Machen wir es kurz: „Zoe“ ist ein Schrottfilm. Ein Schrottfilm aus Plastik. Er ist unkonzentriert, langweilig, angestrengt, gekünstelt, plump und ignoriert jede spannende Abzweigung, bietet demnach also alles, was einen Totalausfall ausmacht. Daneben ist einzig faszinierend, wie es Regisseur Drake Doremus gelingt, sich selbst reihenweise Fettnäpfchen zu konstruieren, in die er dann genussvoll tritt, ohne es zu merken. Nur so kann ein moralisch fragwürdiges Werk entstehen, das den eigentlich romantisch gemeinten Stoff in eine Sklavengeschichte verkehrt. Man fragt sich, was Stars wie Ewan McGregor, Léa Seydoux und Rashida Jones in dem neuen Projekt eines Filmemachers erkannt haben wollen, der bislang kaum mehr als Durchschnittskost produziert hat. Dieselbe Frage muss sich Amazon stellen, deren Strategie für den deutschen Markt noch nicht so ganz zu durchblicken ist. Dazu passt der anstrengend hohle und undurchdachte Millenials-Streifen dann doch irgendwie.
Drake Doremus gehört zur Familie von Regisseuren, bei denen es verwundert, dass sie immer noch da sind und sogar immer größere Namen für sich zu gewinnen wissen. Mit „Moonpie“ machte der US-Amerikaner 2006 auf sich aufmerksam, 2011 gelang im mit „Like Crazy“ noch ein solides Werk und mit der Mini-Serie „The Beauty Inside“ sogar ein kleiner Hit, seitdem aber versteift sich Doremus auf essayistische (SciFi-)Romanzen über die „Millenials-Generation“, die selten den Eindruck von profundem Intellekt hinterlassen. „Zoe“ ist gar der Beweis, dass Halbwissen tatsächlich gefährlich sein kann.
Im Kern des Films geht es um Zoe (Léa Seydoux), die für ein Unternehmen arbeitet, das mit Künstlicher Intelligenz ausgestatte Androiden, sogenannte Synthetics, herstellt. Mastermind der Firma ist Cole (Ewan McGregor), der praktisch im Alleingang bahnbrechende Innovationen entwickelt. Wenig überraschend, aber dann doch auf unlogische Weise wird enthüllt, dass Zoe selbst ein Synthetic ist, worauf sie in eine Sinnkrise fällt. Diese mündet aber nicht in der Erforschung des eignen Daseins und des eigenen Körpers, sondern sie vergibt ihrem Schöpfer recht schnell und, ja genau, verliebt sich in ihn.
Cole ist ein typischer Workaholic, ist geschieden, pflegt aber ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner Ex-Frau Emma (Rashida Jones). Überhaupt wäre es spannend, sich mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit solch ein Genie Menschen braucht, die ihn durchwinken und unterstützen, damit sie überhaupt erfolgreich werden können. Doch auch diese Ausfahrt nimmt Doremus nicht, sondern lässt Cole ein Arschloch sein, das immer wieder Wege findet, sein Arschlochtum zu kultivieren. Weil es mit den Menschen nicht passt, baut er Synthetics, die lernen, wie sie einen Menschen zu lieben haben. Sie sind diejenigen, die Kompromisse eingehen, zu denen der Mensch immer seltener bereit sind.
Auch Cole verliebt sich wohl tatsächlich in Zoe, was durchaus interessante Fragen aufwerfen könnte, wenn Doremus nicht ignorieren würde, dass der Schöpfer einem Gottkomplex unterliegt und sich eigentlich eine Liebessklavin erschafft, mit der er sein eigenes krudes Weltbild stützt. Zoe ist zwar die bislang menschlichste Version einer Maschine, doch in ihren Code scheint es nicht eingeschrieben zu sein, sich wehren zu können. Weder kommt sie zunächst auf die Idee, die Flucht zu ergreifen, noch einen Selbstmordversuch zu unternehmen, weswegen ihr als einzige Option das Stockholm-Syndrom bleibt.
