The Producers (50th Anniversary Edition) (Spielfilm, DVD/Blu-ray)


Noch heute wird der Name „Hitler“ im Titel einer Produktion aus guten Gründen umgangen. „The Producers“ hatte diese billige Provokation seinerzeit aber auch gar nicht nötig, denn auch 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung weiß das Erstwerk von Mel Brooks, seine Zuschauerschaft auf clevere Weise zu prüfen. Heute ist es quasi zur Disziplin geworden, sich über alles und jeden aufzuregen, was und wer (scheinbar) gegen die moralischen Grundwerte der Gesellschaft verstößt. Wer sich über „The Producers“ aufregt, ist jedoch – bei allem Respekt – schief gewickelt und bekommt das vom Film lehrbuchmäßig vorgeführt. Nun dank 4K-Restauration auch in HD-Qualität.

Vor fast 70 Jahren begann die Karriere des inzwischen 92-jährigen Mel Brooks als Drehbuchautor für eine TV-Produktion. Gut 20 Jahre später sollte es dann endlich für seinen ersten eigenen Film und gleich seine erste Regie reichen: 1968 erscheint „The Producers“ und wird nach jahrelangem Kampf um die Realisierung (wie im umfassenden Bonus Material nachzuvollziehen) zum Flop. Es hätte der Meta-Witz der Filmgeschichte werden können, wäre nicht ein gewisser Peter Sellers derart auf den Film angesprungen, dass er auf eigene Faust durch Anzeigen in den amerikanischen Tageszeitungen einen Run auf „The Producers“ auslöste.

Mittlerweile ist Mel Brooks‘ bester Film völlig zurecht in den Kanon der „lustigsten Filme aller Zeiten“ aufgenommen worden. Die ersten zwanzig Minuten bilden den Kammerspieltest, ob man sich auch wirklich auf den Stoff einlassen möchte. Der gestrauchelte Broadway-Produzent Max Bialystock (Zero Mostel) umschmeichelt alte Damen, um mit den von ihnen ausgestellten Checks zumindest die Miete bezahlen zu können. Es ist ein absurdes, peinliches, lautes und nervenaufreibendes Schauspiel, das seinen Höhepunkt darin findet, dass der Buchhalter Leo Bloom (Gene Wilder) auftaucht und die Idee entwickelt, dass mit einem Flop mitunter mehr zu verdienen wäre als mit einem Hit.

Ein Vorhaben, das sich als genauso aufwändig erweist, wie die Produktion eines Hits. So wird „The Producers“ zu einer Replik auf den realen Broadway- (& Hollywood-)Wahnsinn, der schon so manch eine abstruse Anekdote produziert hat. Nachdem der exzentrische Max den neurotischen Leo zu der Missetat überredet, ja irgendwie sogar verführt hat, geht es in die Planung und Umsetzung. Zuerst finden die beiden das schlechteste Drehbuch aller Zeiten und nehmen Kontakt mit dem Autor auf. Franz Liebkind (Kenneth Mars) huldigt darin seinem Helden und will dessen Namen reinwaschen. Der Titel: „Springtime for Hitler“.

Nachdem Max auch noch genügend Geld aus dem „old little lady land“ abgezwackt hat, wird nach dem miesesten Regisseur und der peinlichsten Besetzung Ausschau gehalten. Dem größten Flop aller Zeiten und dem Reichtum der „Produzenten“ steht nichts mehr im Wege – eigentlich. „The Producers“ ist anstrengend, abstrus, albern, bunt, überdreht und verrückt und genau deswegen so großartig. Mel Brooks etabliert einen ganz eigenen, cartoonesken Humor, der bei der Verarbeitung der Nazi-Zeit hilft.

Das wollten seinerzeit aber viele Zuschauende und Kritiker nicht verstehen. Hitlergruß, Hakenkreuze und Nazis, das hielten viele für geschmacklos und alles andere als lustig. Auch heute, so steht zu vermuten, werden genug Menschen Anstoß an „The Producers“ finden, weniger an der Nazisymbolik (nicht zuletzt aufgrund des mildernden Effekts des Humors auf die vormals vorherrschende, ernsthafte Stille rund um die Nazis), als viel mehr an der Darstellung von Homosexuellen, Cross-Dressern und Frauen. Doch auch hier gilt: Wer sich aufregt, hat den Witz nicht verstanden. Es geht nicht um das Vertiefen von Klischees und Machtstrukturen, sondern genau um das Gegenteil. In der abgedrehten Broadway-Welt von „The Producers“ können Frauen nur Nebenrollen als naives, heißes Blondchen oder als alte, vermögende Schachteln spielen, weil es eine Männerdomäne ist, die an der Hypermaskulinität der Branche krankt.

