Luca D’Andrea – Das Böse, es bleibt (Buch)


Luca D'Andrea - Das Böse, es bleibt (Cover © DVA)«Denn ein Robert Wegener konnte aufgespürt werden. Aber ein Kobold? Einen Kobold konnte man nicht töten.»

Herr Wegener erhielt als Kind den Spitznamen „Gewährsmann Kobold“ – vom SS-Standartenführer, an den er vier Amerikaner verraten hatte. Heute, in den 1970er Jahren, ist Herr Wegener Kopf einer betrügerischen und tödlichen Mafiabande, reich und mächtig. An seiner Seite steht seine wunderschöne, knapp 20 Jahre jüngere Frau Marlene. Zumindest glaubt er das, bis er eines Tages seinen Safe leer vorfindet, von Marlene keine Spur. Herr Wegener schwört Rache und setzt einen Auftragsmörder auf seine Frau an.

Marlene will sich indes mit den wertvollen Saphiren, die sie aus dem Safe entwendet hat, ein neues Leben aufbauen – fern von den illegalen Machenschaften ihres Mannes. Als sie in einer Nacht- und Nebelaktion flieht, verliert sie die Kontrolle über ihren Wagen und nach dem Sturz in einen Abgrund auch ihr Bewusstsein. Sie erwacht auf einem alten Erbhof, dessen Besitzer ihr wieder auf die Beine helfen möchte. Doch je mehr sie über ihn erfährt, desto unberechenbarer und gefährlicher erscheint der Mann.

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Luca D’Andrea hat mit seinem Debüt „Der Tod, so kalt“ weltweite Erfolge gefeiert und bereits erahnen lassen, dass er ein Händchen für außergewöhnliche Geschichten hat. In „Das Böse, es bleibt“ zeigt sich dies nun noch deutlicher. Die Handlung ist eigenwillig, geradezu bizarr und irgendwie… merkwürdig. In jedem Fall hebt sie sich ab.

Was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist, aber relativ schnell Formen annimmt: Es geht um Schweine. Die Schweine auf dem Erbhof spielen eine recht übergeordnete Rolle, insbesondere für den Einsiedler Simon. Vor allem eine Sau bestimmt das Leben des Alten, die «süße Lissy, kleine Lissy». Nur, dass Lissy alles andere als süß und klein ist, sondern eine Mischung aus Haus- und Wildschwein, die eine unheimliche Atmosphäre umgibt.

Zeitlich ist der Plot in den 1970er Jahren angesiedelt, wirkt aber teilweise ein wenig aus der Zeit gefallen. Das Leben auf dem Erbhof könnte genauso auch im vorletzten Jahrhundert stattgefunden haben. Der Einsiedler hat weder Strom noch fließend Wasser, er kümmert sich um seine Tiere, sucht nur selten den Weg in die Stadt. Er ist ein sehr verschrobener Charakter, der zunächst keinen unsympathischen Eindruck macht. Aufgrund des Klappentextes schwingt aber unentwegt die Gewissheit mit, dass ihm nicht zu trauen ist, dass er ein dunkles Geheimnis verbirgt. Nicht nur aus diesem Grund schleicht sich schnell ein unangenehmes Gefühl ein. Die gesamte Atmosphäre auf dem Hof wirkt äußerst eigenartig und falsch. Irgendetwas stimmt dort nicht – was es ist, bleibt lange unklar.

Zu Beginn wirkt die Geschichte sehr wirr. Sie springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, beleuchtet zunächst vor allem Herrn Wegener und seine beunruhigende Jugendzeit, die ihn zu dem Menschen geformt hat, der er heute ist. Generell bedient sich D’Andrea häufig Rückblicken, die uns die einzelnen Personen und ihre Handlungen besser verstehen lassen. Außerdem wird deutlich: Die Vergangenheit holt sie immer wieder ein und beeinflusst die Gegenwart. Der deutsche Titel „Das Böse, es bleibt“ ist – genau wie schon beim Vorgänger „Der Tod, so kalt“ – perfekt passend zur Handlung gewählt. Denn das Böse bleibt tatsächlich, lässt sich nicht einfach abschütteln, sondern verfolgt die Charaktere ein Leben lang.

Die Haupthandlung ist in einen Rahmen aus verschiedenen Nebenhandlungen eingewebt. Man muss recht konzentriert lesen, um den Inhalt in Gänze zu erfassen. Hinzu kommt, dass bedeutende Ereignisse mitunter mitten im Satz, fast nebenbei, untergebracht werden und leicht untergehen können. Dass der Plot sehr undurchsichtig und bis zum Schluss ziemlich befremdlich ist, erschwert den Zugang zur Geschichte zusätzlich. Dank des flüssigen, bildhaften Schreibstils des Autors, lässt sich dieser etwas sonderbare Thriller aber dennoch gut und spannend lesen. 

Die Charaktere sind ebenso seltsam wie die gesamte Handlung. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und ist stark von seiner Vergangenheit gezeichnet. Während Herr Wegener gleich zu Beginn durchleuchtet wird, offenbaren sich die Schicksale der anderen Figuren nur Stück für Stück. Am interessantesten sind dabei sicherlich der alte Einsiedler und überraschenderweise der Auftragsmörder. Er hätte gern ein paar mehr Kapitel bekommen dürfen. Insgesamt fehlt es den Charakteren aber durchweg an Tiefe – wirklich nahe fühlt man sich keinem von ihnen.

Fazit: „Das Böse, es bleibt“ in einem Wort: bizarr. Die Handlung ist schwer greifbar und behandelt sehr eigenwillige Themen von Wegeners SS-Vergangenheit über Südtirol in den 70er-Jahren und das Leben auf einem Erbhof bis hin zu Schweinen. Luca D’Andrea ist hier zweifellos sehr kreativ geworden und zeigt uns eine überaus düstere Seite Südtirols. Durch die verschiedenen Perspektiven und die über weite Strecken undurchsichtige Inszenierung baut sich konstant Spannung auf, allerdings ist der Ausgang letztlich nicht ganz unvorhersehbar. Wenn man sich auf den wirren Plot einlässt, liest man eine alles in allem sehr ungewöhnliche Geschichte, die man so schnell wohl nicht mehr vergisst.

Cover © DVA

  • Autor: Luca D’Andrea
  • Titel: Das Böse, es bleibt
  • Originaltitel: Lissy
  • Übersetzer: Susanne Van Volxem und Olaf Roth
  • Verlag: DVA
  • Erschienen: 02/2018
  • Einband: Broschiert
  • Seiten: 432
  • ISBN: 978-3-421-04806-6
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite 
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 9/15 süße, kleine Lissys


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