Jedes Jahr wird aufs Neue, der härteste, brutalste, blutigste Schocker präsentiert. Lässt man den blutigen Underground beiseite, finden sich in diesen Ankündigen Werke wie “The Texas Chainsaw Massacre”, “Cannibal Holocaust”, “”A Serbian Film”, “Hostel”, “Hobo With A Shotgun” oder “Inside”. Peter Jacksons “Braindead” bleibt außen vor, da der komödiantische Aspekt zu offensichtlich ist. Im letzten Jahr wurde “The Sadness” gepusht und jetzt sind mit “Terrifier 2” und “Project Wolf Hunting” zwei ganz unterschiedliche Filme im blutigen Fokus. Bis das nächste Schlachtschwein durchs Dorf getrieben wird.
Und ja, “Project Wolf Hunting” hat es in sich. Ein großes Containerschiff als nahezu einziger Handlungsort, darauf versammelt gemeingefährliche Straftäter, Polizisten (echte wie falsche, beziehungsweise korrupte), die Schiffscrew, Wissenschaftler, ein Supersoldat, zweieinhalb Tonnen Kunstblut (laut Hongsun Kim) und eine ordentliche Prosthetics- sowie CGI-Abteilung. Wobei viele Effekte solide und handgemacht sind. Das reicht für steten Blutfluss, der schon bei heftigeren Kopfnüssen literweise strömen darf. In “Project Wolf Hunting” können Schläge verheerend ausfallen, insbesondere wenn der japanische, genmanipulierte Soldat der Reserve, eine Kreuzung aus dem Ur-Ur-Enkel von Frankenstein(s Monster) und dem ewig zürnenden Hulk, sie austeilt. Dazu gesellen sich Schuss-, Hieb-, Schnitt- und Stichwunden der besonders kruden Art. Kein Wunder, dass der Film hierzulande dreimal die Bewertungsstelle passieren musste, bevor er ungeschnitten eine Freigabe ab 18 bekam.
Zur Verteidigung muss man erwähnen, dass durch die schiere Masse der Verletzungen, Verstümmelungen und Todesfälle gar keine Zeit bleibt, um mit der Kamera allzu lange aufs Gekröse draufzuhalten. Immer passiert irgendwo irgendwas und so ist “Projekt Wolf Hunting” in der Effektabteilung eher kurz und schmerzvoll als ausufernd sadistisch. Ein paar fiese, länger dauernde Obduktions-Close-Ups gibt es wohl, aber insgesamt gilt die Devise: Die blutige Masse macht’s. Realitätsansprüche werden per se nicht gestellt. Der Wolf hat zwar Tollwut, aber er will bloß spielen.
Erzählerische Pausen werden ebenfalls gesetzt, sind aber nicht der Rede wert. Eine längere Rückblende führt bis in den zweiten Weltkrieg, um die Geschichte des künstlich erschaffenen Wunderkämpfers aufzudröseln, die dann schon bei der Ersterweckung mit einem Massaker endet. Was anscheinend nicht so gravierend zu Buche schlug, denn die Experimente wurden fortgeführt. Was in der Handlung selbsterklärend ist, allerdings das mögliche Sequel vorbereitet. Oder das Prequel. Oder beides. Ist alles im Gespräch.
Jetzt haben wir das böse Wort erwähnt, das während der satten zwei Stunden Laufzeit kaum eine Rolle spielt, zumindest gängige Erzähl- und Logikkonventionen außer Acht lässt: Die Handlung.
Nach einem verheerenden Selbstmordattentat auf einen Gefangentransport am Flughafen, mit zahlreichen Opfern unter Polizisten und Zivilbevölkerung, beschließt die südkoreanische Regierung nach entsprechendem Abkommen, Schwerkriminelle von Singapur zurück nach Südkorea per Schiff und streng abgeschottet, überzustellen. So genau scheint das mit der Geheimhaltung aber niemand zu nehmen. Mit der Überprüfung des Wachpersonals ebenfalls nicht. Denn irgendwie gelingt es den Verbrechern Komplizen anzuwerben, die in Uniform den Ausbruchsversuch kräftig befeuern.
