Eher hysterisch-überdreht knallt der Film, ein Spin-Off von “Beim ersten Mal”, sofort mit dem Rammbock gegen die Tür und mit der Tür dann auch gleich ins Haus: Hinter dem Duschvorhang sieht man Familienvater und Musiklabelbesitzer Pete (Paul Rudd) mit seiner Frau, der Boutiquebesitzerin Debbie (Leslie Mann), erst einmal beim ekstatisch-lauten Geschlechtsakt, und in seiner Euphorie gesteht er ihr währenddessen, dass er Viagra genommen habe. Sie springt entsetzt aus der Dusche, weil sie das für wahnsinnige Idiotie hält, und er springt hinterher, beteuert, dass er sie zum vierzigsten Geburtstag überraschen wollte. Ein Alter, welches auch ihm unmittelbar bevorsteht.
In den letzten Jahren hat sich bei dem Ehepaar, welches mit den nicht ganz einfachen Töchtern Sadie und Charlotte (Maude und Iris Apatow) nicht selten zu kämpfen hat, so einiges zum Schlechten entwickelt. Petes Alternative-/Independent-Plattenfirma steht vor dem finanziellen Knock-Out, und auch das Comeback seines Schützlings Graham Parker (genau, der, der früher äußerst erfolgreich mit “Graham Parker & The Rumour” unterwegs war und heute auch noch ist) erweist sich als Flop. In Debbies Laden läuft es auch alles andere als gut. Doch trotz der finanziellen Schwierigkeiten leiht Pete seinem Vater immer und immer wieder Geld, damit dessen Existenz halbwegs gesichert ist.
Auch zwischenmenschlich liegt einiges im Argen: Er kann ihr Verlangen nach einfacher Unterhaltung und eben auch mal das hirnlose Abtanzen in der Disco nicht nachvollziehen, und sie kann dasselbe nicht mit seinem Idealismus und seiner Liebe zu Indie-Rock- und Alternative-Rock-Bands. Im Bett herrscht zudem Funkstille, bei Pete lassen die Manieren zu wünschen übrig, und er nimmt Debbie nicht mehr als Frau wahr und ist mit dem Kopf überall – nur nicht zu Hause.
Und die Kids? Machen, was sie wollen. Tochter Sadie ist seriensüchtig und kann ohne Internet, Fernsehen, Tablet-PC und Smartphone nicht leben, und die kleine Schwester Charlotte ist ebenfalls kaum unter Kontrolle zu bringen. Ein friedliches Miteinander der beiden scheint unmöglich, denn sobald sich die Mädchen auf der Pelle hocken, ist Zickenkrieg vorprogrammiert. In all dem Stress kann es durchaus auch vorkommen, dass die nervlich aufgelösten Eltern sich mit anderen Schülern und deren cholerischen Müttern anlegen…
Debbie weiß nicht weiter und spricht mit ihren besten Freunden Barb und Jason. Denn eins ist klar: Die Familie muss wieder eine Familie werden. Fortan muss sich einiges ändern. Pete soll seine eigenen Finanzen in Ordnung bringen und seinem Vater klar machen, dass er selbst notorisch blank ist, Debbie möchte ihren ihr fremden Vater besser kennen lernen, und auch körperlich soll es einige Umbrüche geben: Sie entscheidet, mehr Sport zu treiben, und hinsichtlich der Ernährung stehen ab sofort nur noch gesunde Lebensmittel auf dem Speiseplan. Internet und Fernsehen dürfen fortan nur noch zu knallhart festgelegten Zeiten genutzt werden. Dass all diese Änderungen bei den Mädchen und bei Pete nicht allzu gut ankommen, ist zu erwarten. Doch fruchten die Versuche der Umkrempelei – oder wird dadurch alles nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist? Und dann sind da ja noch die unerwarteten Ereignisse, mit denen niemand gerechnet hätte…
Drehbuchautor und Regisseur Judd Apatow, gemeinsam mit Barry Mendel und Clayton Townsend auch Produzent, hat mit diesem Streifen erneut einen guten Cocktail aus Comedy und Emotionalität erschaffen, und gerade bezüglich des komödiantischen Anteils ist es schlichtweg eine Frage des Geschmacks, ob man über die Gags nun eher den Kopf schütteln oder lachen soll – selbst der diese Zeilen verfassende Schreibknecht ist sich während des Genusses dieses über zweistündigen Films nie so ganz sicher gewesen, ob er sich vor Scham unter der Sofadecke verstecken oder doch lieber den Roséwein durch die Nase prusten sollte. Dennoch: Diese zweigleisige Herangehensweise an die Themen Beziehung, Älterwerden, Midlife-Crisis, Ich- und Wirsein ist trotz mancher Over-The-Top-Momente erfrischend anders, da trotz zahlreicher Späße und Peinlichkeiten der eigentliche Inhalt nicht leiden muss – immer bleibt im Hinterkopf noch ein wenig Nachdenklichkeit bestehen, sodass man sich wiederholt denkt: »Okay, lustig ist’s ja schon, aber eigentlich geht’s den beiden ja nicht gerade blendend – wie kommen die denn da wieder raus?«
Aufgrund des überwiegend hohen Tempos fällt einem als Zuschauer kaum auf, dass “Immer Ärger mit 40” mit über 120 Minuten zu den eher überlangen Produktionen zählt, doch nicht nur die Geschwindigkeit sorgt dafür, dass keine Langeweile aufkommt, sondern auch der Abwechslungsreichtum, denn es werden sämtliche Lebensbaustellen gleichberechtigt berücksichtigt. Ebenso bleibt kaum eine Figur eindimensional gezeichnet. Vielschichtigkeit heißt hier das Zauberwort, wenngleich hier und dort die Geschlechterrollen leider ein wenig zu “klassisch” dargestellt werden und der Streifen gelegentlich zu klischeehaft amerikanisch ist. Das geht durchaus ein wenig auf die ansonsten reichlich vorhandene Realitätsnähe.
