Eine beißende Mediensatire, das war 1976 noch etwas Gewagtes. „Network“ wurde seinerzeit als harsche Kritik am Fernsehen und der sich anbahnenden Beeinflussung durch sie übernehmende Unternehmen rezipiert und überschritt preisprämiert Grenzen. Heute bleibt einem beim erneuten Schauen des Films das Lachen im Halse stecken, denn mittlerweile haben sich die satirischen Überspitzungen teilweise bewahrheitet oder wurden sogar von der Realität überholt und für eigene Zwecke vereinnahmt. Das geht bis zu dem Punkt, an dem sich die heutigen Komödianten fragen, wie sie das überhaupt noch aufbereiten sollen, was sich da gerade Weltgeschehen nennt. Die Wiederveröffentlichung des Films im Arthaus-Label zeigt jedenfalls: 42 Jahre nach Erscheinen können wir von „Network“ eine Menge lernen – besonders, wie mit den Zeichen der Zeit umzugehen ist.
Es beginnt alles mit einer – im wahrsten Sinne des Wortes – Schnapsidee: Die Tage des Nachrichtenmannes Howard Beale (Peter Finch) sind gezählt, denn nachdem die Saudis in die Geschäfte seines Senders UBS eingestiegen sind, muss er plötzlich Quote machen. Auf den Profitgedanken war man im Zusammenhang mit dem Nachrichtenressort zuvor erst gar nicht gekommen, seriöser Journalismus war in der Senderstruktur schon unhinterfragt als Verlustgeschäft eingerechnet. Jetzt muss Beale weg und den Weg für ein neues Sendungskonzept machen. Als er sich daraufhin mit seinem Freund und Chef Max Schumacher (William Howard) betrinkt, kommen sie auf die alkoholgeschwängerte, zynische Idee, dass sich die Ankündigung des eigenen Suizids vor laufender Kamera wohl positiv auf den Quotenmesser auswirken könnte.
Dass Beale es tatsächlich durchzieht und seinen Plan verkündet, stellt den gesamten Sender auf den Kopf. Statt den Mann vorzeitig hochkant rauszuschmeißen und ihm die Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung nahezulegen, bleibt er vorläufig auf Sendung. Immer mehr redet sich der Nachrichtensprecher in Rage und wird als lauter Prophet vermarktet, der schließlich seine eigene Show bekommt, die vom sensationsgeilen US-Publikum fleißig konsumiert wird. Die Quoten schnellen in die Höhe und drohen jeden halbwegs moralisch denkenden Menschen im Sender zu verspeisen. Diana Christensen (Faye Dunaway) ist die pure Verkörperung der verführerischen Idee des marktgesteuerten Fernsehens, für die Erfolg zum Lebensinhalt wird und die nicht nur sprichwörtlich über Leichen geht. So ging Howard Beale als der erste Moderator in die Geschichte ein, „der für seine schlechten Quoten sterben musste“.
Es ist eine durchweg schwarze Komödie, die sich Drehbuchautor Paddy Chayefsky und in der Umsetzung Regisseur Sidney Lumet, beide Legenden in ihrem Fach, erdachten. Da verwundert es schon, dass sich „Network“ als Angriff auf das Fernsehen direkt nach Erscheinen zu einem Kritikerliebling entwickelte und in der Award Season 1976/1977 zahlreiche Preise einheimsen konnte. Sicherlich war auch damals ein wenig Sensationslust dabei (gerade Peter Finch als erster posthum geehrter Schauspieler bei den Oscars), was einen bitteren Beigeschmack hinterlässt, wenn man über die Ironie in Sachen Quotenfixierung nachdenkt. Aber „Network“ ist auch einfach ein guter Film, für dessen Nominierung und Auszeichnung man sich nicht zu schämen braucht.
Durch das neuerliche Schauen im Jahr 2018 bekommt der Film durch das Zeitgeschehen noch ganz andere Wendungen, die es tatsächlich vermögen, die Bitterkeit in neue Qualitätshöhen zu schrauben. Dass auch Nachrichten Quote machen müssen, ist heute leider weitestgehend zum Standard geworden, wogegen sich wiederum Filme wie „Spotlight“ mit einem Loblied auf Qualitätsjournalismus zur Wehr setzen. Selbst bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es seit Jahren Formate wie „Brisant“ und „Hallo Deutschland“, die in tödlichen Unfällen und Stargetuschel eine öffentlichkeitswirksame Mischung gefunden und damit die Grenzen des moralisch Vertretbaren verschoben haben. Es ist der Einfluss aus den Vereinigten Staaten, wo sich Fox News gar zu einem konservativen Stimmungsmacher aufgeschwungen hat.
