Tilman Röhrig – Die Ballade vom Fetzer (Buch)


Die Ballade vom Fetzer
© Piper

Schlimmer als der Schinderhannes

Mathias Weber, im Jahr 1778 geboren, hatte es von Geburt an nicht leicht. Die Mutter verstirbt früh und so kommt der Junge im Alter von elf Jahren auf das Gut der Gräfin von Efferen-Neersdonk. Er lernt lesen und schreiben, jagen und schießen und ist keineswegs dumm. Gleichwohl ist er schwierig im Umgang, aufbrausend nicht zuletzt wenn ihn jemand wegen seiner geringen Körpergröße ärgert und so schließt er sich bald einem Söldnerheer gegen die französische Revolutionsarmee an. Im Winter 1795 wechselt er zu einer im Rheinland aktiven Räuberbande und lernt, wie man Schlösser knackt. Schnell wird er selber zum Anführer, wegen seiner oftmals die Opfer körperlich angreifenden Art, wird er bald „Fetzer“ genannt. Er steigt in der Hierarchie von Gleichgesinnten auf, wird „Offizier“ und scheut keinen Einbruch.

Er klaut besser als ‘ne Elster, aber ich war auch dabei, wie er dem Adolph Weyers mit Fäusten und Messer fertiggemacht hat, richtig zerfetzt hat er ihn. Im Kampf ist der kein Mensch, der Weyers ist wie eine halb gestochene Sau abgekrochen. Die Haare haben ihm büschelweise gefehlt, und quer durchs Gesicht hat er so einen Schmiss gehabt. So einen Riss! Deshalb heißt er bei uns Fetzer.

Er klaut besser als ‘ne Elster, aber ich war auch dabei, wie er dem Adolph Weyers mit Fäusten und Messer fertiggemacht hat, richtig zerfetzt hat er ihn. Im Kampf ist der kein Mensch, der Weyers ist wie eine halb gestochene Sau abgekrochen. Die Haare haben ihm büschelweise gefehlt, und quer durchs Gesicht hat er so einen Schmiss gehabt. So einen Riss! Deshalb heißt er bei uns Fetzer.

1793. Die Lage im Rheinland rund um Köln könnte für Räuberbanden kaum besser sein. Die linke Rheinseite gehört zu Frankreich, die rechte Rheinseite bis Düsseldorf ist zwar besetzt, gehört aber zum Herzogtum Berg. So kann man wunderbar nach begangenen Einbrüchen die Rheinseite wechseln, ohne erwischt zu werden. Unzählige Kleinstaaten bilden das Deutsche Reich, während die Franzosen gen Holland marschieren.

Mathias nutzt das Durcheinander geschickt, plant zahlreiche Einbrüche mit wechselnder Mannschaft und ist ständig unterwegs. Viele Gasthäuser und Bordelle arbeiten mit den Dieben zusammen, verdienen sich als Hehler ihren Anteil und natürlich geht es für die Räuber nicht selten in die Freudenhäuser vor Ort.

Die letzte öffentliche Hinrichtung in Köln 

Der bekannteste Räuber seiner Zeit war Johann „Schinderhannes“ Bückler (1779-1803), doch weitaus aktiver war Mathias „der Fetzer“ Weber (1778-1803). Tilman Röhrig hat sich, wie seinem lesenswerten Vorwort zu entnehmen ist, intensiv mit dem weniger bekannten „Fetzer“ ausführlich beschäftigt. Mathias Weber ging in verschiedener Hinsicht in die Geschichte ein, da er zur gleichen Zeit des Schinderhannes ein gefürchteter Räuber war und zudem der Letzte, der auf dem Alter Markt in Köln unter der Guillotine geköpft wurde.

Ich bin der Schinderhannes. Wer bist du?“
„Der Fetzer.“
„Vom Rhein? Ich hab schon viel von dir gehört.

Der mit knapp 260 Seiten schlanke Roman schildert ausführlich, wie Mathias seine Raubzüge plant und durchführt. Man sammelt Mitstreiter, benennt Anführer und schlägt zu. Immer und immer wieder, allein es wäre schön gewesen, wenn man atmosphärisch ein wenig in die damalige Zeit hätte „eintauchen“ können. Stattdessen in Endlosschleife: Kameraden suchen, Ziel auswählen, überfallen und danach untertauchen. Zwischendurch gibt es diverse Bordellbesuche und Saufgelage, anschließend zurück auf Start. Und wird man festgenommen, was öfter vorkommt, kann aber immer wieder ausbrechen.  

In einer Zeit, der sogenannten Franzosenzeit, in der diese unter anderem das Rheinland besetzten, wundert es schon, dass der Roman nahezu ohne französische Personen auskommt. Im Vorwort rühmt sich der Autor (sicher zu Recht) seiner akribischen Recherchen, verweist unter anderem auf die Verhaftung des Schinderhannes am 16. Juni 1802 hin, während es im Roman dann kurioserweise an zwei Stellen der 12. Juni ist. Erst spät wird gegen die Räuberbanden ermittelt, was wohl den politischen Umständen geschuldet ist. Dann aber tritt Anton Keil, der Kölner öffentliche Ankläger, auf. In der Folge wird der „Kölner öffentliche Ankläger“ inflationär oft mit seinem Titel erwähnt. Ähnlich wie bei „Mathias“ hätte es hier der Name „Keil“ auch getan, denn man hat ja bereits bei der ersten Erwähnung verstanden, dass Anton Keil der Kölner öffentliche Ankläger ist. Gegen Ende des Romans ist er nur noch der öffentliche Ankläger, was es nicht besser macht. So trüben leider mehrere Kleinigkeiten den Lesespaß, was auch für die meist sehr kurzen, mitunter abgehackt wirkenden Sätze gilt.

Redaktionelle Anmerkung:

Die Rezension bezieht sich auf die Taschenbuchausgabe von 2013, die unten verlinkte Produktseite zur aktuellen Ausgabe. Die Erstveröffentlichung des Romans erfolgte bereits 1975 unter dem Titel „Mathias Weber, genannt der Fetzer. Wer hängen soll, ersäuft nicht. Insbesondere Köln gewidmet.“

  • Autor: Tilman Röhrig
  • Titel: Die Ballade vom Fetzer
  • Verlag: Piper
  • Umfang: 254 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Dezember 2013
  • ISBN: 978-3-492-50436-2
  • Produktseite


Wertung: 10/15 dpt


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