Frank Zappa soll mal gesagt haben: “Jazz isn’t dead. It just smells funny.“
In diesem Sinne soll diese Klangdepesche der unerschöpflichen Jazz-Musik gewidmet sein.
Tony Allen: “The Source” (2017)
Tony Allen hat einige Prädikate, die so nur wenige für sich beanspruchen können. Brian Eno bezeichnete ihn als “möglicherweise den größten Schlagzeuger, der jemals gelebt hatte” und der Gottvater des Afrobeat, Fela Kuti, soll einmal gesagt haben: “Ohne Tony Allen gäbe es keinen Afrobeat“. Der nigerianische Drummer verstarb in 2020 – doch bis zum letzten Atemzug nahm er in Paris Alben auf – überwiegend Jazz und Jazz-Fusion. “The Source” wurde in 2017 produziert und ist ein Doppelalbum in einem unermüdlichen, mit Afrobeat angereicherten Jazz-Flow. Tony Allen war zu diesem Zeitpunkt bereits 77 Jahre alt, doch sein Spiel ist innovativ und beflügelnd. Die Musik schlängelt sich herausfordernd vor uns, stets eine Spur zu gerissen, um sich einfangen zu lassen. Ein faszinierendes Jazz-Album.
Genre/Subgenre: Jazz, Afrobeat, Jazz-Fusion
Track zum Einstieg: “Cruising”
Idris Ackamoor & The Pyramids: “Shaman!” (2020)
Stimmungsvoller Jazz aus San Francisco, dessen Bindung an Afrika nicht überhört werden kann. Diese Musik ist spirituell und “funky as hell” zugleich. Und der Sound ist ebenfalls eine erhobene Faust: eine unmissverständliche BLACK-PRIDE-Platte, in der sich afrikanische Mythologie und Großstadtfieber begegnen. Das Doppelalbum ist – Seite für Seite – in 4 Akte aufgeteilt und erzählt eine Geschichte. Doch diese müssen die Zuhörer selbst in ihrem Kopf erschaffen, inspiriert durch die teilweise grandiosen und rätselhaften Track-Namen. Oder einfach nur mit dem Groove mitgehen. Album kommt in einem großartigen Cover-Design des Grafiker Tokio Aoyama.
Genre/Subgenre: Jazz-Fusion, Afro-Funk, Latin-Jazz
Track zum Einstieg: “Act IV: 400 Years Of Clotilda: Virgin”
Kamasi Washington: “Heaven And Earth” (2018)
Kamasi als den Leader einer Jazz-Band zu bezeichnen, wäre sichtlich euphemistisch. Der Saxophonist Kamasi Washington ist ein Kultur-Phänomen. Sein breitgefächerter, häufig gelassen pompöser Sound ist ein zentraler Monolith der amerikanischen Jazz-Szene der Gegenwart. Du suchst einen aufregenden Einstieg in genau diese? Das ist es! Deine Reise kann beginnen! Lausche nur dem Ausnahme-Bassisten Miles Mosley. Oder den abgefahrenen Keyboard-Solos von Brandon Coleman. Das Album eröffnet mit einem geradezu atemraubenden Arrangement des Musikstücks “Fist of Fury“, das 1972 von James Wong für den gleichnamigen Bruce-Lee-Film aufgenommen wurde. Kamasi macht daraus eine epochale Hymne für #BlackLifeMatters – mit Worten, die unmissverständlicher nicht sein könnten:
Our time as victims is over
We will no longer ask for justice
Instead we will take our retribution
Und das ist erst der Anfang. In der Vinyl-Version ist “Heaven & Earth” ein 5er-Album, dessen fünfte Scheibe im Inneren des Covers versteckt ist. Rasierklingen sind vonnöten. C’mon Kamasi! What the hell?
Genre/Subgenre: Soul-Jazz, Jazz-Fusion
Track zum Einstieg: “Fist Of Fury” + “Can You Hear Him?”
Ibrahim Maalouf: “Kalthoum” (2016)
Der Trompeter Ibrahim Maalouf versammelte für dieses Projekt ein großartiges Quintett, bestehend aus dem deutschen Pianisten Frank Woeste, Larry Grenadier am Bass, Clarence Penn am Schlagzeug und Mark Turner am Saxophon. Das Doppelalbum “Kalthoum” ist eine Meditation über das ägyptische Musikstück “Alf Leila Wa Leila“, das in 1969 von der legendären Sängerin Oum Kalthoum aufgenommen wurde. Die Platte ist somit auch eine Hommage an die große Dame der ägyptischen Musik. Ibrahim Maalouf und seine Band nehmen das Leitmotiv des Stückes, sie zerlegen und rekonstruieren es in großflächen Arrangments, die mühelos zwischen verträumt und fieberhaft gleiten.
Genre/Subgenre: Jazz, Orient-Jazz
Track zum Einstieg: “Overture II”
Sadao Watanabe: “Echo” (1979)
“Echo” ist eine lose Sammlung aus Tracks, die der japanische Saxophonist und Flötist Sadao Watanabe zwischen den Jahren 1969 und 1974 aufgenommen hatte. Die Musik ist somit ein eklektischer Querschnitt zwischen lässigem Modal-Jazz, Fusion und einer unverkennbaren Prise Soul. Der Sound atmet eine sommerliche Stimmung der Großstadt. Alle Stücke sind in Tokyo entstanden. Da ist eine Sehnsucht und ein Fernweh nach Afrika, typisch für das Japan der frühen 70er Jahre. Doch dieser Jazz besitzt auch eine laszive Art, eben wie eine lichtgetränkte Großstadt, über der sich nach einem heißen Sommertag die Nacht senkt.
Ein Foto von Michael Rougier kommt mir dabei in den Sinn, erschienen 1964 in einem Artikel im “Time & Life“-Magazin über die rebellische Jugend im Japan der 60er Jahre. Der Bild-Untertitel lautete damals: “Kako, languid from sleeping pills she takes, is lost in a world of her own in a jazz shop in Tokyo.“
Genre/Subgenre: Modal-Jazz, Soul-Jazz, Jazz-Fusion, Afro-Funk
Track zum Einstieg: “Mbali Africa” + “Tanzania E”