Mit Donald Trump an der Spitze, der wie kein Zweiter weiß, wie Fernsehen und Geschäftemacherei zu Macht verhelfen können, haben sich die Rechten auch die Message von „Network“ zu eigen gemacht und ins Gegenteil verkehrt. Es ist schon gruselig, wenn Paddy Chayefsky nicht nur mit seinem Film Entwicklungen vorwegnimmt, sondern in einem Interview im Bonusmaterial davon spricht, dass er an nichts von dem glaubt, was ihm vom Fernsehen als Wahrheit verkauft wird. Der Autor meint damit, dass Fernsehen als Unterhaltungsmedium verstanden und genutzt werden sollte. Sobald es aber um „die Wahrheit“ ginge, müsse alles hinterfragt werden, denn durch das Schneiden von beispielsweise Interviews oder die Kondensierungsleistung von Nachrichtenbeiträgen werde immer etwas abgeschnitten. Es sei eine Lesart, die dem Zuschauenden vorgegeben würde, der das gerne unreflektiert aufnehme. Chayefsky meint das aufklärerisch, „Fake News“ sprechen das Gegenteil an.
Leider haben sich auch darüber hinaus Überspitzungen als Vorhersage erwiesen. Eklige Formate gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und machen aus Rufmord und körperlichen Verletzungen Shows. Shopping-Sender und gar echtes Lobbyfernsehen gibt es, beispielsweise NRA TV, das alle Vorzüge eines heimischen Waffenarsenals anpreist und schreiende ModeratorInnen Verschwörungstheorien verbreiten lässt. Selbst Kirchensender sind entstanden, die ganz ohne Selbstironie zu bekehren versuchen. All die Predigten wirkten in „Network“ seinerzeit noch überzogen, aber heute? Dass dem Zuschauenden wenig Reflexionsvermögen zugestanden wird, mag man als Menschenfreund ablehnen, doch immer häufiger deutet die Realität darauf hin, dass ein gesunder Pessimismus statt Naivität angebracht ist.
Die Medien sind so mächtig wie nie und die Rezipienten lassen sich gerne blenden. Gerade bei der Frage zum Einfluss auf das politische Tagesgeschäft sollte diese Macht nicht unterschätzt werden. Wollte „Network“ darauf aufmerksam machen, dass Nachrichten von unwichtigen Sensationen in den Hintergrund gedrängt werden, sind es heute eher die Nachrichten selbst, die sich je nach Interessenslage gegenseitig bekämpfen. Gerade Trump versteht es, von Wichtigem abzulenken, indem er den Affen gibt. Howard Beale war hingegen ein Hampelmann, den man beklatschte, weil er sich so süß aufregen konnte. Dabei entging den Zuschauenden gerne und vollumfänglich, dass seine Predigten sie selbst ins Visier nahmen und auf die Hohlheit ihrer Beziehung zum Fernsehen eingingen.
Die Korruption der Menschheit kennt in „Network“ keine Grenzen. KommunistInnen werden zu Geschäftsleuten, Fernsehmachende zu Unterstützern von Propaganda, Menschen zu Attraktionen oder wahlweise zu Automaten, die sich von Markt und Fernsehen bereitwillig formen lassen. Das System vereinnahmt seine Mitglieder und unterwirft sie seiner Logik, bis vom Menschen nichts mehr übrigbleibt, bis in einer Besprechung geschäftig über den Tod verhandelt wird. Globalisierung, Medialisierung, Wirtschaft als Religion, all das ist im Film bereits angelegt und mit schreiender Kritik unterlegt. Übrigens auch die Wut, die heutzutage viele zu fühlen (meinen). „I’m mad as hell and I’m not gonna take it anymore“ ist deswegen immer noch ein genialer Oneliner, der von seiner Strahlkraft und seiner beißenden Ironie nichts verloren hat. Heute aber noch das satirische Moment für neue Produktionen zu finden, fällt zunehmend schwerer. Reihenweise kapitulieren die Comedy-Stars vor der Aufgabe, das Weltgeschehen aufzubereiten und auf komödiantische Weise greifbarer zu machen. Politik wirkt immer mehr wie Satire, denn es ist manchmal kaum zu glauben, dass dahinter kein Autor stehen soll. Damit wird im Hintergrund sicherlich gearbeitet, genauso wie mit der Medienverrücktheit der Bevölkerung, aber dennoch: Das entlastende Element des Humors fehlt leider zunehmend, was aufreibt und ermüdet.
