Detective Grace – Staffel 1 (Serie, DVD)


Achtzehn Romane und drei Short Stories umfasst Peter James‘ Serie um Detective Inspector Roy Grace. Der erste Band “Dead Simple” erschien 2005 (dt. “Stirb ewig”, 2007), der aktuellste “Picture You Dead” 2022. Übersetzt wurden die drei jüngsten Bücher bislang nicht. Ein Film, respektive Serie war längere Zeit im Gespräch, zuletzt wurden die Dreharbeiten durch die Corona-Pandemie ausgebremst. Die Bücher mit all ihren Finten, Kniffen und Twists, den feinen Action-Momenten boten sich geradezu für eine Verfilmung an. Kaum verwunderlich, arbeitete Peter James doch vor seiner Karriere als Verfasser von Kriminalriomanen in der Filmbranche. Er war Drehbauchautor, Regisseur, Produzent und trat gelegentlich selbst in kleinen Rollen auf. Diese Involvierung in filmische Abläufe merkt man seinen Romanen an.

Chronologisch passend beginnt “Detective Grace” mit den spielfilmlangen Verfilmungen der ersten beiden Romane der Reihe, die dezent ans aktuelle Zeitgeschehen angepasst wurden. So findet der Geschäftsmann in “Stirb Schön” keine CD-Rom mehr im Zug, sondern einen USB-Stick mit einem verfänglichen Link darauf.

Ansonsten wurden die Inhalte nur moderat verändert, der Ton der Bücher wurde, auch dank der stimmigen, aber nicht dem Text akribisch folgenden, Besetzung gut getroffen. Lakonik trifft auf eine wendungsreiche Dramaturgie, John Simm (“Dr. Who”, “Life On Mars”) gibt als abgeklärter Roy Grace, unter dessen scheinbar ruhiger Oberfläche es mächtig brodelt, wie üblich eine gute Figur ab.

“Stirb ewig” startet wie eine Geschichte aus dem reichen Fundus der urbanen Legenden. Nach einem Junggesellenabschied kommen alle Beteiligten bei einem Unfall ums Leben und der Bräutigam ist verschwunden. Wie sich herausstellt, wurde Michael Neward, der selbst seine Freunde mit üblen Scherzen plagte, in einem Sarg eingeschlossen und vergraben. Immerhin mit einem Luftschlauch zum Atmen versehen, ansonsten aber lediglich ausgerüstet mit einem Walkie-Talkie, das nur auf einer Frequenz läuft, und einer Flasche Whisky. Nach kurzer Zeit sollte er wieder ausgegraben werden und wohlbehalten zur Hochzeitsfeier erscheinen.

Dann passierte der tödliche Unfall. Ausgenommen nur Trauzeuge und Geschäftspartner Mark Warden, der dem Besäufnis wegen einer Reiseverzögerung fernbleiben musste. Angeblich unwissend, welchen makabren Scherz sich seine Freunde für den Bräutigam ausgedacht hatten. Die erschütterte Braut Ashley ist ähnlich ahnungslos. Roy Grace ist zwar skeptisch, findet aber zunächst keine Spuren, die auf Michaels Aufenthaltsort und Marks Beteiligung an seinem Verschwinden hinweisen.

Um es noch dramatischer werden zu lassen, fällt das Walkie-Talkie der Freunde dem behinderten Sohn eines Abschleppunternehmers in die Hände. Der sich selbst in einem amerikanischen TV-Krimi wähnt, weshalb Michael es nahezu unmöglich ist, ihn von der Echtheit seiner ausweglosen Lage zu überzeugen. Die Ereignisse überschlagen sich, als es weitere Tote gibt und DCI Grace dem Gefängnis Michaels näherkommt. Um eine weitere Überraschung zu erleben.

“Stirb ewig” spielt meisterlich mit seinen Fallstricken und falschen Fährten. Während manches sich schnell erschließt, bleiben andere Wendungen bis zum Finale offen. Das Szenario ist zwar recht abstrus, aber James und der Serie gelingen es, die Grenzen der Logik nicht allzu sehr zu strapazieren. Umrahmt wird die Handlung von Roy Graces Bemühen, einen Hinweis auf den Verbleib seiner vor Jahren spurlos verschwundenen Frau Sandy zu finden. Eine Suche, die ihn auch in Kontakt zu einem Medium bringt, das ihn gelegentlich bei diffizilen Ermittlungen unterstützt. Eine Tatsache, die Grace vor Gericht und bei seinen Vorgesetzten in Schwierigkeiten bringt.

Beide Handlungseben werden handwerklich sauber parallel entwickelt, ohne dass das Privatleben des Polizisten eine zu beherrschende Rolle einnimmt. Trotzdem ist dieser Part der schwächere von Buch und Film. Denn wie Roy Grace selbst darauf hinweist, haben an andere Stelle in Vergangenheit und Gegenwart spirituelle Medien an Ermittlungen beratend teilgenommen. Ausschlaggebend ist doch, ob Hinweise gerichtsverwertbar sind und der Realität standhalten. Wenn dem so ist, warum dann Gewese um die geistige Unterstützung machen? Sorgt ein bisschen für Spannung und gibt Sympathiepunkte für den ansonsten verschlossenen Roy Grace. Und bleibt eine Randerscheinung, allerdings eine mit Konsequenzen.

