Ein Taucher, gefesselt an einem Schiffswrack
Der niederländische Kapitän Sil van Hee ist mit seiner „Freya“ in der Deutschen Bucht auf der Suche nach einem verloren gegangenen Frachtcontainer, als er vor Amrum ein Schiffswrack entdeckt. Schnell ist die Sensation klar, denn es handelt sich um die seit 1950 verschollene „Hanne“, in deren Bauch sich tausend Anodenkupferplatten im Wert von einer Millionen Euro befinden. Verlockend, doch zunächst wird ein Greifer mit einer Kamera in die Tiefe gelassen, wo van Hee eine grausige Entdeckung macht. Am Geländer des Niedergangs zur Brücke ist ein Taucher zu sehen, dessen Hände mit Handschellen gefesselt wurden. Notgedrungen werden die deutschen Kollegen von der Bundespolizei See in Cuxhaven eingeschaltet, die ihren besten Mann schicken, zumal er beide Sprachen spricht: Hauptkommissar Liewe Cupido, in Deutschland geboren, auf der Insel Texel aufgewachsen.
Bei dem Taucher, der nach Ende seines Sauerstoffs erstickte, handelt es sich um Jan Matz, ein Wracktaucher, der auf Föhr lebt, wo er nicht sonderlich beliebt ist. Seine Frau lebt von ihm getrennt in Wilhelmshaven zusammen mit den beiden Söhnen, von denen der ältere, Johnny, kurz davor steht, ins Gefängnis zu wandern. Vor einem Jahr verprügelte er Hauke Mauer so schwer, dass dieser seitdem in einem Rehazentrum liegt. Er wartet auf sein Gerichtsverfahren, welches bislang daran scheiterte, dass ihm Vater Jan ein Alibi gab, wonach er während des Vorfalls in Wilhelmshaven angeblich auf Föhr war.
Zweiter Fall für Liewe Cupido von der Bundespolizei See in Cuxhaven
Nach dem beeindruckenden ersten Teil der Liewe-Cupido-Reihe „Der Holländer“, der überwiegend auf Borkum, im Watt sowie auf dem Festland spielte, geht es nach Amrum, Föhr und Wilhelmshaven. Vor Amrum wird das Schiffswrack gefunden, in das Haus von Matz auf Föhr wurde vor einem halben Jahr eingebrochen und in Wilhelmshaven treibt Johnny sein Unwesen.
„Ich höre schon, Sie haben keinen Sohn, Sie sind nie Vater gewesen.“
„Das stimmt. Aber ich war ein Sohn.
Es geht thematisch um zwei Familien, deren Schicksale aufgrund der Schlägerei miteinander verwoben sind. Väter wie Söhne versuchen sich zu helfen und scheitern letztlich an ihrer eigenen Hilflosigkeit. Doch das Personaltableau wäre zu simpel, hätte sich Autor Mathijs Deen nicht noch einen weiteren Erzählstrang offengehalten. Wie schon beim Vorgänger bleibt der Spannungsbogen überschaubar, dennoch überzeugt erneut die eigenwillige Erzählweise in Kombination mit viel Lakonie. Hatte man im ersten Band noch überraschend wenig Privates über den Protagonisten Liewe Cupido erfahren, so werden im zweiten Band weitere Einzelheiten offenbar. Hatte Cupido zuvor kein erkennbares Privatleben, so ist nun immerhin Vos, holländisch für Fuchs, an seiner Seite. Ein Hund, der ihm einige Wochen zuvor (siehe „Der Holländer“) zugelaufen ist. Spielten bislang Frauen in seinem Leben offenbar gar keine Rolle, so könnte sich dies in einem dritten Band womöglich ändern.
Strotzte „Der Holländer“ noch von einer intensiven Atmosphäre, das Watt, in dem ein Hauptteil der Handlung spielte, war förmlich zu riechen, so ist „Der Taucher“ in dieser Hinsicht etwas verhaltener ausgefallen. Sieht man von der Bundespolizei See in Cuxhaven ab, wurde das gesamte weitere Polizeitableau ausgewechselt. Niederländische Kollegen fehlen völlig, dafür wirken die Kripo in Wilhelmshaven und die Inselpolizei auf Föhr mit.
Erneut kurzweilige Krimikost, in der es um Familie und deren Zusammenhalt oder eben deren Scheitern geht. Es bleibt zu hoffen, dass wir den schrulligen Ermittler in einem dritten Fall begleiten dürfen.
- Autor: Mathijs Deen
- Titel: Der Taucher
- Originaltitel: De Duiker. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
- Verlag: mareverlag
- Umfang: 320 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: Februar 2023
- ISBN: 978-3-86648-701-7
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Wertung: 11/15 dpt