Seit über dreißig Jahren ist Thomas Pigor nun bereits im kabarettistischen Geschäft, und da steht es außer Frage, dass der gebürtige Alzeyer diese Erfahrung in seine Arbeit einfließen lässt. Am bekanntesten sind natürlich die Werke, die er zusammen mit Benedikt Eichhorn als Pigor & Eichhorn unter dem Banner “Pigor singt, Benedikt Eichhorn muss begleiten” auf Konserve gebannt hat und auch als Bühnenprogramm darbietet.
Bei “Mit Pigor durch das Jahr 2012 – 12 Chansons zm Zeitgeschehen” handelt es sich nach der 2011er Ausgabe um den zweiten satirisch-musikalischen Jahresrückblick, der als eines der Handvoll Releases außerhalb der gängigen Pigor & Eichhorn-Reihe erscheint. Oder besser: Gesammelte Monatsrückblicke, denn die Stücke wurden ursprünglich für den SWR2, den WDR und den Deutschlandfunk als “Chanson des Monats” produziert.
Mit einer beeindruckenden stilistischen Bandbreite – von Jazz über Rap, Elektronik, Jazz, Chanson, Volksmusikpersiflage, Latin, Disco, Tango, Bolero, Charleston bis hin zu Singer/Songwriter, Funk und Pop – nimmt der in den Mittfünfzigern den mütterlichen Katakomben entkrochene Feingeist in herrlich ungestelzter, wortakrobatischer Form die Herdprämie, die Heimlichtuerei um Homosexualität im Sport, Günter Grass-Gedichtskandale, den Weltuntergang, die Abmahnung, die Internet-Trollschaft und andere Angriffsfläche bietende Themen aufs Korn und verpackt sie in kleine Kunstwerke des anspruchsvollen, klanguntermalten Kabaretts.
Erfreulich bei alledem ist, dass sich Sänger und Multiinstrumentalist Pigor, der gemeinsam mit Bläser Stefan Gocht, Bassist Björn Werra, Schlagzeuger Jan Peter Eckelmann, den Saitenkünstlern Jo Ambros, Johannes Feige und natürlich Tastenmann Eichhorn diese schick aufgemachte Digipak-CD erschaffen hat, in einer Nische zwischen Unterhaltung und hohem Anspruch bequem gemacht hat, sodass das Album nicht nur für die Elite der Intellektuellen zugänglich ist, sondern für Jedermann mit etwas Grips und Beobachtungsgabe.
Blättert man sich durch das Booklet, so darf man sich über sämtliche Texte freuen, aber auch über ein durchdachtes Artwork, das auf den ersten Blick noch schlicht erscheint, seine Details allerdings frühestens mit dem zweiten Blick offenbart. Und das ist auch eine Eigenschaft, die sich innerhalb der musikalischen und der lyrischen Kosmen bemerkbar macht – gerade hinsichtlich der verbalen Komponente muss man gelegentlich doch ein zweites Mal hinhören, um die nicht ganz so plakativen Spitzen und Pointen mitzubekommen. Und gerade diese kleinen versteckten Giftpfeile sind es, die richtig schön böse im Fleisch derer brennen dürften, auf die Schütze Pigor mit seiner Ironie-Armbrust abzielt.
Ein alter Hase, der Meister seines Fachs ist, demonstriert hier selbstbewusst aber nie selbstherrlich, dass er zur Oberklasse der gehobenen Unterhaltung gehört – jeder, der es verdient, bekommt sein Fett weg, und das ohne grobe Termini, “Opfer-Sprech” oder sonstige Inkompetenzkaschierung, sondern stets mit Stil.
Cover © ROOF Music/tacheles!
- Interpret: Thomas Pigor
- Titel: Mit Pigor durch das Jahr 2012 – 12 Chansons zum Zeitgeschehen
- Label: ROOF Music
- Erschienen: 11/2012
- Spielzeit: 41:13 Minuten auf 1 CD
- ISBN: 978-3-941168-78-7
- Web: http://www.pigor.de
Tracklist:
- Weltuntergang
- Funkenmariechen
- Fragen an die Cebit
- Grassgedicht
- Der virtuelle Mob
- Schwule im Fußball
- Open-Air-Festivals
- Vorteilsnahme und Inkompetenz
- Berlin Airport
- Abmahnung®
- Herdprämie
- To Do
- Finanztransaktionssteuer (Hidden Track)