Der hysterische, kindliche Bloom wird allein deswegen zum Kriminellen, weil er nach Anerkennung dürstet. Sein grauer Job kann nur in ein graues Leben münden, weil ein Leben nach den Idealvorstellungen bunt und aufregend sein muss. «Ich will alles, was ich in Filmen gesehen hab’», überkommt es den nervösen Leo und spricht damit unbewusst die Krankheit der amerikanischen Gesellschaft an. Der Amerikanische Traum ist mit Film und Kunst so sehr verschmolzen, dass er das Sein der Menschen bestimmt. Und unter den denjenigen, die ihr Heil am Broadway suchen, sind genügend arme Schlucker zu finden, die von Exzentrik, Geltungssucht und Gier dermaßen zerfressen sind, dass sie selbst an einem Flop hart arbeiten und kriminelle Handlungen nur allzu leichtfertig in Kauf nehmen. Allerdings ist dabei der Inhalt längst aufgegeben worden, alles dient nur noch dem schnöden Mammon. Da stimmt es höchst nachdenklich, dass Zero und Gene Wilder ihren Charakteren in der Realität nicht unähnlich waren.

Wer „The Producers“ kritisiert, sollte sich überlegen, welche Rollenbilder und Werte die eigenen Lieblingsfilme eigentlich wirklich vermitteln. Musicals sind dafür besonders anfällig, wenn sie denn ernst gemeint sind. Mel Brooks hat das erkannt, bricht ironisch mit der bunten Broadway-Welt und hat bis heute Parodien beeinflusst, die das Faszinierende an Choreografien mit intelligentem Witz über die heile, naive Welt aus Musicals verbindet, die manch eine Lebenskomplexität ohne böse Absicht, aber auf gefährliche Weise verkürzt. Und schon scheint die Idee von „Sprintime for Hitler“ gar nicht mehr so abwegig zu sein.

Wenn man so will, hat Mel Brooks schon vor 50 Jahren die Probleme von heute in seine Satire eingearbeitet: Der Ausgangspunkt der #metoo-Bewegung in Hollywood, die Sensibilität verbreitet über das Internet und die sozialen Medien, die Debatte über die Grenzen des Humors, die Hohlheit von Debatten durch emotionale Polarisierung. „The Producers“ dient noch immer als Lehrstück des intelligenten Humors, der leider wieder brisante Aktualität erfährt. Die Freude an der audiovisuellen Aufwertung in 4K-Qualität eines wunderbar gespielten, großartig choreographierten, von John Morris mit genialen Ohrwürmern vertonten und nicht zuletzt brüllend komischen „The Producers“ wäre sicher weniger getrübt.

Fazit: Mit „The Producers“ gelang Mel Brooks vor 50 Jahren ein wahrer Coup. Der Film nimmt sich über die Chiffre „Hitler“ der verkorksten Broadway-Welt an und bildet ein Lehrstück im Comedy-Bereich. So wie sich damals die Zuschauenden und Kritiker über „The Producers“ echauffierten, so dürften an ihm auch heute noch einige RezipientInnen Anstoß nehmen und sich durch ihre Reaktion entlarven. Die knallbunte, extravagante, cartooneske und urkomische Satire, die nun in restaurierter Fassung und mit üppigem Bonus-Material erscheint, dient der Aufarbeitung der Nazi-Zeit, viel mehr aber der gesellschaftlichen Verhältnisse in Folge des Zweiten Weltkriegs. Anscheinend gilt das auch für die Gegenwart, dabei beweist der Film auf wunderbare Weise, dass Humor den ernsten Schrecken nehmen kann.

Cover und Szenebilder © Arthaus

  • Titel: The Producers – Frühling für Hitler
  • Originaltitel: The Producers
  • Produktionsland und -jahr: USA 1967
  • Genre:
    K
    omödie
    Musical
    Satire
    Parodie
  • Erschienen: 20.09.2018
  • Label: Arthaus
  • Spielzeit:
    88 Minuten auf 1 DVD
    88 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    Zero Mostel
    Gene Wilder
  • Regie: Mel Brooks
  • Drehbuch: Mel Brooks
  • Kamera: Joseph F. Coffey
  • Schnitt: Ralph Rosenblum
  • Musik: John Morris
  • Extras:
    Q&A mit Mel Brooks beim TCM Festival 2018; Making Of; Paul Mazursky liest Peter Sellers Liebesbrief an “The Producers”; Zero Mostel zu Gast bei der TV-Show “Tempo” (1966); “Playhouse Outtakes” (Geschnittene Szenen); Soundtrack-Parodie; Fotogalerie; Exklusiver 50th Anniversary Trailer
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    1,85:1
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D, GB, F
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    1,85:1 (anamorph)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D, GB, F
  • FSK: 12
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share