Ein wenig störend ist auch, dass Judd Apatow im Film sehr viel Familienwirtschaft betreibt – so spielen seine beiden Töchter Maude und Iris ebenso im Film mit wie seine Ehefrau Leslie Mann – fast könnte man meinen, anders wäre der Dreh zu teuer geworden – oder aber hätte man einen solch langen Rattenschwanz an Gastauftritten vorweisen können, die letztendlich gar nicht nötig gewesen wären.
Doch diverse andere Dinge in “Immer Ärger mit 40” sorgen dann immer wieder für Pluspunkte, wobei die Leistung des gesamten Casts ganz oben steht. Auch die Musikeinbindung ist absolut vorzüglich gelungen – an keiner Stelle wirkt irgend ein Ton deplatziert. Was dem ein oder anderen Verfechter des gepflegten Umgangs womöglich noch sauer aufstoßen könnte, wäre das teilweise recht derbe Vokabular, doch wenn wir mal ehrlich sind: Was sagen wir denn, wenn uns die Toastscheibe mit der Marmeladenseite auf den Boden klatscht? Oder überlegt man wirklich erst, wie man es am besten gewählt ausdrückt, Sex haben zu wollen, wenn man spitz wie Nachbars Lumpi ist – oder kommt einem da nicht auch im Nebel der Hormone das böse F-Wort oder Ähnliches über die Lippen?
Dieser Film ist schlichtweg frech, schonungslos, chaotisch und kriegt in den entscheidenden Momenten immer wieder die Kurve. Und das ist letztendlich das, was gute Unterhaltung ausmacht.
Cover und Packshots © Panorama Entertainment/Universal Pictures
- Titel: Immer Ärger mit 40
- Originaltitel: This Is 40
- Produktionsland und -jahr: USA, 2012
- Genre:
Komödie, Drama
- Erschienen: 18.07.2013
- Label: Panorama Entertainment/Universal
- Spielzeit:
128 Minuten auf 1 DVD
134 Minuten auf 1 Blu-Ray
- Darsteller:
Paul Rudd
Leslie Mann
Maude Apatow
Iris Apatow
Jason Segel
Charlyne Yi
Tim Bagley
Melissa McCarthy
Megan Fox
Albert Brooks
John Lithgow
Ryan Lee
Lena Dunham
Chris O’Dowd
Robert Smigel
Annie Mumolo
Joanne Baron
Billie Joe Armstrong
Graham Parker
Tom Freund
Bob Andrews
Brinsley Schwarz
Martin Belmont
Andrew Bodnar
Stephen Goulding - Regie, Drehbuch: Judd Apatow
- Produktion:
Judd Apatow
Barry Mendel
Clayton Townsend - Extras (nur Blu-Ray)
Gag Reel
Line-O-Rama
Brooks-O-Rama
Radfahren mit Barry
Triumph The Insult Comic Dog
Der Körper ist von Jason – Commercial
Dokumentation
Musik
Unveröffentlichte Szenen
Erweiterte und alternative Szenen
Kids laufen frei herum 3
Audiokomentar mit Autor und Regisseur Judd Apatow
- Technische Details (DVD)
Video: 2.40:1 anamorph Widescreen
Audio: D, GB, RUS, TR (5.1 DD)
Untertitel: D, GB, BG, GR, RO, RUS, TR
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.40:1 Widescreen
Audio: D, GB, F, I, E
Untertitel: D, GB, F, I, E, HIND, DK, NL, FIN, IS, N, P, S, ARAB
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Filminfos und Erwerbsmöglichkeit
Wertung: 11/15 dpt