Carmen Buttjer – Levi (Buch)


Carmen Buttjer - Levi (©Verlag Kiepenheuer & Witsch)Mit Debütromanen ist es immer so eine Sache. Die wenigsten sind schon wirklich ausgereift. Manche sind ein Ärgernis, andere ganz lesbar, die wenigsten schlagen ein wie eine Bombe. Levi von Carmen Buttjer fällt in die zweite Kategorie.

Der elfjährige Ich-Erzähler Levi erzählt darin die Geschehnisse nach dem Tod seiner Mutter. Diese war Pathologin und wurde unter mysteriösen Umständen getötet, weil sie im Weg war, als Unbekannte eine Leiche aus der Pathologie stehlen wollten. Während der Trauerfeier schnappt sich Levi die Urne mit ihrer Asche und flüchtet relativ unbehelligt nach Hause. Doch in der der Wohnung hält er es nicht aus und so zieht er aufs Dach des Mietshauses.

Sein Vater ist in der Geschichte erstaunlich abwesend. Die kommenden Tage verbringt Levi in seinem Versteck und auf der Straße, wo er entweder bei Kolja, einem Kioskbesitzer, der früher Kriegsfotograf war, Unterschlupf findet, oder mit dem Nachbar Vincent um die Häuser zieht, der ein unstetes Leben führt, aber Verständnis für den Nachbarsjungen hat, weil auch er früh einen Elternteil verloren hat. Erst spät im Roman finden Vater und Sohn zueinander, nachdem sich ihre Wege zwar zwischendurch zwangsläufig gekreuzt haben, sie füreinander jedoch nicht genug Verständnis und Geduld aufbringen konnten, um beieinander zu bleiben.

Levi ist ein Roman, der völlig ohne weibliche (noch lebende) Figuren auskommt und vielleicht nicht zuletzt deswegen nicht zu einem großen Ganzen verschmelzen vermag. Die männlichen Figuren scheinen alle auf ihrer Insel zu leben und mit ihren Dämonen aus der Vergangenheit zu ringen, ohne Hilfe zu suchen und ohne Aussicht auf Erlösung. Dass nun dieses trostlose Panorama ausgerechnet in erster Linie von einem Elfjährigen beschrieben wird, ist hierbei eher wenig hilfreich. Zwar ist der Roman sprachlich wirklich sehr gut gelungen, doch man nimmt einem Elfjährigen die komplexen Gedankengänge und die Bildhaftigkeit der Sprache nicht wirklich ab. Glaubwürdig hingegen ist, dass er die Probleme der anderen gar nicht erst zu ergründen versucht, weil er zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist.

Dazwischen eingeflochten sind Rückblenden auf Koljas Leben als Kriegsfotograf, die zwar interessant sind, aber mit der eigentlichen Geschichte wirklich überhaupt nichts zu tun haben. Der Leser fragt sich, wozu er das erzählt bekommt, und erfährt es auch bis zum Ende der Geschichte nicht.

Die wahrscheinlich größte Schwäche des Romans liegt allerdings in den Dialogen. Die, die ausgeschrieben werden, sind wenig aussagekräftig, und dazwischen brüllen sich immer mal wieder Erwachsene an, aber Levi versteht nicht, was sie sagen – oder, noch merkwürdiger, er brüllt zurück, weiß aber selbst nicht, was er sagt. Das mag zwar durchaus der Lebenswirklichkeit eines Elfjährigen entsprechen, die Geschichte bringt es überhaupt nicht voran.

Und so ist dieser Roman thematisch ziemlich überfrachtet, ohne dass der Plot dadurch angereichert würde, wodurch der Leser am Ende mit der Frage zurückbleibt, was ihm hier eigentlich erzählt werden sollte. Aber vielleicht muss man das ja auch nicht immer wissen. Erfahren hat man immerhin, dass Carmen Buttjer schreiben kann, und dass es sich wahrscheinlich lohnt, auf ihr nächstes Buch zu warten.

  • Autor: Carmen Buttjer
  • Titel: Levi
  • Verlag: Galiani Berlin
  • Erschienen: 2019
  • Einband: Gebunden mit Schutzumschlag
  • Seiten: 272
  • ISBN: 978-3-86971-179-9
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten
    (weitere Infos, falls nötig, sonst entf.)

Wertung: 10/15 dpt


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