Oxana Matiychuk – Rose Ausländers Leben im Wort (Graphic Novel)


Buchcover © danube books

Ukrainisches Buchprojekt über das Leben von Rose Ausländer.

Die bewegende Biographie der Dichterin Rose Ausländer (1901-1988) ist jetzt als aufwändig gestaltete Graphic Novel erschienen. Geboren als Rosalie Scherzer in Czernowitz (damalig zu Österreich-Ungarn gehörig, heute Westukraine) führte sie ein von politischen Regimes getriebenes Leben ohne Heimat: Zu Beginn des Ersten Weltkriegs flüchtete die Familie nach Wien, um nach Kriegsende in ein rumänisch sprechendes Czernowitz zurückzukehren. Nach dem überraschenden Tod des Vaters steht die Familie vor dem Ruin und Rosalie wird von ihrer Mutter 1921 nach Amerika geschickt. Sechs Jahre später kehrt sie dank amerikanischer Staatsbürgerschaft zurück. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs wird Nordbukowina von sowjetischen Truppen besetzt und Rose Ausländer wird für einige Wochen inhaftiert: Aufgrund ihrer amerikanischen Staatsbürgerschaft wird ihr Spionage vorgeworfen. 1941 beginnt das Grauen: deutsche und rumänische Truppen besetzen Czernowitz, Rosalie und ihre jüdische Familie werden gezwungen in einem Ghetto zu leben, Menschen werden vor ihren Augen erschossen. Nach Kriegsende zieht Roses Familie nach Rumänien, sie selbst kehrt in die USA zurück, bleibt dort bis 1964 und reist in dieser Zeit viel und gern: Sie zog es vor, aus Koffern zu leben (ihr Leben passte in 12) und die Welt zu sehen. Ihre letzten Jahre verbrachte sie schließlich in Düsseldorf.

Rose Ausländer und das Schreiben

Leben im Wort“ lautet der poetische Titel der Graphic Novel und bereits nach den ersten Seiten wird klar, wie treffend dieser gewählt ist: Beim Durchleben von Krieg, Vertreibung und Tod kann man eigentlich nur zerbrechen, es sei denn man findet einen Rückzugsort, um sich und seine Psyche zu schützen. Für Rose Ausländer war das ihr Leben lang das Schreiben von Gedichten. Sie beginnt damit während des Ersten Weltkriegs, zunächst nur für sich. In der Zeit im amerikanischen Exil beginnt Rose erneut zu schreiben – sie ist verheiratet und trägt nun den Namen ihres Ehemannes: Ausländer. Doch die große Liebe findet Rosalie erst später in dem Graphologen Helios Hecht – sie lässt sich scheiden und lebt nun mit ihm zusammen, bis er etwas unverzeihliches tut: Er veröffentlicht ohne ihr Wissen einige ihrer Gedichte in Zusammenhang mit einer Charakterstudie über sie!

Während des Zweiten Weltkriegs schreibt Rose: „Schreiben war Leben. Überleben.“ Sie flüchtet sich in eine Traumwelt. Nach dem Krieg sieht sie sich nicht mehr in der Lage auf Deutsch zu schreiben, ihre Gedichte verfasst sie auf Englisch. In ihren Texten hält sie die Eindrücke ihrer unzähligen Reisen in Friedenszeiten fest. 1965 zieht sie nach Düsseldorf, ihr zweiter Gedichtband „Blinder Sommer“ erscheint. Mittlerweile hat sie zwar zu deutschen Sprache zurückgefunden – der Reim ging ihr jedoch verloren. In den 60er Jahren hat sie mit ihren Gedichten Erfolg und gewinnt mehrere Preise. Ab 1977 verlässt sie kaum noch ihr Bett und widmet ihre letzten Lebensjahre komplett dem Schreiben, wobei sie aus ihrem reich gefüllten „Gedächtnisarchiv“ schöpft.

Über das Projekt

Der Text des Buches stammt von Dr. Oxana Matiychuk, geboren 1977, ebenfalls im ukrainischen Czernowitz. An der hiesigen Universität ist sie Dozentin am Lehrstuhl für ausländische Literaturgeschichte, Literaturtheorie und slawische Philologie. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Rose Ausländer und veröffentlichte damit die erste Studie über Leben und Werk der Dichterin. Trotz akademischem Hintergrund sind die Texte knapp und verständlich gehalten – stellenweise fast kindlich formuliert. Gerade zu Beginn des Buches erscheinen sie vielmehr als unscheinbare Begleittexte zu den seitenfüllenden Illustrationen in Signalfarben. Im Verlauf des Buches nehmen die Texte glücklicherweise mehr Raum ein – es gibt einfach viel zu viel Beeindruckendes aus Rose Ausländers Biographie zu berichten. 

Leseprobe “Rose Ausländers Leben im Wort”. Text: Oxana Matiychuck // Illustrationen: Olena Staranchuk, Oleg Gryshchenko © danubebooks

Die Illustrationen stammen von Olena Staranchuk und Oleg Gryshchenko, ebenfalls beide aus der Ukraine. Olena arbeitet als Grafikdesignerin und Illustratorin und wurde mehrfach ausgezeichnet im ukrainischen Wettbewerb für Buchkunst. Oleg ist neben seinen grafischen Arbeiten auch Autor und Dozent am Lehrstuhl für Grafik an der Nationalen Akademie für bildende Kunst und Architektur. Die Graphic Novel setzt auf Farben und Kontraste, sehr häufig rot-grün oder rot-schwarz: Signalfarben für Gefahr, was gerade die biographischen Eckdaten rund um die Kriegserlebnisse einprägsam gestaltet. Die Abbildungen zeigen Druckstrukturen und setzen auch Passagen aus Roses Gedichten in Szene. Insgesamt ein kraftvolles Kunstwerk aus Text und Bild, das im Gedächtnis bleibt. Nach der Lektüre möchte man auf jeden Fall gleich zu Gedichten von Rose Ausländer greifen, um zu entdecken, was diese beeindruckende Frau hinterlassen hat …

Sie hat uns viele Verse hinterlassen, die zum Nachdenken anregen und gelesen werden sollten. Ungeachtet aller Katastrophen des 20. Jahrhunderts, zu deren Zeugin sie geworden ist, glaubt Rose Ausländer an den Menschen und seine Einzigartigkeit.S. 54


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