzings „Tod und Teufel“ mit Begeisterung gelesen hat, wird hier ebenfalls einen Volltreffer landen. Wer sich für eines (oder mehrere) der Themen Mittelalter, Köln, Kreuzzüge, Richard Löwenherz sowie Medizin interessiert, sollte ebenfalls zugreifen. Eingebettet in die historischen Hintergründe der Gefangenschaft von König Richard auf Burg Trifels und der für damalige Zeiten unvorstellbaren Lösegeldforderung von insgesamt hundertfünfzigtausend Silbermark, fünfzigtausend sollten später nachgezahlt werden, liefert der vorliegende Plot einen spannenden, vielschichtigen und bildgewaltigen historischen Kriminalroman.
„Das klingt nicht gerade sehr ehrenvoll.“
„Ehrenvoll? Mein lieber von Schwarzenberg, hier geht es darum, wer mehr Einfluss besitzt, da ist jedes Mittel recht.
Das Grauen der Kreuzzüge, das brutale Gemetzel und Abschlachten sowie die Gutmütigkeit eines muslimischen Arztes, öffnen Seyfried die Augen. Er will nicht länger töten, sondern ebenfalls heilen. Doch, wie oben erwähnt, es kommt anders und so geht es zurück nach Köln, in dessen Nähe die Burg seiner Familie liegt. Köln, die größte und reichste Stadt nördlich der Alpen, wird wunderbar lebendig beschrieben. Man taucht in die schmutzigen Gassen, dunkle Gasthäuser und vornehme Patrizierunterkünfte ein. Reich wird man jedoch nicht nur, weil man ein schlauer Geschäftsmann ist, sondern sich gekonnt mittels übler Ränkespiele zu behaupten weiß. Der Rat der Stadt und der Erzbischof liegen – in Köln traditionell – über Kreuz, zumal sich die Händler nicht einig sind, ob sie sich an dem Lösegeld für Richard beteiligen sollen. Man handelt seit geraumer Zeit mit den Franzosen, andererseits wird sich Richard erkenntlich zeigen, wenn er wieder als König regiert.
Dass ein derart hohes Lösegeld gewisse Begehrlichkeiten erweckt ist naheliegend, ebenso, dass ein Mörder sein Unwesen treibt. Wieder einmal stellen sich die Fragen, wem kann man vertrauen, wie an Informationen kommen? Da zudem Rebecca herausfinden möchte, wer für den Giftanschlag auf ihren Vater verantwortlich war, wird es für beide bald gefährlich, nicht zuletzt, weil Seyfrieds Tarnung aufzufliegen droht.
„Das Blutgericht von Köln“ spielt im Dezember 1193 und endet – wie passend – am ersten Weihnachtstag. Falls jemand noch ein ideales Geschenk für Mittelalter-Lesefreunde suchen sollte, hier ist es!
Finaler Tipp:
Nach Lektüre dieses Romans drängt sich der Roman „Der englische Löwe“ von Mac P. Lorne auf, da dieser unmittelbar nach der Freilassung von Richard Löwenherz ansetzt, also nach der hier thematisierten Lösegeldübergabe, und dessen letzte fünf Lebensjahre begleitet.
Autor: Ingo Gach
Titel: Das Blutgericht von Köln
Verlag: Emons
Umfang: 448 Seiten
Einband: Taschenbuch
Erschienen: September 2023
ISBN: 978-3-7408-1886-9
Wertung: 13/15 dpt