Die Revolte verläuft zunächst erfolgreich, denn die Gegenwehr der integren Polizisten ist größtenteils im pseudoaktiven Bereich angesiedelt. So brauchen die Schießbudenfiguren zu Beginn mehr Zeit sich an ihre Waffe zu erinnern und sie zu ziehen, als einen Bausparvertrag abzuschließen. Nicht gut fürs eigene Überleben. Aber nach kurzer Zeit kristallisiert sich ein wehrhaftes Trüppchen heraus, das mehr als bloßes Kanonenfutter ist.
Doch sollte man mit seinen Sym- und Antipathien haushalten, denn auch bezüglich der Personenkonstellation macht “Project Wolf Hunting” keine Gefangenen. In den Massen von Menschen ohne großartige Charakterzuweisungen den Überblick zu behalten, fällt per se schwer. Hat man jemand ins Auge gefasst, löst er oder sie sich kurz darauf bereits in Einzelteile auf. So werden etwa zur Hälfte des Films halbwegs etablierte Protagonisten und Antagonisten kurzerhand ausgetauscht, das Personalkarussell dreht sich rasend schnell, der Betreiber ist ein zynischer Anarchist. Halten wir es mit Russ Meyer: “Faster Pussycat, kill, kill!”
Nicht nur formal lässt Hongsun Kim fünfe gerade sein, auch inhaltlich schlägt er begeistert Volten. Beginnt “Project Wolf Hunting” als finstere Cop- versus Gangster-Schlachthausparade, ganz entfernt verwandt mit “The Raid” (eher “II” als “I”), wird im weiteren Verlauf Mary Shelley exhumiert. Zumindest Mary Shelleys durchgeknallte Phantasieschwester, die ihr literarisches Monster aus einem Feldlazarett geklaut und es mit Drogen vollgepumpt hat. Sorgt für Abwechslung, und wer jetzt “wieso weshalb, warum?” fragt, der hat eine lange Reise vor sich. Auf einem Riesentanker, den niemand auf Zustand und Inhalt überprüft hat, und der garantiert nicht in der Sesamstraße anlegt.
Am Ende geht es nicht um essenzielle Fragen wie “woher kommen wir, wohin gehen wir, welchen Sinn hat das Leben und Sterben?”, sondern lediglich: “Was soll das Remmidemmi”? Wer darauf keine Antwort braucht, der wird mit “Project Wolf Hunting” eine ultrahocherhitzte Blutsuppe kredenzt bekommen. Augen auf und durch. In Anlehnung an Ton, Steine, Scherben: “Macht kaputt, was Euch kaputt macht” – Quatsch, macht alles kaputt!
“Project Wolf Hunting” ist ein wilder Ritt für ein Publikum, das gerne rot sieht.
Cover, Fotos © Capelight
- Titel: Project Wolf Hunting
- Originaltitel: Project Wolf Hunting
- Produktionsland und -jahr: Südkorea, 2022
- Genre: Action,Science Fiction, Action, Horror, Action
- Erschienen: 02.03.2023
- Label: Capelight
- Spielzeit: 122 Minuten
- Darsteller:
Seo In-Guk
Dong-Yoon Jan,
Jung So-Min,
Gwi-hwa Choi
Dong-il Sung,
Park Ho-San
Chang-Seok Ko
Jang Young-Nam
Son Jong-hak
Lee Sung-wook
Moon-Sung Jung
i Yoon Hong - Regie: Hongsun Kim
- Drehbuch: Hongsun Kim
- Kamera: Ju-Hwan Yun
- Schnitt: Min-kyeong Shin
- Musik: Kim Jun-sung
Jo Ran - FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Filmseite
Wertung: 10/15 dp