An einer Wiederauflage des Klassikers gibt es demnach nur wenig auszusetzen. Im Test der Zeit hat es ein so auf Aktualität bezogener Film logischerweise schwer, aber als Referenzpunkt für die geschichtliche Verortung auch der Jetztzeit eigentlich sich „Network“ wie beschrieben hervorragend. Manch ein Dialog wirkt heute wie damals etwas zu ausschweifend, gerade die Beziehung zwischen Max Schumacher und Diana Christensen unterstreicht zu häufig auf den Unterschied zwischen Menschlichkeit und Profitgier. Die unterschiedliche Gewichtung der Teilplots wirkt nicht immer schlüssig und dadurch unrund, was aber nichts an der Bedeutung des Films ändert.
Schade ist nur, dass im Blu-ray-Format kein Quantensprung in der Bildqualität geglückt ist. Die Masterbänder scheinen noch nicht restauriert und das Bild noch nicht auf Hochglanz poliert worden zu sein. Die Frage dabei ist zwar, ob das bei einem Film wie „Network“ unbedingt ein hochauflösendes Bild notwendig ist, vielmehr interessiert allerdings, ob nicht die DVD-Version ausreicht. Das Bonusmaterial mit Hintergründen über die Umstände fällt jedenfalls gleich üppig aus und ist durch das Alter der Beiträge in der Bildqualität ebenfalls nicht entscheidend zu unterscheiden. Die Frage zielt aber eher auf den Energieaufwand, als auf den Preis, denn beide Versionen werden zum gleichen Startpreis angeboten. Am wichtigsten ist aber: Gut, dass „Network“ durch die Arthaus-Wiederveröffentlichung wieder zu einem ordentlichen Preis zu bekommen ist und zur subjektiven Bewertung einlädt.
FAZIT: „Network“ wiederzuveröffentlichen, ist ein sinnvolles Unternehmen, denn gerade jetzt kann der Film als Zeitzeugnis wie auch als Zeitdiagnose der Gegenwart verstanden werden. Amerikaner und ihr Fernsehen, das ist eine ganz besondere Beziehung, die in ihrer Gefährlichkeit kaum zu überschätzen ist. Leider ist aus den satirischen Übertreibungen mitunter Realität geworden, was sich gerade im Bezug auf die aktuell brisante politische Lage als bittere Prophezeiung erweist. Um der Vereinnahmung und Verkehrung der eigenen Kritik Einhalt zu gebieten, hilft nur Aufklärung, die heutzutage immer schwieriger zu leisten ist, gerade im Bereich der Satire. Das üppige Bonusmaterial bietet spannende Einsichten zu den Begleitumständen von „Network“ und ist ein weiterer Kaufanreiz für die erschwingliche Veröffentlichung. Dabei bleibt nur abzuwägen, ob es aufgrund der Bildqualität wirklich die Blu-ray-Version braucht, andererseits kommt sie zum gleichen Preis wie die DVD.
Cover und Szenebilder © Studiocanal
- Titel: Network (Re-Release)
- Produktionsland und -jahr: USA 1976
- Genre:
Satire
Drama
- Erschienen: 19.04.2018
- Label: Arthaus
- Spielzeit:
116 Minuten auf 1 DVD
121 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
Faye Dunaway
Peter Finch
William Holden
Robert Duvall
- Regie: Sidney Lumet
- Drehbuch: Paddy Chayefsky
- Kamera: Owen Roizman
- Extras:
6-teilige Dokumentation “Making of Network”; Videoessay; Audiokommentar von Sidney Lumet; Originaltrailer - Technische Details (DVD)
Video: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,85:1 (1080/24p Full HD)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite