Wlada Kolosowa – Der Hausmann (Buch)


Wlada Kolosowa – Der Hausmann (Buch)

So bunt und abgedreht wie das echte Leben 

Buchcover: (c) Leykam Verlag

Was Wlada Kolosowas Roman „Der Hausmann“ so empfehlenswert macht, ist nicht die Story um das plötzlich in die soziale Randlage gedrängte Hipster-Pärchen Tim und Thea an sich. Es ist die erfrischend andere Erzählweise, mit der die Autorin ihren Text von Romanen ähnlichen Inhalts absetzt.

Kolosowa inszeniert beklemmende soziale Inhalte mit viel Situationskomik und Sprachwitz. Sie kombiniert herkömmliche Prosa mit der Graphic Novel ihres Co-Autors Raul Soria und mixt lebendige Chat-Dialoge im Echtzeit-Modus hinzu. Sie ergänzt die Haupthandlung durch Tagebucheinträge zweier Nebenfiguren. Das alles greift absolut stimmig ineinander über und transportiert eine zusätzliche Tiefe, die den eigentlichen Plot um gewichtige Themen ergänzt.

Natürlich spielt Kolosowa mit gängigen Klischees, aber nur um diese sozialkritisch ad absurdum zu führen: Tim und Thea sind ein modernes Paar, das die traditionelle Rollenverteilung aufgehoben hat. Tim ist Künstler und macht den Hausmann, Thea arbeitet als Social-Media-Managerin in einem hippen Start-up für veganes Hundefutter. Der Druck im Job gepaart mit der sinnbefreiten Aufgabe laugt Thea völlig aus. Währenddessen wird Tim unbedarft in einen gewalttätigen Drogenkonflikt hineingezogen, der in der multikulturellen Nachbarschaft gärt. Die Erlebniswelten des Paares driften auseinander. Die Entfremdung nimmt ihren Lauf.

Es ist Vergnügen pur, wie Kolosowa gängige Klischees füttert, um sie im Laufe der Handlung humorvoll zu demontieren. Sie idealisiert keine ihrer Figuren und verleiht dadurch allen eine hohe Authentizität. Sie überzeichnet kulturelle und soziale Gegensätze geschickt satirisch, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Im Gegenteil: Sukzessive führt sie ihre Figuren Tim und Thea in die raue Wirklichkeit ein nachdem sie sie aus der trügerischen Neuköllner Wohlstandsblase gestoßen hat. Der vermeintlich soziale Abstieg ist vielmehr ein Ankommen in der Realität.

Die Themenvielfalt des Romans ist so bunt wie das comichafte Buchcover. Auf 316 Seiten geht es um Gentrifizierung, Klimawandel, Kapitalismuskritik, Migrationspolitik, den Ukraine-Krieg, Ausländerfeindlichkeit, soziale Gegensätze u.v.m.
Wem das überfrachtet erscheint, der wird geschickt darauf hingeführt, dass so eben unsere Wirklichkeit aufgebaut ist. Durch ihren Protagonisten Tim, der sich mühsam die Zusammenhänge erschließen muss, spiegelt Kolosowa die Verwirrung, die entsteht, wenn unterschiedliche Erlebniswelten aufeinandertreffen.

Augenzwinkernd begegnet sie potentieller Kritik an ihrer überbordenden Themenfülle, in dem sie ihrem Protagonisten Maxim folgende Worte in den Mund legt:

„Tim hat endlich seinen Katastrophen-Comic zu Ende gezeichnet. Ich glaube noch immer nicht, dass es ein Bestseller wird. Aber es gefiel mir, weil es tief ist! Und wer weiß, vielleicht wird es doch ein Erfolg: Deutsche mit Bildung lieben Klimawandel und tiefe Literatur, besonders wenn sie sich keine Mühe geben müssen und es nur 30 Minuten dauert, es zu lesen.“
Seite 313

Obwohl die Autorin auf das klassische Happyend verzichtet, überwiegt am Ende der Eindruck einer liebenswerten Feel-good-Komödie. Noch ein Grund mehr, diesen absolut gelungenen Roman zu lesen und zu lieben.

  • Autor: Wlada Kolosowa
  • Titel:  Der Hausmann
  • Illustrator: Raúl Soria
  • Verlag:  Leykam Verlag
  • Erschienen:  Juli 2022
  • Einband:  Gebundene Ausgabe
  • Seiten:  320 Seiten
  • ISBN:  978-3701182534


Wertung: 14/15 dpt


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