Story:
Das Leben der fünf Dunbar Brüder ist kein leichtes. Ihre Mutter stirbt über mehrere Jahre hinweg an Krebs, ihr Vater lässt sie von einem Tag auf den anderen im Stich. Fortan obliegt es Matthew für seine Brüder zu sorgen und später auch für den kleinen Familienzoo, bestehen aus Katze, Hund, Goldfisch, Taube und Maultier. Als Jahre später plötzlich ihr Vater vor der Tür steht und darum bittet, ihm beim Bau einer Brücke zu helfen, ist es der mittlere Bruder Clay, der bereit ist den Mann zu unterstützen, der sie einst im Stich gelassen hat. Für die übrigen Brüder ist Clays Verhalten nicht nachvollziehbar, doch im Laufe der Zeit kristallisiert sich heraus, dass Clay einem unsichtbaren Ziel folgt und ganz persönliche Gründe hat – die er erst nach und nach enthüllt.
Eigene Meinung:
Mit dem epischen Familiendrama „Nichts weniger als ein Wunder“ legt Markus Zusak, Autor des Weltbestsellers „Die Bücherdiebin“ sein lang ersehntes neues Werk vor. Über 13 Jahre ließ der Autor seine Leser*innen auf seinen neuen Roman warten, bevor er mit „Bridge of Clay“ sein neustes Werk präsentiert. An „Die Bücherdiebin“ kommt sein neustes Werk nicht heran, doch es ist durch und durch ein Markus Zusak – bildgewaltig, sprachlich einzigartig und episch.
Die Geschichte der Dunbar Brüder wird nicht kontinuierlich erzählt, was den Einstieg ein wenig erschwert, insbesondere wenn man chronologisch erzählte Geschichte gewöhnt ist. Doch mit der Zeit findet man sich zurecht und kommt mit den Sprüngen innerhalb der Geschichte klar – auch damit, dass Matthew als Erzähler Clays Geschichte erzählt. Markus Zusak wendet viel Zeit dafür auf, die Figuren einzuführen und sie den Leser*innen mit verschiedenen Anekdoten und Beschreibungen näher zu bringen. Zudem wird die Geschichte der Familie Dunbar sehr ausführlich erzählt, was auch die Mutter der Brüder und ihre Herkunft anbelangt, ebenso die Vergangenheit ihres Vaters. Nach und nach enthüllt er die Geheimnisse der Dunbars, die kleinen Besonderheiten und das teil raue Leben. Parallel zu den Erklärungen der Hintergründe entspinnt er die eigentliche Geschichte um Clay, der seinen Vater beim Bau einer Brücke unterstützt, um während der Regenzeit nicht durch einen Fluss von der nahen Stadt Silver abgeschnitten zu sein.
Als Leser muss man ein wenig Geduld und Ausdauer mitbringen, denn die Geschichte schreitet nicht schnell voran, stattdessen muss man sich mit einem großen Familienpuzzle auseinandersetzen, dessen entscheidende Teile er am Ende offenbart werden – wie man es von Markus Zusak gewohnt ist, hebt er sich den großen Knalleffekt für den Schluss auf. Erst dann wird die ganze Tragik der Familie offensichtlich, alle Handlungsstränge und Andeutungen ergeben plötzlich Sinn.
Die Figuren sind sehr realistisch und authentisch in Szene gesetzt – die Dunbar Brüder wirken sehr rau, mitunter aggressiv und grob. Nichtsdestotrotz stehen sie füreinander ein, wenn es darauf ankommt und würden sich nie im Stich lassen. Clay, der mit Abstand der Stillste und Introvertierteste ist, ist auch mit Abstand der Zäheste und Sturste. Erst zum Ende hin wird klar, wie viele Dinge er auf seinen Schultern trägt und dass er für die, die er liebt, alles tun würde. Auch die Eltern der Brüder werden sehr ausführlich beleuchtet, so dass man sich sehr gut in sie hineinversetzen kann.
Sämtliche Figuren sind sehr gut in Szene gesetzt, handeln logisch und wirken lebendig. Markus Zusak hat ein Händchen für glaubwürdige Charaktere – das stellt er auch in „Nicht weniger als ein Wunder“ unter Beweis.
Stilistisch gibt es nichts zu bemängeln – Markus Zusak hat einen außergewöhnlichen, sehr poetischen Stil, der zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist, da er sich an keine gängigen Konventionen hält. Er baut neuen Satzkonstruktionen, ohne sich um die üblichen Regeln zu scheren, verbindet Wörter zu etwas Neuem und erschafft gänzlich neue Bilder im Kopf des Lesers. Er ist gleichzeitig ausschweifend, hoch emotional und bildhaft, dann wieder knapp und reduzierend. Wie schon bei seinem Bestseller „Die Bücherdiebin“ erschafft er eine neue Sprache, um die Geschichte der Dunbars zu erzählen – mal roh und direkt, dann wieder berührend und packend. Der einzigartige Stil hebt „Nichts weniger als ein Wunder“ aus der breiten Masse heraus und sorgt dafür, dass den Leser*innen die Geschichte noch lange im Gedächtnis bleibt.
Fazit:
„Nichts weniger als ein Wunder“ ist ein sprachliches Meisterwerk, das durch eine faszinierende Familiengeschichte und lebendige, authentische Figuren besticht. Markus Zusaks Roman kommt zwar nicht an seinen Weltbestseller heran, doch es gelingt ihm seine Leser*innen zu fesseln – mit interessanten Figuren, überraschenden Wendungen und einem einzigartigen Stil, der ihn von den meisten Autor*innen abhebt. Empfehlenswert!
Cover © Limes Verlag
- Autor: Markus Zusak
- Titel: Nicht weniger als ein Wunder
- Originaltitel: Bridge of Clay
- Übersetzer: Alexandra Ernst
- Verlag: Limes Verlag
- Erschienen: 02/2019
- Einband: Hardcover mit Schutzumschlag
- Seiten: 640
- ISBN: 978-3-8090-2706-5
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 13/15 dpt