James Lee Burke – Neonregen (Buch)


Neonregen
© Pendragon

Amerikanische Hardboiled-Kost vom Feinsten

Im Staatsgefängnis Angola, Louisiana, wartet Johnny Massina auf seine Hinrichtung und vertraut unmittelbar zuvor Lieutenant Dave Robicheaux vom NOPD an, dass ein Gangster namens Wesley Potts damit prahlt, Robicheaux werde demnächst aus dem Verkehr gezogen, da er einigen Leuten auf die Füße getreten sei. Schnell merkt Robicheaux, dass es einen Zusammenhang mit dem Tod der neunzehnjährigen Lovelace Deshotels gibt, deren Leichnam er vor zwei Wochen im Bayou Lafourche entdeckt hatte. In dem zuständigen Bezirk Cataouatche winken Sheriff und Leichenbeschauer ab. Die drogenabhängige Prostituierte, noch dazu eine Schwarze, sei ertrunken. Dabei erinnert sich Robicheaux sehr genau, dass die Frau zahlreiche Nadeleinstiche am linken, aber nur einen am rechten Arm hatte, was darauf hindeutet, dass ihr ein goldener Schuss verabreicht wurde.

Wie ich höre, hat man Ihnen die Dienstmarke weggenommen, Lieutenant.“
„Man hört ‘ne Menge Gerüchte in diesen unruhigen Zeiten.“
„Es stand in der Times-Picayune.“
„Das sind bürokratische Spitzfindigkeiten, mit denen Leute wie du und ich uns nicht abzugeben brauchen.

Seine eigenen Ermittlungen jenseits des New Orleans Police Departments bringen Robicheaux schnell in Bedrängnis, denn mächtige Gegner wollen ihn aus dem Spiel nehmen. Da wäre der Drogenhändler Segura, der Waffen an die Contras in Nicaragua liefert. Waffenhändler Murphy, der ebenfalls in Mittelamerika mitmischt, macht Robicheaux massiv Ärger, lässt diesem sogar einen bunten Alkoholcocktail verabreichen, wodurch der zuvor trockene Alkoholiker prompt rückfällig wird. Nach einem tödlichen Zwischenfall, bei dem ein Bundesbeamter des US-Schatzamtes getötet wird, wird Robicheaux ohne Gehaltszahlung suspendiert. Indessen bereitet sein undurchsichtiger Partner Cletus Purcel ebenso Schwierigkeiten wie die Kollegen von Internal Affairs.

Start der vielfach preisgekrönten Dave-Robicheaux-Reihe

1986 erschien „Cajun Blues“ von Daniel Woodrell als Auftakt von dessen „Bayou-Trilogie“, ein Jahr später „Neonregen“ von James Lee Burke, dessen Schriftstellerkarriere zuvor ordentlich ins Stocken geriet. Sein letzter Hardcoverroman erschien – aus heutiger Sicht fast unvorstellbar – 1971, der Wechsel ins Krimigenre erwies sich folglich als Glücksgriff. Nur wenige Autoren erhielten zwei Mal den „Edgar“ (Allen Poe Award), weitere internationale Preise, darunter der Deutsche Krimipreis 1995 und 2015, belegen das hohe Ansehen des Autors. Zudem gibt es nur wenige Krimiserien, die derart viele Folgen haben, denn mit „Verschwinden ist keine Lösung“ erscheint am 16. August 2023 der dreiundzwanzigste Band der Robicheaux-Reihe.

Man hat Sie ganz schön am Wickel, Dave, aber Sie müssen auch die andere Seite verstehen. Innerhalb einer Woche taucht Ihr Name in allem möglichen Papierkram auf. Abgesehen davon wurden zwei Menschen erschossen, und zwar in einem der reichsten Viertel von New Orleans, und ein Agent des Schatzamtes starb, als Ihr Wagen drei Stockwerke tief mitten auf eine belebte Straße stürzte. Das soll Ihnen erst mal einer nachmachen.“
„Glauben Sie meinem offiziellen Bericht?“
„Sie waren immer ein guter Polizist. Es gibt keinen besseren.“
„Glauben Sie mir?

„Der Wahnsinn geht weiter“, möchte man rufen, dabei ist der Protagonist gar nicht allzu sympathisch. Die Reihe ist ein Inbegriff des amerikanischen Thrillers. Wer Hardboiled mag, greift hier zu und macht nichts verkehrt. Robicheaux hat zwar grundsätzlich sein Herz am rechten Fleck und steht auf der Seite „des kleinen Mannes“, denn James Lee Burke verfolgt seitjeher das Ziel, „denen eine Stimme zu geben, die keine haben.“ Robicheaux war im Vietnamkrieg, seitdem ist er traumatisiert, was seine Alkoholsucht erklärt, die nunmehr bereits vier Jahre zurückliegt; wenngleich es – wie erwähnt – zu einem Rückschlag kommen wird. Robicheaux ist zudem leicht reizbar, nimmt das Gesetz gern in die eigene Hand, Vorschriften interessieren wenig, provozierte Selbstjustiz ist allgegenwärtig. Willkommen in Amerika, wo das Grundrecht auf die eigene Feuerwaffe bis heute immer wieder verheerende Folgen hat. Nicht zuletzt durch die Polizei selbst, die insbesondere bei dunkelhäutigen Menschen schnell zur Waffe greift. Kein Wunder also, dass eine ermordete, drogenabhängige Prostituierte, noch dazu eine Schwarze, dem Sheriff keinen Stress bereitet.

Ein Mann braucht schließlich ‘n bisschen Respekt, ‘n bisschen Anerkennung dafür, dass er seinen eigenen Laden, seine eigenen Probleme hat.

New Orleans, das „Bayou Country“ und Louisiana sind der bildgewaltige Hintergrund von „Neonregen“, der, man muss es wiederholen, 1987 erschien. Erst im April 1989 erschien der Abschlussbericht zur sogenannten Iran-Contra-Affäre, die hier ein zentrales Element bildet. Waffenlieferungen der CIA an die Contras in Mittelamerika oder anders gesagt, US-Behörden kooperieren mit Drogenhändlern. James Lee Burke hat mit „Neonregen“ frühzeitig das hochbrisante Thema öffentlich gemacht und ist in die Geschichte der Kriminalliteratur wie nur wenige andere Autoren eingegangen, wobei der Plot um Robicheaux und Purcel bis heute nicht beendet ist. Wie geschrieben, im August geht es weiter.

  • Autor: James Lee Burke
  • Titel: Neonregen
  • Originaltitel: The Neon Rain. Aus dem Amerikanischen von Hans H. Harbort. Mit einem Vorwort von James Lee Burke und einem Nachwort von Alf Mayer.
  • Verlag: Pendragon
  • Umfang: 432 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: April 2016
  • ISBN: 978-3-86532-548-8
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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