Der verzwickte Plot wird überzeugend ausgebreitet, die Perspektivwechsel sind spannend und stimmig gesetzt, visuell bietet “Stirb ewig” gewohnt düstere itv-Qualität. Bei allem Zeitdruck, Frustration und Michaels klaustrophobischer Angst erzeugt die erste Folge keinen hysterischen Nervenkitzel, sondern bleibt auf angenehm gelassene Weise spannend. Konsequent bis zum Finale, das sich (budgetbedingt?) dem actionlastigen Showdown des Romans verweigert und den Fall lieber mit Finesse und Dezenz zu einem runden Abschluss bringt.

“Stirb schön” bringt den Geschäftsmann Zack Bryce, der bereits von Geldsorgen geplagt wird, in arge Bedrängnis. Er findet während seiner Heimfahrt einen USB-Stick im Pendlerzug und steckt ihn ein. Daheim probiert er ihn aus, landet auf einer privaten Darknet-Website und wird Zeuge eines Mordes vor laufender Kamera. Ein Snuff-Film, der zeigt, wie eine junge Frau brutal umgebracht wird.

Als Bryce ein weiteres Mal auf die Seite zugreifen will, ist sie gesperrt. Doch die Betreiber haben ihn und seine Familie längst im Visier. Sie okkupieren nicht nur sein digitales Leben, schnell wird deutlich, dass Zack und seine Frau selbst zu unfreiwilligen Hauptdarstellern eines tödlichen Spektakels werden könnten.

Derweil suchen DSI Roy Grace und sein Partner DS Glenn Branson den Mörder der Juristin Janie Stretton, die zerstückelt in den Hügeln aufgefunden wurde. Stretton arbeitete neben ihrem Jurastudium als Edelprostituierte. Ein Umstand, der der jungen Frau zum Verhängnis wurde. Es dürfte niemand überraschen, dass es ich bei ihr um die Frau handelt, deren Ermordung Zack Bryce im Stream beobachtet hat.

Nicht so wendungsreich wie “Stirb Ewig” wird auch die zweite Verfilmung zum Wettlauf mit der Zeit. Denn Grace und sein Team müssen die Organisation mit einem Skarabäus als Markenzeichen, unschädlich machen, bevor weitere Menschen der mörderischen Peep-Show zum Opfer fallen. Lange Zeit scheint es, dass die effektiv vernetzten Verbrecher Ihren Verfolger immer einen Schritt voraus sind. Möglicherweise haben sie den hartnäckigen Grace aber unterschätzt.

Das Paranormale spielt in “Stirb schön” eine kleinere Rolle als im Vorgänger, stattdessen wird die Geschichte vom (fast) unschuldigen Mann, der ohne großes Zutun in die Welt des Gewaltverbrechens gezogen wird, recht stringent und dramatisch reizvoll entwickelt. Erreicht zwar nicht die Tiefe Patricia Highsmiths, die ebenfalls gern biedere Männer sehend in den Abgrund schickte, und nicht die formale Brillanz Alfred Hitchcocks, der ähnliche Sujets schätzte, bietet aber sehr ansehnliches Fernsehformat. Wieder ist die kühle Eleganz, die schon den ersten Einsatz auszeichnete, hilfreich und lässt kleine Schwächen in den Hintergrund treten. So spielt die finanzielle Schieflage im Hause Bryce im, Verlauf der Handlung überhaupt keine Rolle mehr. Ein kleines Charakterfüllsel, das aber nicht sonderlich stört.

Der Einstieg in die Welt von Peter James und seinem DSI Roy Grace ist ansprechend gelungen und macht Lust auf eine Weiterführung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt. Erwähnte ich bereits, dass ein Wiedersehen mit dem Master John Simm per se eine Freude ist? Wenn nicht, dann jetzt.

Cover und Bilder: Edel Motion/Glücksstern

  • Titel: Detective Grace, Staffel 1
  • Originaltitel: Grace
  • Produktionsland und -jahr: England, 2021
  • Genre: Krimiserie, Thriller, Buchverfilmung
  • Erschienen: 25.11.2022
  • Label: edel Motion
  • Spielzeit:
    ca. 178 Minuten + 118 Minuten Bonus auf 2 DVD
  • Darsteller: John Simm
    Richie Campbell
    Rakie Ayola
    Brad Morrison
    Laura Elphinstone
    Amaka Okafor
  • Regie: John Alexander
    Julia Ford
  • Drehbuch: Peter James (Creator)
    Russell Lewis
  • Musik: Matthew Slater
  • Kamera: Dale Elena McCready
    Stijn van der Veken
  • Extras: Interviews mit Cast und Crew, Featurettes
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    Bildverhältnis 16:9
    Sprachen/Ton:
    Deutsch, Englisch, Dolby Digital 5.1
    Untertitel:
    D
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite


Wertung: 11/15 dpt

 

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