Seichi Yokomizo – Die rätselhaften Honjin-Morde (Buch)
Locked-Room-Murder-Mystery mit knackiger Auflösung
Die Familie Ichiyanagi betrieb einst einen Honjin, einen Gasthof, was zur Edo-Zeit hochrangigen Adeligen vorbehalten war. Man gehört also zur Oberschicht und so ist die geplante Hochzeit von Familienoberhaupt Kenzo mit der Lehrerin Katsuko ein handfester Skandal. Eine Frau aus einfachen Verhältnissen, doch Kenzo ist fest entschlossen. Im kleinsten Kreis findet die Vermählung statt, aus Katsukos Familie ist allein Onkel Ginzo angereist.
Aber was hat es mit dem geheimnisvollen Fremden auf sich, der sich zwei Tage vor der Vermählung nach dem Anwesen der Ichiyanagis erkundigt? Ein auffallend schäbig aussehender Mann, noch dazu mit entstelltem Gesicht und nur drei Fingern an der rechten Hand. Die Hochzeit nimmt ihren Gang, doch in der gleichen Nacht werden die Gäste durch Schreie geweckt. Zum Entsetzen aller ist das frisch vermählte Paar tot. Ermordet durch Schwertstiche, wobei die blutige Tatwaffe überraschend im Hof gefunden wird. Was allerdings am meisten irritiert: Türen und Fenster in jenem Gebäude, in dem der Doppelmord stattfand, waren von innen verriegelt. Und selbst im Schnee sind nirgends Fußspuren zu finden. Während Kommissar Isokawa vor einem Rätsel steht, schickt Ginzo seiner Frau ein Telegramm, worauf hin sich der legendäre Privatdetektiv Kosuke Kindaichi an den Tatort begibt. Schon bald hat er den spektakulären Fall gelöst. Ein Fall, mit einer aberwitzigen Auflösung.
Krimi-Klassiker aus Japan
Seishi Yokomizo (1902-1981) ist in Japan eine Berühmtheit unter den Krimiautoren. Allein seine Kosuke-Kindaichi-Reihe umfasst 77 Romane, von denen der jetzt im Blumenbar-Verlag erschienene „Die rätselhaften Honjin-Morde“ der erste ist. Der Erzähler der Geschichte ist Yokomizo selbst, der zunächst den Begriff des Locked-Room-Murder-Mystery ausführlich erläutert und erklärt, dass er schon immer mal einen solchen Roman schreiben wollte. Die Honjin-Morde beruhen auf einer wahren Begebenheit, die ihm vor allem von Dr. F. zugetragen wurden und die er nun wiedergibt. Literaturempfehlungen zum klassischen Setting inklusive. „Das Geheimnis des gelben Lichts“ von Gaston Leroux sei besonders zu empfehlen, die Romane von John Dickson Carr sowieso.
„Das ist nicht meine Überzeugung. Ich glaube nicht, dass jemand imstande ist, sein eigenes Herz zu durchbohren, die Waffe anschließend in den Schnee zu werfen und danach die Läden wieder zu verschließen.
Der Erzählstil ist ungewohnt, aber gelungen, denn als Erzähler kann der Autor immer wieder die Handlung unterbrechen und den Leser auf bestimmte Ereignisse aufmerksam machen. Selbstredend nicht, um diesen in die Irre zu führen. Wo käme man dahin? Nun ja. Wie dem auch sei, die Anleihen bei großen Vorbildern wie Sherlock Holmes oder Agatha Christie, deren Roman „Alibi“ ausdrücklich genannt wird, sind unübersehbar und so ist für Fans der Thematik beziehungsweise der vorgenannten Autoren die Lektüre schon beinahe Pflicht. Zumal es ein literarisches Ereignis darstellt, dass dieser Roman mit jahrzehntelanger Verspätung erstmals in deutschsprachiger Übersetzung vorliegt. Man darf gespannt sein, ob die weiteren Werke folgen.
Kindaichi ähnelt, wenig überraschend, seinen bekannten Idolen. Eigenständig folgt er Spuren und lässt seine Mitstreiter wie den Kommissar außen vor. Erst zum Finale vor versammelter Runde, so muss es sein, erfolgt die mehr als überraschende Auflösung. Ja, man sollte ihn nicht unterschätzen, jenen schmuddelig aussehenden jungen Mann, der noch dazu stottert und dessen Frisur einem Vogelnest ähnelt. Gerne mehr davon!
- Autor: Seichi Yokomizo
- Titel: Die rätselhaften Honjin-Morde
- Originaltitel: Honjin Satsujin Jiken. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
- Verlag: Blumenbar
- Umfang: 206 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: September 2022
- ISBN: 978-3-351-05109-9
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Wertung: 12/15 dpt