Ein Selbstversuch mit rechten Medien
Die Pandemie ist (offiziell) vorbei, die Auswirkungen spürt die Gesellschaft aber noch immer. In diesen paar Jahren hat sich eine bunte Vereinigung von Querdenkern zusammengeschlossen. Während anfangs lediglich besorgte Bürger, Esoteriker und Verschwörungstheoretiker auf dem Marsch waren, gesellten sich auch Rechte und Reichsbürger dazu. Die Bewegung kippte.
In dieser Zeit setzt sich der Redakteur Hans Demmel einem Selbstexperiment aus. Im Zeitraum von sechs Monaten, August 2020 bis Januar 2021, konsumiert er nur rechte oder konservativ-liberale Medien. Das daraus entstandene Werk Anderswelt ist eine Art Tagebuch, indem er die rechten Nachrichten analysiert und ihren Einfluss auf sein Denken festhält.
Friedrich Küppersbusch, ein befreundeter Journalist streut Faktenchecks und Informationen zu genannten Personen oder Organistationen dazwischen. Zwischen den beiden entstehen immer mal wieder Gesprächspassagen und kleine Interviews, in denen Küppersbusch Demmel zu seinen Gefühlen und Erfahrungen befragt.
Denn wie Demmel schreibt, setzt ihm die Negativität und der Menschenhass, denen er täglich ausgesetzt ist zu. Küppersbusch hat die Aufgabe, Demmel wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen und dafür zu sorgen, dass sein Freund nicht ganz im rechten Strudel ertrinkt. Denn genau das passiert schnell.
Demmel resümiert, wie sehr es ihn mitnimmt, jeden Tag von so viel Wut und Hetze umgeben zu sein. „Ab und an habe ich wirklich das tiefe Bedürfnis, jemand vors Schienbein zu treten“. Er passt sich dem rauen Ton, der ihn umgibt an und stumpft zugleich ab.
Der Redakteur macht zudem auf die Gefahren aufmerksam, die in der Anderswelt lauern. Während es durchaus Verschwörungstheorien gibt, auf die viele sicherlich nicht einfach so reinfallen (gerne als spöttisches Beispiel herangezogen sind Echsenmenschen, die sich als Politiker ausgeben). So gibt es doch auch charmante und überzeugende Persönlichkeiten, deren Verschwörungserklärungen doch irgendwie nachvollziehbar klingen.
Von der Aufmache gleichen manche rechten Nachrichtenformate oder Zeitschriften denen des „Mainstreams“. Seriös wirkend und sachlich erläutern sie, dass Donald Trump ein Genie ist und Deutschland eine Diktatur unter feministischem Genderzwang.
Werke wie die von Demmel (und Küppersbusch) zeigen auf, wie wichtig es ist, sich mit rechten Netzwerken und Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen. Zu sehen, wie diese agieren und argumentieren. Denn nur so lassen sie sich erkennen und dagegen ankämpfen und hat die Möglichkeit, die Zweifelnden nicht im rechten Sumpf stecken zu lassen.
An diesem Selbstexperiment erkennt man, wie schnell man in diesen Strudel gerät, sich emotional daran bindet und in Negativität absäuft.
Rechtsextreme Parteien mit gerichtlich anerkannten Faschisten wie die AfD (Alternative für Deutschland) nehmen immer mehr an Fahrt auf und erhalten mittlerweile viel zu viele Stimmen. Falschinformationsschleudern wie die Publikationen und Videos, die Demmel in seinem Selbstversuch analysiert, sind Teil vom rechten Aufstieg.
Und alle lägen gut daran, zu lernen, wie man diese erkennt und was sie mit unserer Gesellschaft tun.
Wer sich für das Thema Verschwörungstheorien, rechte Organisationen und deren politischen Aufmarsch interessiert, wird bei diesen Rezensionen fündig: Die besten Corona-Verschwörungstheorien aller Zeiten und Die letzten Männer des Westens sowie Siegfried
- Autoren: Hans Demmel und Friedrich Küppersbusch
- Titel: Anderswelt. Ein Selbstversuch mit rechten Medien
- Verlag: Kunstmann
- Erschienen: 2021
- Einband: Hardcover
- Seiten: 224
- ISBN: 978-3-95614-458-5
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 13/15 dpt