Lothar Englert – Radbods Schwert (Buch)


Friesen gegen Franken, Barbaren gegen Christen

Ein kleines, aber wichtiges Detail vorneweg. Auf dem Buchrücken steht: “In der Radbod-Reihe…” Ein recht dürftiger Hinweis darauf, dass es sich bei “Radbods Schwert” und das “erste Buch” dieser Reihe handelt, so dass der Roman ein “offenes Ende” hat. Wie viele Bände wohl noch folgen werden? Ein Hinweis wäre nett gewesen. Dessen ungeachtet ist “Radbods Schwert” ein durchweg empfehlenswerter Roman, welcher im 7. Jahrhundert spielt und den titelgebenden König der Friesen als Protagonisten aufbietet, über den allerdings nur wenig bekannt ist. Zu Beginn befindet sich Radbod bereits am Ende seines ereignisreichen Lebens und hat, mit gnädigem Wohlwollen der verhassten Franken, seinen Alterssitz auf Foseteland (Helgoland) gefunden. Hier erzählt er seinem Enkel Radbod seine wahre Geschichte…

Gerüchte streifen durchs Land, angeblich stehen die Franken vor der Tür. Sie wollen den neuen, den wahren Glauben verbreiten, doch nach Ansicht Radbods wollen sie nur das Land erobern und die Friesen versklaven. Was es mit dem Glauben der Christen auf sich hat, kann der Friesenkönig bei seiner Ehefrau Hildrud erleben, die mit Missionaren in Kontakt geriet und deren Botschaft durchaus zugeneigt ist. Radbod hat für derlei Unfug keine Zeit, gilt es doch die Heimat zu verteidigen. Ein großes Problem, denn das fränkische Heer besteht aus Kriegern, die Friesen sind überwiegend Bauern. Die Felder wollen rechtzeitig bestellt und geerntet werden, lange Kriegszüge wirken da verheerend. Verbündete müssen her, also einigt man sich notgedrungen mit dem Sachsenkönig Widukind, den dessen Volk droht ebenfalls Ungemach durch die Franken. Radbod will sich weiter absichern und sucht Kontakt zu den Dänen. Ein erster Versuch schlug fehl, aber beim zweiten Anlauf klappt es, wenngleich Radbod hier zu einer List greifen muss. Er heiratet Sulla, die Tochter des Dänenkönigs Offa Silbernase, und erhält so einen Kontrakt, wonach man sich für zehn Sommer gegenseitig Beistand gegen die Franken verspricht. Die Allianz gegen die Franken scheint geschmiedet, derweil droht zuhause erneut Ungemach, denn Hildrud ist wenig begeistert von ihrer Konkurrentin.

“Gestern haben wir eine Frau und ihr Kind verbrannt.”
“Was war ihnen noch vorgeworfen?”
“Wetterzauberei. Herbeirufung von Sturm und Hagelschlag”
“Richtig. Ich dulde derlei nicht. Meine Bauern müssen ernten, damit sie Steuern bezahlen können.”

Ein Jahr später. Offa Silbernase ist tot, wurde offenbar von seinen eigenen Leuten im Auftrag seines Sohnes, Sven Samtauge, ermordet und mit ihm gleich der ganze Führungsstab. Wenig später stehen die Dänen an der Elbe und errichten dort eine Garnison für tausend Mann. Die Franken im Norden, die Dänen im Süden, so hatte sich Radbod das nicht vorgestellt. Doch es kommt anders, denn Samtauge steht zu dem geschlossenen Bündnis, wenngleich widerwillig, da er und Widukind einander in tiefer Abneigung verbunden sind. Was folgt sind eine Reihe von Kämpfen in denen es hin und her geht, wobei sich häufig zeigt, dass die so übermächtig erscheinenden Franken noch nicht zu ihrer wahren Stärke gefunden haben. Noch siegt die Allianz aus Friesen, Sachsen und Dänen, während sich die christlichen Missionare immer weiter und weiter ausbreiten.

