Neues Geld für neue Träume
Mitte Juni 1948. Die Menschen kaufen alles, sofern es denn noch was zu kaufen gibt. Die Geschäfte sind leer und es hat sich herumgesprochen, dass am 20. Juni das neue Geld, die Deutsche Mark, in Umlauf gebracht wird. Dann kann man mit der Reichsmark die Wände tapezieren, also schnell weg damit. Immerhin gibt es am „Tag X“ ein Kopfgeld von vierzig D-Mark für vierzig Reichsmark. Einen Tag später sind wie durch ein Wunder die zuvor leeren Geschäfte wieder prall gefüllt, das Ende der Schwarzmarktgeschäfte zeichnet sich ab.
Chefredakteur Sachs vom Bochumer Morgenblatt hat ein Problem, denn sein Pressefotograf ist krank. Gleichwohl braucht es eine Aufnahme vom Umtausch für die Titelseite. So bittet er Edith Marheinecke für ihren Kollegen einzuspringen, da diese gerne fotografiert. Schlangen vor dem Hauptpostamt, Gedränge nebst Diskussionen und wenig später ein toter Mann. Konrad Garthner stürzt an der Haltestelle vor eine einfahrende Straßenbahn. Garthner kann Oberinspektor Dietrichs, der sich nahe am Unfallort aufhält, kurz vor seinem Ableben noch mitteilen, dass er gestoßen wurde. Brauchbare Zeugenaussagen gibt es aufgrund des Gedränges nicht.
Garthner half in den letzten Monaten im Miederwarengeschäft seines Bruders Helmut aus, da dieser in einem Internierungslager für Kriegsverbrecher einsaß. Helmut kaufte das Geschäft im September 1936 von der jüdischen Familie Winterstein, da diese aufgrund der Boykottaufrufe ihren Betrieb aufgeben musste. Eine letzte Spur von Ada und Wilhelm Winterstein findet sich im Januar 1942. Mit dem Zug ging es in das Rigaer Ghetto. Ihre Kinder Selma und Max wurden drei Jahre zuvor nach England geschickt und wollen nun von „Onkel Helmut“ wissen, was mit ihren Eltern geschah.
Die Wege von Dietrichs und Edith kreuzen sich einmal mehr und Edith erhält zudem überraschenden Besuch von ihrem Ex-Freund Leo Mantler, der sich wenig diskret für den toten Garthner interessiert.
Dritter Fall für Edith Marheinecke
Nach „Trümmerland“ und „Totenwinter“ folgt nun der dritte Roman mit Edith Marheinecke, die sich als Journalistin in einer Männerwelt behaupten will. Derweil tragen fast alle Menschen ihre kriegsbedingten Päckchen mit sich und versuchen sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Dies gilt auch für den Umgang mit der neuen Währung. Endlich gibt es Waren im Überfluss, ein unfassbarer Kontrast zu den zahllosen Trümmergrundstücken, welche das Stadtbild Bochums prägen. Wie erwähnt gibt es ein Wiedersehen mit Leo Mantler, aber ebenso mit Hella, Marthas Tochter, die man beide aus den Vorgängern kennt. Serienfreunde sollten also in der richtigen Reihenfolge lesen, aber der Krimi funktioniert auch eigenständig bestens.
Kurze Kapitel mit wechselnden Personen im Mittelpunkt sorgen für ein ordentliches Lesetempo, zudem werden nach und nach einige dunkle Geheimnisse für den Leser offengelegt. Es drängen sich einige Tatverdächtige auf, so dass der Mix aus zeithistorischem Hintergrund und spannungsgeladener Unterhaltung gut gelingt. Das Privatleben von Edith wird weitererzählt, in welches der Schauspieler Tristan neuerdings Einzug gehalten hat, was aufgrund von Leo Mantlers Erscheinen ein gewisses Konfliktpotential möglich erscheinen lässt. Das Grauen des Krieges und des Dritten Reichs, der unmittelbare Umgang mit der neuen Situation, in der beispielsweise Selma und Max auf Menschen treffen, die damals wegsahen als die Nazischergen der SA das elterliche Geschäft auseinandernahmen und der Vater für drei Wochen in Dachau landete.
Wer sich für die deutsche Nachkriegszeit interessiert, dem ist die Edith-Marheinecke-Serie von Sabine Hofmann zu empfehlen. Es kann gerne noch die eine oder andere Fortsetzung geben. Das Ende von „Kopfgeld“ legt jedenfalls nahe, dass es schon eine Idee gibt, wie es für Edith weitergeht.
- Autorin: Sabine Hofmann
- Titel: Kopfgeld
- Verlag: atb
- Umfang: 336 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: November 2023
- ISBN: 978-3-7466-4062-4
- Produktseite
Wertung: 12/15 dpt