Simone Buchholz – River Clyde
Der letzte Fall für Chastity Riley?
Simone Buchholz hat mit ihren Chastity-Riley-Romanen bereits zahlreiche Buchpreise gewonnen, darunter der Deutsche Krimipreis, um den bekanntesten zu nennen. Doch die Ereignisse aus „Hotel Cartagena“ haben ihre Spuren bei allen Beteiligten hinterlassen. Sie sind völlig durch den Wind und alles andere als dienstfähig. Allein Ivo Stepanovic ist seit einer Woche wieder im Dienst und wird mit einem brutalen Fall in der Hamburger Immobilienszene konfrontiert. Fünf Immobilienmakler machen mit reichlich Brandbeschleuniger gleich zwei komplette Straßenzüge dem Erdboden gleich, rund zwei Dutzend Menschen sterben. Die fünf Täter beobachten das Geschehen aus der Nähe, dann ziehen plötzlich zwei von ihnen schallgedämpfte Pistolen. Da waren es nur noch zwei Makler. Stepanovic reaktiviert seinen eigentlich noch vom Dienst befreiten Kollegen Vito Calabretta, jedoch sehen polizeiliche Ermittlungen üblicherweise ganz anders aus.
Während in Hamburg nichts weiter geschieht, fliegt Chastity Riley nach Glasgow. Ein Brief des Anwaltes Alistair McBurney enthielt die für sie völlig überraschende Mitteilung, dass sie von ihrer Tante Eliza Broome ein Haus in Schottland geerbt hat. Aber will sie dieses Erbe wirklich annehmen, ihre Wurzeln und Freunde, sprich Kollegen, in Hamburg verlassen und nicht mehr als Staatsanwältin arbeiten? In Glasgow erlebt sie einige Überraschungen, zum Beispiel auf einem Friedhof namens „Necropolis“, Totenstadt, wo sie auf einem kapitalen Hirsch gleichen Namens trifft. Es kommt zum Zwiegespräch mit dem Tier und womöglich ergibt sich daraus das Folgende. In einer Bar lernt Chastity Riley dann Tom Gomoszynski kennen, den letzten Freund ihrer Tante Eliza. Gemeinsam mit ihm sucht sie das Haus ihrer Tante auf und siehe da, auch die alten Mauern sprechen zu ihr. Durch den Geist Elizas lernt Chastity Riley schließlich ihre eigene, tragische Familiengeschichte kennen.
Sprachlich brillant, ein Krimi eher weniger
Es ist von großem Vorteil, ein Fan von Simone Buchholz und ihrer Chastity-Riley-Reihe zu sein, denn nur, wenn man die Vorgänger oder zumindest einige von ihnen kennt, versteht man die Dialoge und „Handlungen“ der Nebenfiguren. Kenntnisse von „Hotel Cartagena“ sind unbedingt zu empfehlen, denn die damaligen Ereignisse führten dazu, dass die alte Ermittlerriege um den verstorbenen Chef Faller nicht mehr arbeitsfähig ist, sondern in einer äußerst bizarr anmutenden Selbsthilfegruppe versucht, ihr Leben wieder – nun ja – in den Griff zu bekommen. Gleiches gilt für die Protagonistin, die ihren ganz eigenen Heilungsprozess erlebt. Dieser führt nicht nur zu Gesprächen mit Tieren, Häusern und Geistern, sondern gelingt vor allem durch einen rekordverdächtigen Genuss von Bier und Whisky.
Fairerweise muss man darauf hinweisen, dass die Bezeichnung „Kriminalroman“ etwas irreführend scheint. Die eingangs erwähnte Gewaltorgie passiert, die Täter sind bekannt und werden beschattet; wenn auch nicht von Stepanovic und Calabretta, die lieber Fortnite zocken oder Alkohol trinken. Soweit zum minimalistischen Krimiplot, denn jene Abschnitte des Romans, in denen die Protagonistin im Vordergrund steht, enthalten gar keine „kriminelle“ Handlung mehr und da sich Stepanovic in Hamburg seiner Arbeit verweigert, gibt es auch nichts, worüber der Polizist und die Staatsanwältin sich dienstlich austauschen könnten.
Wer ungewöhnliche, surreale Plots mag und vor allem auf großartige, witzig-scharfkantige Dialoge steht, der sollte einen Blick riskieren. Denn wer weiß, ob es ein weiteres Wiedersehen mit Chastity Riley geben wird?
- Autor: Simone Buchholz
- Titel: River Clyde
- Verlag: Suhrkamp
- Umfang: 230 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: März 2021
- ISBN: 978-3-518-47129-6
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 10/15 dpt