Wer vergleichbare Romane beispielsweise über die Schlachten römischer Legionen mit allem drum und dran mag, der darf hier zugreifen. Lothar Englert, der bereits mit seiner Ostfriesland-Saga (“Friesische Freiheit, Macht – Herrlichkeit”) für Aufsehen sorgte, siedelt seinen neuen Serienauftakt im 7. Jahrhundert an. Radbod (679-719) ist sein Protagonist, der sich oftmals zögerlich zeigt, mitunter wie ein Getriebener wirkt. Daran mag sein engster Berater Arnulf nicht ganz unschuldig sein, denn der Feldhauptmann sieht gerne schwarz.

Was “Radbods Schwert” auszeichnet ist vor allem, dass der Mix aus Kämpfen, politischen Intrigen und dem Leben in der damaligen Zeit sehr anschaulich vermittelt wird. Man fühlt sich in die Zeit hineinversetzt und bekommt eine gute Vorstellung über die damaligen Verhältnisse. Viele der zahlreichen Nebenfiguren werden ansprechend dargestellt, nicht nur als eindimensionale Krieger oder Bauern in tristem schwarz-weiß gezeichnet. An den taktischen und strategischen Überlegungen der Könige auf allen Seiten darf man teilhaben, wobei sich manche Entscheidungen als falsch oder zumindest voreilig herausstellen. Das tägliche Leben sowohl in Dorestad, dem Sitz des Friesenkönigs, wie auch auf den ausschweifenden Kriegszügen wird detailliert beschrieben. Insgesamt bietet “Radbods Schwert” somit eine gute Gelegenheit in eine Zeit einzutauchen, die bis heute nur wenig erforscht ist.

“Und was die Franken betrifft, Freunde, so sorgt euch nicht. Sie werden uns als Feinde erhalten bleiben.”

Zwei kleine, eher unerhebliche Schwächen sollen nicht unerwähnt bleiben. Die Darstellung der Schlachten wird recht oberflächlich wiedergegeben, als wolle der Autor seinen Lesern zu blutige Details ersparen. Einige sprachliche Unebenheiten, vor allem mehrere unnötige inhaltliche Wiederholungen, die teils sogar wortgleich sind, fallen unangenehm auf. Dass beispielsweise Radbod es nicht mag, dass in seiner Nähe ausgespuckt wird, liest man mehrfach, wobei man es gleich beim ersten Mal verstanden hat; trivial ist es außerdem. Dies ist allerdings das berühmte “Jammern auf hohem Niveau” und schadet dem insgesamt sehr positiven Eindruck keineswegs.

Cover © Gmeiner

  • Autor: Lothar Englert
  • Titel: Radbods Schwert
  • Verlag: Gmeiner
  • Erschienen: 05/2020
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 407 Seiten
  • ISBN: 978-3-8392-2558-5
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 Schwerter


3 Kommentare
  1. Ich bin total begeistert von den Büchern von Herrn Lothar Englert. Ich bin in Ostfriesland geboren und interessiere mich für die Geschichte der Friesen. Die Bücher sind so spannend, dass man sie nicht mehr aus der Hand legen möchte. Ich warte schon ungeduldig auf “Radbods Zorn “.

  2. Lieber Herr Kijanski!
    Vielen Dank für Ihre wohlwollende Rezension zu “Radbods Schwert”. Ich habe sie mit Interesse gelesen und fand sie sehr lehrreich. Sie hat mir wieder vor Augen geführt, dass es nicht möglich ist, die geschmacklichen Erwartungen der Leserschaft (und dazu darf ich Sie wohl auch zählen) in allen Hinsichten zu erfüllen. Sie ist aber zugleich Ansporn, eben dieses immer wieder zu versuchen. Dazu haben Sie mit Ihrer Bewertung einen wichtigen Beitrag geleistet.
    Nochmals besten Dank und alles Gute,
    Ihr Lothar Englert

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