Juhani Karila – Der Fluch des Hechts (Buch)


Juhani Karila – Der Fluch des Hechts (Buch)

© homunculus verlag

Auf Elina lastet ein Fluch. Jedes Jahr im Sommer muss sie in ihr kleines Heimatdorf in Ost-Lappland zurückkehren und einen Hecht fangen. Wenn nicht, geschieht etwas Schlimmes. Etwas, was Elina um jeden Preis verhindern will. Bisher hatte sie damit auch keine Probleme, doch dieses Jahr stellt sich ihr ein gefährlicher Wassergeist in den Weg, den es irgendwie zu besiegen gilt. Und als ob das noch nicht genug wäre, ist ihr auch noch die Polizistin Janatuinen wegen Mordverdachts auf den Fersen. Was hat es mit diesem Fluch auf sich? Und hat Elina wirklich jemanden umgebracht? Die Antworten auf diese Fragen entfalten sich langsam und durch bruchstückhafte Erzählungen, immer gerade so, dass die Neugier der Leser*innen weiter geschürt wird.

Im Gegensatz zur subtilen Entwicklung der Geschichte ist Juhani Karilas Sprache in “Der Fluch des Hechts” direkt und auf den Punkt. Als Leser*in wird man ohne viel Aufhebens in die Geschichte hineingeworfen. 

Lass dir aus dem Schlamm helfen, schmmuooobb. Und dazu noch eine ordentliche Ohrfeige, Klatsch! Willkommen auf der Welt. Schau nicht mich an, sieh dich um! Perfekt.

Schnell wird klar: Wir haben es hier mit einer rauen und magischen Welt zu tun, deren Regeln wir noch nicht kennen. Es gibt Flüche, Wassergeister und viele weitere magische Elemente. Doch so fantastisch das Setting auch ist, umso bodenständiger sind die Charaktere. Vuopio fühlt sich an wie ein echtes, eigensinniges Dorf mit Bewohner*innen, die durch die widrigen Lebensbedingungen in Ost-Lappland abgehärtet sind. Sie kennen sich mit den natürlichen Gegebenheiten genauso aus, wie mit den magischen. Und keins von beiden wird romantisiert oder beschönigt.

Naturbeschreibungen sind nüchtern und ehrlich, können teilweise sogar erschreckend detailliert sein. Die Natur ist nicht dafür da, uns Menschen zu bespaßen: Sie kann grausam sein und das spürt man in diesem Roman. Genauso verhält es sich auch mit magischen Wesen. Sie sind mysteriös und faszinierend, können aber auch ebenso gefährlich und unberechenbar sein. Dennoch ist es keinesfalls so, dass die Menschen ihre Umwelt nicht wertschätzen würden. Das gilt besonders für Elina und Eule, ihren engsten und fast einzigen Vertrauten im Dorf.

Mit Elina haben wir eine eigensinnige und willensstarke Protagonistin, der es schwer fällt, enge Beziehungen einzugehen und die sich nirgends wirklich zugehörig fühlt. Anfangs scheint sie durch und durch stark und stur zu sein, doch mit der Zeit kommt ihre verletzliche Seite immer mehr zum Vorschein und ihre Motive, sowie auch ihr Schmerz, werden sichtbar.

Die Geschichte wird nicht nur aus Elinas Sicht erzählt, sondern auch aus der der Polizistin Janatuinen. Das eröffnet einem die zusätzliche Perspektive einer Person, die völlig fremd in der Umgebung ist und die keinerlei Erfahrung mit magischen Wesen hat. Von einem Kollegen hat sie in Bezug auf den Umgang mit den Dorfbewohner*innen den Rat “Mach bei allem mit. Sag zu allem Ja.” bekommen und an diesen versucht sie sich zu halten. So findet sie sich schnell selbst in absurden, übernatürlichen Situationen wieder, denen sie sich genauso entgeistert wie unerschrocken stellt.

Janatuinen kehrte zum Auto zurück und holte einen weichen Schokoriegel aus dem Handschuhfach. Er war so wie sie aus dem Süden gekommen und hatte seine ursprüngliche Konsistenz verloren – so wie sie.

Trotzdem verliert sie aber nie ihr Ziel aus den Augen: Elina zu finden. 

Das Genre des Buchs könnte man am ehesten dem Magischen Realismus zuordnen. Im Mittelpunkt steht weniger eine reiche, möglichst kreative Fantasy Welt, als die Menschen: Wie sie in alltäglichen Situationen mit magischen Elementen umgehen und was die Probleme, die diese aufwerfen, repräsentieren. So verhält es sich auch mit Elinas Fluch, der seinen Ursprung in einem zutiefst menschlichen Unglück hat.

Die Charaktere in “Der Fluch des Hechts” sind allesamt eigensinnig aber sehr liebenswürdig. Viele sind nicht besonders eloquent und können auch durchaus unbeholfen wirken, was teilweise durch ihre einfache und direkte Art zu sprechen noch unterstrichen wird. Der Autor macht sie dadurch aber keinesfalls zu Witzfiguren. Neben den Eigenheiten existieren genauso ihre Stärken, was sie erfrischend menschlich sein lässt.

“Der Fluch des Hechts” von Juhani Karila ist ein beeindruckend vielschichtiger Debütroman. Ein Buch, das vermeintliche Gegensätze gekonnt nebeneinander existieren lässt. Magie und Realismus sind effektiv miteinander verwoben und erschaffen eine geheimnisvolle, aber zugängliche Welt. Genauso elegant verbindet der Autor Absurdität und Ernsthaftigkeit. Ein so bereicherndes wie kurzweiliges Leseerlebnis, absolut empfehlenswert.


Wertung: 14/15 dpt

  • Autor: Juhani Karila
  • Titel: Der Fluch des Hechts
  • Originaltitel: Pienen hauen pyydystys
  • Originalsprache: Finnisch
  • Übersetzer: Maximilian Murmann
  • Verlag: homunculus verlag
  • Erschienen: 03/2022
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 304
  • ISBN: 978-3-946120-76-6
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten

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