Aber was lässt Zoe eigentlich menschlich erscheinen? Im Vergleich zu ihren Vorgänger- und Parallelmodellen wird sie nicht von Beginn damit konfrontiert, dass sie kein Mensch ist. Ihr wurde durch Erinnerungen eine Identität verliehen, die sie an ihre Menschlichkeit glauben ließ, obwohl es genug Anzeichen gab, dies zu hinterfragen. „Zoe“ ist eine Variation aus den „Blade Runner“-Filmen, „Ex Machina“ und „Her“, doch leider alles andere als eine schlüssige. Zoe ist traurig, aber kann nicht weinen, weil ihr Schöpfer diese Funktion vergessen hat. Es wirkt märchenhaft, als sie schlussendlich doch dazu in der Lage ist und sich als menschlicher erweist als manch ein Mensch.
Diese leben in dieser nahen Zukunftsvision nämlich nebeneinander her, kommen nicht mehr miteinander klar und das obwohl sie aufeinander angewiesen sind. Auch hier ist nicht zu begreifen, warum Cole und seine Ex-Frau so gut miteinander auskommen oder, andersrum gesagt, warum sie überhaupt geschieden sind, wenn Emma sich doch so durchweg verständnisvoll zeigt. Jedenfalls wird stattdessen die Nähe zu Maschinen gesucht oder wahlweise zu Drogen gegriffen. Auch diese Präparate sind von Cole entwickelt worden und fluten nun den Schwarzmarkt. Wer sich mit diesen Drogen zudröhnt, verliebt sich sofort in sein Gegenüber und ist für den Zeitraum einer Nacht euphorisiert. Eigentlich als Einstieg in das Liebesleben oder das Auftauen eingefahrener Beziehungen gedacht, wird es zunehmend als Aphrodisiakum für eine extreme Liebesnacht genutzt.
Cole fühlt sich schuldig, flüchtet sich dann aber wieder in seine Erfindung einer Frau, die er nach seinem Geschmack programmiert hat. Für Doremus scheint das ok zu sein, denn für ihn sind es die KonsumentInnen, die nicht richtig mit den neuen Technologien umgehen können. Ausrangierte Synthetics landen als Sexroboter in Bordellen und werden als Maschinen dargestellt, die keinen Schmerz und kein Leid empfinden können. Dann aber zeigen sie gerade im Fall von Jewels (Christina Aguilera) so viel Empathie, dass es unter den Maßstäben der Logik nicht zu erklären ist. Als Zoe letztendlich doch auf die Idee kommt, sich abschalten zu lassen und sich in die Hände der Bordellbesitzerin zu begeben, wird sie von den Sexrobotern gerettet und Cole übergeben. Ein Happy End in einer düsteren Dystopie, das nur ein scheinbares ist: Zoe bleibt so oder so eine Sklavin.
Drake Doremus und Drehbuchautor Rich Greenbaum gehen in „Zoe“ nicht sonderlich subtil zur Sache, eher im Gegenteil erklären die Charaktere in ihren Dialogen wirklich alles. Selbst dem schönsten und ästhetisch anregendsten Moment wird so die Magie genommen. Sprechbeiträge werden dermaßen stark funktionalisiert, dass kein Platz für raffinierte Dialoge bleibt. Auch die menschlichen Charaktere wirken dadurch steif und empathielos, was als Kunstgriff verstanden werden könnte, um den Zustand der Menschheit zu diagnostizieren. Doch abermals thematisiert Doremus gerade das nicht, sondern feiert die Menschlichkeit, die der Maschine geschenkt wird. Erst durch sie findet der Mensch zu sich selbst zurück, doch auch das geht auf Kosten des Androiden. Der Tod wäre ausnahmsweise die einzige Option gewesen, um aus der Existenzhölle zu entkommen, doch am Ende bejaht der Film ein Leben, das er selbst als Dystopie konstruiert.
Doremus bringt sich fortwährend selbst in Bedrängnis, weil seine Ausgangsidee schon nicht stimmig ist. „Zoe“ ist ein Film-Essay, der nicht erleuchtend, sondern durchweg pseudointellektuell wirkt. Auch handwerklich gelingt Doremus so gut wie nichts. Weder ist er in der Lage, einen mitreißenden Plot zu konstruieren, noch erzeugt er eine anregende Science Fiction-Atmosphäre, die über den angestrengten, oberflächlichen und hohlen Style hinausgeht. Und wer es schafft, einen Kamerawinkel zu finden, der Rashida Jones schlecht aussehen lässt, kann kaum als ernstzunehmender Filmemacher durchgehen.
