Markus Grundtner – Die Dringlichkeit der Dinge
Screwball-Kömodie fürs Kopfkino
Juristen und Juristinnen wird ja nachgesagt, sie seien ein eher konservatives Völkchen. So passt es hervorragend, dass Markus Grundtners Debütroman „Die Dringlichkeit der Dinge“, erschienen im keiper Verlag, ganz im nostalgischen Gewand einer klassischen Screwball-Komödie daher kommt.
Der Roman startet rasant mit viel Sprachwitz und Situationskomik, die durch die gegensätzlichen Charaktere der beiden Hauptfiguren ordentlich befeuert wird.
Ich sehe auf das Gewässer, stütze mich auf dem Brückengeläder ab und sage: „Gestern habe ich mich mit einem Katalog ausgefallener Fragen auf mein Vorstellungsgespräch vorbereitet. Eine davon hat gelautet: Wenn Sie ein Gewässer wären, welches wären Sie?“
„Das Meer“, sagt Klaudia ohne Zögern. „Und du?“
„Das wird dir nicht gefallen.“
„Sag schon.“
„Ein Kanal.“
„Erklär mir das bitte.“
„Ein Kanal ist ein künstliches Gewässer. Ein abgesicherter offener Wasserlauf. Ein Bauwerk des Verkehrswesens. Nach vorgegebenen Regeln errichtet, lenkt er einen Fluss, der sonst alles mit sich reißen würde, in eine geordnete Bahn. (…)“
Seite 27
Aus der Zufallsbekanntschaft am offenen Bücherschrank wird eine Liebesbeziehung, die – so hofft und erwartet man schon zu Beginn der Lektüre – zu einem Happy-End führen wird.
Grundtner überlässt Ich-Erzähler Mathias die Erzählperspektive, ein weiterer geschickter Schachzug, um durch das konsequente Verwenden juristischen Vokabulars in quasi allen Lebenssituationen, die romantische Erwartungshaltung der Leserschaft humorvoll zu unterwandern.
„[Ich] brauche auch einen Partner für die Zukunft“[, sagt Klaudia].
„Was meinst du genau?“
„Einen Partner für den Kauf eines erhofften Guts“, sagt sie (…) für einen Glücksvertrag.
„Nun sprichst du meine Sprache“, sage ich. (…) Eine unbefristete Vertragsbeziehung sozusagen, die mit einer Probezeit beginnt. (…) „Wie lange muss ein Paar zusammen sein, bis eine Beziehung verbindlich wird?“, frage ich. „Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem nicht ein Partner einfach gehen kann, ohne ein Wort zu sagen, sondern zumindest den Grund für das Aufstehen und Weggehen ankündigen muss (…)?“
„Das kommt darauf an“, sagt sie.
Meine Traumfrau!, denke ich.“
Seite 108
Grundtners Handlung lebt vor allem durch die zahlreichen sorgfältig inszenierten Dialoge, in denen sich die beiden Liebenden einen ständigen Schlagabtausch liefern.
Trotz der gängigen Klischees, die für eine klare Verteilung der Rollen sorgen, lässt Grundtner seine männliche Hauptfigur eine gewisse Entwicklung durchlaufen. Dabei wirft er einen kritischen Blick ins Juristenmilieu und ihre ausbeuterischen Mechanismen. Mathias muss zuerst eine persönliche Krise durchlaufen, bevor er seinen eigenen Kompromiss entwickelt, der ihn zum Happyend führt.
Der Roman liest sich leicht und unterhaltsam weg. Das durch den Klappentext suggerierte Versprechen, eine humorvolle Liebeskomödie zu liefern, löst der Autor vollständig ein.
Eine klare Lese-Empfehlung für alle, die Freude an schnellen gut komponierten Dialogen haben.
- Autor: Markus Grundtner
- Titel: Die Dringlichkeit der Dinge
- Verlag: edition keiper
- Erschienen: März 2022
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Seiten: 230
- ISBN: 978-3903322554
Wertung: 11/15 dpt