Peter Hossli – Revolverchuchi (Buch)


Die große Liebe und das liebe Geld

Revolverchuchi
© Zytglogge

Peter Stadelmann ist Handelsvertreter für Maschinen der Landwirtschaft, dreißig Jahre alt, ledig und aufgrund seiner Spielsucht finanziell angeschlagen. Ein günstiges Angebot für ein Auto kommt ihm gerade zupass, denn er hofft, den Wagen mit Gewinn weiterverkaufen zu können. Am 19. Oktober 1957 fährt er mit dem Zug nach Baden, wo das Geschäft abgewickelt werden soll. Es wird sein letzter Tag sein.

Max Märki ist mit Trudi verheiratet und Vater dreier Kinder. Doch die Ehe darf man als gescheitert ansehen, von Scheidung ist die Rede. An Ostern trifft Max die fünf Jahre jüngere Norwegerin Ragnhild Flater in Luzern. Eine zufällige, aber folgenschwere Begegnung, denn die beiden verlieben sich Hals über Kopf. Allein, es fehlt finanziell an allen Ecken, denn Ragnhild ist eine einfache Angestellte in der Gastronomie und Max muss sein Gehalt als Gipser zu einem nicht unerheblichen Teil für den Unterhalt seiner Kinder hergeben. Zudem hat er Schulden nach der Insolvenz seines eigenen Geschäfts, welches er mit seinem Bruder Kurt betrieb.

Herbst 1957. Ragnhild eröffnet Max, dass sie schwanger ist und dieser fürchtet die Kosten für ein viertes Kind sowie eine zweite Heirat. Es hilft nichts, Geld muss dringend her und so verfällt er dem Gedanken, ein Scheininserat für ein Auto aufzugeben. Ragnhild soll den Käufer in ein anderes Auto locken, danach Max als zufällig vorbeikommenden Freund mitnehmen. Unterwegs will Max den Kunden mit einem Wagenheber bewusstlos schlagen, ihm das Geld für das vermeintliche Auto abnehmen und anschließend am Straßenrand rauswerfen, wo er sich nach einigen Minuten wieder erholen wird.

Ein wilder Plan, der völlig aus dem Ruder läuft, Max und Ragnhild schnell überfordert und für Peter Stadelmann tödlich endet, nachdem ihn Max von einer Brücke in die Reuss wirft.

Wahrer Mordfall aus der Schweiz im Oktober 1957

Peter Hossli erzählt in „Revolverchuchi“ den Mordfall Stadelmann, welcher Ende der 1950er Jahre in der Schweiz für Aufsehen sorgte. Der ungewohnte Titel heißt übersetzt „Revolverküche“ und steht für ein Kino, das zu jener Zeit vor allem Westernfilme zeigte, die sich Max und Kurt gelegentlich gönnten. Hier entstand die Idee für den späteren Raub, der sich ungewollt zu einem Raubmord entwickelte.

Sieht man von der leicht ungewöhnlichen Erzählstruktur ab, Hossli springt in den zeitlichen Abläufen mitunter wild hin und her, bietet der kurzweilige Roman die bei True-Crime-Formaten üblichen Ingredienzien. Die Lebenswege der sich liebenden Protagonisten sowie deren familiäres Umfeld werden vorgestellt, der Raubmord und natürlich die spätere Suche nach dem Mörder.

Max und Kurt kommen aus schwierigen Verhältnissen, die Mutter verlässt sie im Kleinkindalter, die spätere Stiefmutter verprügelt die Jungen nahezu täglich. In der Schule kommt man mit, ist aber ständig Außenseiter, da man neben der Schule früh auf dem Feld arbeiten muss. Darunter leidet das Sozialverhalten ebenso wie die Körperhygiene. Max heiratet früh, wird schnell Vater dreier Kinder, obwohl er hierfür zu wenig Geld verdient. Finanzielle Probleme begleiten ihn ständig, spätere Seitensprünge führen zum Ende der Ehe. Zufällig findet er die große, wahre Liebe, aber das Geldproblem will sich einfach nicht auflösen.

Kaum ist der geplante Raub zu einem Mord geworden, plagen Max und Ragnhild Gewissensbisse, denn es ging ja nur ums Geld. Der Traum vom fernen Amerika wurde geträumt, aber ein Mord? Nein, soweit sollte es nie kommen. Man will sich stellen, doch die Polizei tappt lange im Dunkeln. Ein blauer DKW (Dampf-Kraft-Wagen) mit deutschem Nummernschild soll der Mörder gefahren haben. Tatsächlich nutzten beide einen schwarzen Citroën mit Schweizer Kennzeichen. Erste Hinweise gab es schnell, doch sowohl der zuständige Landjäger wie auch die Journalisten arbeiteten lausig. Der Landjäger ging nur halbherzig seiner Arbeit nach, die Presse erdichtete Fakten, wo es keine gab. Den Abschluss bilden der Prozess, die Haft und die letzten Lebensjahre der beiden Protagonisten. Einige Verweise auf das weltpolitische Geschehen, wie etwa der Start des ersten (russischen) Satelliten im All (Sputnik), der den Kalten Krieg hätte womöglich weiter eskalieren lassen können, komplettieren den Einblick in die damalige Zeit.

Wer sich für True-Crime interessiert, darf gern zugreifen und findet einmal mehr die traurige Geschichte von einem jungen Menschen aus einfachsten Verhältnissen, dessen schwerer Kindheit, mangelnder Anerkennung und einer daraus resultierenden späteren Überforderung mit den prekären Lebensumständen.

  • Autor: Peter Hossli
  • Titel: Revolverchuchi
  • Verlag: Zytglogge
  • Umfang: 236 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Januar 2021
  • ISBN: 978-3-7296-5040-4
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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