Es bleibt die Frage, warum sich gestandene Stars wie Ewan McGregor, Léa Seydoux, Rashida Jones, Theo James und Christina Aguilera für ein Engagement unter Doremus haben begeistern lassen, denn weder ist „Zoe“ ein visuell gelungenes Werk, noch ist es mit Werten zu verbinden, für die die Genannten zum Teil medienwirksam einstehen. Vielleicht haben sie sich von der vergleichsweisen Düsterkeit der Romanze angezogen gefühlt oder dem Filmemacher einen großen Wurf zugetraut, doch es ist kaum nachvollziehbar, warum für Gleichberechtigung kämpfende Menschen das Projekt unterstützten. Vielleicht meinen sie auch etwas im Drehbuch von Rich Greenbaum erkannt zu haben, aber es steht zu vermuten, dass auch unter der Regie anderer nicht mehr aus dem Skript herauszuziehen gewesen wäre.
Und dann wäre da noch die Sache mit Amazon: Zunächst erschien „Zoe“ exklusiv bei Prime Video, nun folgte aber relativ schnell der DVD- und Blu-ray-Release. Andere Produktionen wie „You Were Never Really Here“ und „Suspiria“ gab und gibt es im Unterschied zu den USA in Deutschland gar nicht bei Prime zu sehen, dafür traditionell im Kino- und Heimkino-Format. Wie bei Netflix würde man allzu gerne mal Mäuschen spielen, wie die Klickzahlen aussehen und ob das einen Einfluss auf die Strategie hat. Bei „Zoe“ würde es jedenfalls nicht verwundern, wenn man sich vom Heimkino-Release ein paar Blindkäufe aufgrund der Aufmachung erhofft, denn bei Prime können die Zuschauenden einfach ausmachen, wenn es ihnen nicht gefällt.
In Sachen Soundtrack dürfte es jedenfalls geholfen haben, dass sich Amazon immer mehr zum Multimedia-Giganten aufschwingt und Verpflichtungen wie die von Beach House einfacher einzufädeln sein dürften. Ansonsten lässt sich Komponist Dan Romer für seinen sphärischen Indie/Electro-Soundtrack gerne von Trent Reznor & Atticus Ross, Jóhann Jóhannson, Arcade Fire, Vangelis und Daniel Hart inspirieren, der zwar irgendwann überhandnimmt, dabei aber genauso blass bleibt wie der gesamte Film.
Fazit: „Zoe“ ist ein Totalausfall, weil Regisseur Drake Doremus dem Irrtum aufgesessen ist, er hätte intellektuelle Ideen. Der unausgegorene Video-Essay ist weder raffiniert oder subtil, noch im Ansatz durchdacht, wodurch „Zoe“ ungewollt ins Unmoralische abdriftet. Der Film ist weit entfernt von klugem Science Fiction, was verwundert, so wie sein Macher die besten Genrestreifen der letzten Jahre zitiert. Doremus lässt jedoch alle Fertigkeiten vermissen, die einen guten Regisseur ausmachten wodurch „Zoe“ wie ein im Hinblick auf die Schauwerte wie auch den Inhalt konzeptloses Filmschulprojekt erscheint. Nur eben mit Ewan McGregor, Léa Seydoux & co., deren Teilnahme rätselhaft erscheint, wenn man das Kippen der Romanze in einen erstaunlichen Sklavenfilm bedenkt, der hoffentlich nur aus einem unüberlegten Impuls entstand. Aber auch der, so beweist „Zoe“, kann gefährlich werden.
Cover und Szenebilder © Constantin Film
- Titel: Zoe
- Produktionsland und -jahr: CAN, 2017
- Genre:
Science Fiction
Romance - Erschienen: 08.11.2018
- Label: Constantin FIlm
- Spielzeit:
ca. 104 Minuten auf 1 DVD
ca. 104 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
u.a.
Ewan McGregorLéa Seydoux
Theo James
Miranda Otto
Rashida Jones
Christina Aguilera
Matthew Gray Gubler
- Regie: Drake Doremus
- Drehbuch: Richard Greenburg
- Kamera: John Guleserian
- Schnitt: Douglas Crise
- Musik: Dan Romer
- Extras:
Interview Ewan McGregor (Cole) (04:43 min)
Interview Christina Aguilera (Jewels) (07:56 min)
Trailer Deutsch (02:24 min)
Trailer Englisch (02:19 min) - Technische Details (DVD)
Video: 2.39:1 in 16:9
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D, GB
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.39:1 in 16:9 (1080p)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D, GB
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 2/15 dpt