Jahrhundertflut und Prohibition in Mississippi
April 1927. Seit Tagen wüten schwere Unwetter, der Mississippi droht viele Ortschaften mit sich zu reißen. Zuständig für Präsident Coolidges Hochwassernothilfe ist Handelsminister Herbert Hoover, der seine Chance gekommen sieht, medienwirksam in die Öffentlichkeit zu treten und nächster amerikanischer Präsident zu werden. Allerdings könnte das Verschwinden zweier Prohibitionsagenten vor zwei Wochen ein unschönes Bild auf seine Aktivitäten werfen und so bittet er die Agenten Ted Ingersoll und Ham Johnson herauszufinden, wo ihre Kollegen Little und Wilkinson abgeblieben sind. Sollte der schlimmste Fall eingetreten sein, so haben sie eine Woche, um deren Mörder zu finden.
Die letzte Spur führt in die kleine Stadt Hobnob, die in einer Flussschleife des Mississippi liegt und von dem drohenden Hochwasser stark gefährdet ist. Schwarzbrenner Jesse war wohl die letzte Anlaufstelle der vermissten Agenten. Auf dem Weg nach Hobnob finden Ted und Ham auf der Veranda eines Geschäfts ein Plündererpaar, welches von dem jugendlichen Mitarbeiter erschossen wurde, wenngleich bei dem Schusswechsel dieser auch selbst tödlich getroffen wurde. Im Geschäft finden sie zudem ein Baby, welches Ted in der nächstgrößeren Stadt Greenville bei der Polizei abgeben will, während sein Partner nach Hobnob weiterreitet.
Die Polizei in Greenville zeigt jedoch kein Interesse und verweist auf das Waisenhaus, welches allerdings bereits evakuiert wurde und völlig überbelegt ist. In einem Geschäft kauft Ted Babysachen und erkundigt sich nach einer Frau, die womöglich ein Baby aufnehmen würde. So trifft er auf die zweiundzwanzigjährige Dixie Clay, die vor zwei Jahren ihr eigenes Baby verlor. Sie nimmt sich dessen an und irgendwie fühlen sich Ted und Dixie Clay zueinander hingezogen. Allerdings ahnt Ted nicht, dass nicht Jesse der Schwarzbrenner ist, sondern dessen Frau: Dixie Clay.
Derweil steigt der Fluss gewaltig an und Hobnob droht in den Fluten des Mississippi zu versinken, sofern der Deich nicht standhält. Dann verschwinden fünfzig Pfund Dynamit aus Armeebeständen und die Angst vor Saboteuren steigt.
Nicht zuletzt ein großer, amerikanischer Liebesroman
Tom Franklin gewann mit „Krumme Type, krumme Type“ im Jahr 2019 den Deutschen Krimipreis und schrieb den vorliegenden Roman gemeinsam mit seiner Ehefrau Beth Ann Fennelly. Die Flut von 1927 ist eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte Amerikas, dort allerdings mitunter der Vergessenheit anheimgefallen. Dies wollte das Autorenduo ändern und platzierte den Plot vor dem historischen Hintergrund, wobei die Figuren sowie Hobnob frei erfunden sind.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die anhaltenden Regenfälle einschließlich deren verheerender Folgen sowie die schicksalhafte Begegnung zwischen Ted und Dixie Clay, denn Ted wird bald klar, dass er die junge Frau als Schwarzbrennerin eigentlich verhaften müsste, wodurch das Baby allerdings zum zweiten Mal binnen Tagen zum Waisenkind würde. Dies ist für Ted keine Option, zumal er selbst als Waisenkind in einem Heim in Chicago aufwuchs. Dort verliebte er sich in den Blues, konnte sich jedoch seinen jugendlichen Traum nicht erfüllen, als Weißer mit einer schwarzen Band auf Tour zu gehen, woraufhin er sich als Sechszehnjähriger beim Militär meldete und kurz darauf auf dem Schlachtfeld von Verdun wiederfand, wo er Ham als seinen Offizier kennenlernte.
Dixie Clays Leben verläuft ebenfalls ambivalent. Zunächst glücklich und jung verheiratet, doch schon bald desillusioniert, da Jesse öfters im entfernten Greenville bei anderen Frauen übernachtet. Sie entflieht ihrer häuslichen Einsamkeit, in dem sie für Jesse Whisky brennt, den dieser zu Geld macht. Doch nach dem Besuch der beiden Prohibitionsagenten Little und Wilkinson, hat Dixie Clay ihren Mann in Verdacht, diese ermordet zu haben, zumal er – vor allem alkoholisiert – zu Gewalttätigkeiten neigt.
„Das Meer von Mississippi“ ist ein amerikanischer Noir vor historischem Hintergrund, bei dem sich das Autorenduo gern in Details verliert. Die verheerende Flut wird ausführlich beschrieben, was die bedrückende Atmosphäre maßgeblich prägt. Zudem gibt es umfangreiche Erläuterungen zum Whiskybrennen und zum Blues. Kriminell spannend bleibt es außerdem, da das Schicksal der vermissten Agenten aufgeklärt werden will. Später kommen noch die angedeuteten Sabotageaktionen ins Spiel, die Hobnob versinken lassen. Doch wer ist dafür verantwortlich und wer wird überleben?
Vor allem aber ist „Das Meer von Mississippi“ ein großartiger „Liebesroman“ frei nach dem Motto: Mag die Welt heute untergehen, so bleibt immer noch Zeit, eine Familie zu gründen.
- Autor: Beth Ann Fennelly, Tom Franklin
- Titel: Das Meer von Mississippi
- Originaltitel: The Tilted World. Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné
- Verlag: Heyne
- Umfang: 384 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: Mai 2021
- ISBN: 978-3-641-25652-4
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Wertung: 12/15 dpt