Alfred Bodenheimer – Mord in der Straße des 29. November (Buch)


Alfred Bodenheimer – Mord in der Straße des 29. November (Buch)

Corona, Korruption und Mord

Mord in der Straße des 29. November
© Kampa

Nacht in Jerusalem. Corona, Lockdown, Ausgangssperre. Es sei denn, man hat einen Hund. Beim spätabendlichen Gassi gehen fallen plötzlich vier Schüsse, die Knesset-Abgeordnete Ruchama Wacholder und Ehemann Gil sind sofort tot. Die Polizeipsychologin Kinneret „Kinny“ Glass ist schockiert, waren doch Gil und ihr Ex-Mann Ariel einst Geschäftspartner. Ermittler Nissim Giri, der On-Off-Freund von Kinny, nimmt sich des Falles an, doch sehr schnell reißt der Schabak, der israelische Inlandsgeheimdienst in Tel Aviv, die Ermittlungen an sich. Die Polizei in Jerusalem ist machtlos und schon bald werden zwei Palästinenser verhaftet. Schließlich haben Zeugen gehört, dass der Schütze „Allahu Akbar“ gerufen habe.

Im Moment gibt es halt keine Massenveranstaltungen oder Cafés, wo du gleich ein paar Dutzend Leute treffen kannst, da setzt du beim Terror andere Prioritäten. Gerade wenn alle nur noch von diesem Virus reden, bekommen die Leute von der Hamas vielleicht Angst, dass keiner mehr an sie denkt.

Der Fall scheint gelöst, während Kinny frustriert im Lockdown ausharrt. Tochter Mia, die aufgrund ihrer Corona bedingten WG-Schließung bei Kinny lebt, holt derweil Itztrubal ins Haus, den Yorkshire Terrier der ermordeten Paares. Kinny ist zunächst wenig begeistert, erkennt jedoch den großen Vorteil: Endlich kann sie die Ausgangssperre umgehen. Lange geschieht nichts, doch dann verdichten sich plötzlich die Anzeichen, dass der wahre Mörder ganz woanders zu finden ist.

Gewöhnungsbedürftige Protagonistin

Nach „Der böse Trieb“, in dem Rabbi Klein hauptsächlich in Zürich ermittelt, erscheint nun womöglich ein neuer Serienstart, in der die Polizeipsychologin Kinny Glass die Hauptrolle übernimmt. So viel vorab: Freunde skandinavischer Krimis sollten zugreifen. Selten gab es derart zahlreiche familiäre Probleme wie im vorliegenden Fall und daran ist der seger, hebräisch für Lockdown, nur bedingt Schuld. Bruder Golan lebt in New York und ist ausschließlich auf sich fokussiert, mit seinem Vater Elizur ist er aus religiösen Gründen gar heillos zerstritten. Kinnys Beziehung zu ihren Eltern könnte ebenfalls besser sein, doch vor allem Tochter Mia macht Probleme und dies nicht erst seit der Scheidung ihrer Eltern. Dass Vater Ariel wieder verheiratet ist stellt kein Problem dar, die nicht ganz geklärte Beziehung zwischen Kinny und Nissim hingegen schon. Private Probleme wohin man sieht. Die Psychologin mag ihren Job gut machen, in ihrem eigenen Leben gelingt ihr wenig.

Kinny hat auch ein Problem mit der im ganzen Land grassierenden Korruption, während allen anderen bewusst ist, dass man ohne diese – zumal während der Pandemie – schnell auf der Straße steht. Privatprobleme, Corona, Korruption und sexuelle Belästigungen bei der israelischen Polizei sind einige der Themen, die im Vordergrund der Geschichte stehen, derweil der Krimiplot alsbald in ruhiges Fahrwasser gerät. Klar, der Schabak hat ja die Ermittlungen an sich gerissen. So dauert es lange bis die Polizei wieder eingreifen kann und dann einen vermeintlichen Politskandal aufklärt.

Alfred Bodenheimer verdient sein Geld hauptberuflich als Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Uni Basel. Folglich fließt die jüdische Religion stark in die Handlung ein, festgemacht vor allem an Kinnys Vater, und auch Jerusalem selbst wird umfangreich in Szene gesetzt. Allein der Spannungsbogen lässt deutlich zu wünschen übrig, das Verhältnis zwischen Krimiplot und den anderen Problemen ist hier ein wenig unausgeglichen, wenngleich grundsätzlich aufgrund der Pandemie nachvollziehbar. Dass darüber hinaus Kinny ständig mit allen Menschen in ihrer näheren Umgebung über Kreuz liegt, macht die Protagonistin nicht unbedingt sympathisch. Man darf gespannt sein, ob es eine Fortsetzung geben wird.

Der Name der Straße im Buchtitel bezieht sich übrigens auf die Ereignisse des 29. November 1947. Da beschloss die UN-Vollversammlung das Ende des britischen Mandats über Palästina bzw. den UN-Teilungsplan für Palästina, was de facto zur Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 führte als das Mandat endgültig niedergelegt wurde.

  • Autor: Alfred Bodenheimer
  • Titel: Mord in der Straße des 29. November
  • Verlag: Kampa
  • Umfang: 224 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Februar 2022
  • ISBN: 978-3-311-12559-4
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


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