Am Premierendonnerstag in der Kulturstadt: „Guardians of the Galaxy Vol. 2“
Zuvor die Trailer:
„Fluch der Karibik. Salazars Rache“ – Arbeit ist, was Miete zahlt, dachte sich wohl der wunderbare Javier Bardem und mimt einen krustig maritimen Untoten in einer weiteren Fortsetzung der nicht totzukriegenden Abenteuer von Captain Jack Sparrow.
Filmstart: 25. Mai 2017
„Baywatch“ – Ein Trailer, der ausschließlich aus Zitaten und Selbstironie besteht. Da hat die Postmoderne offenbar ganze Arbeit geleistet, wobei sich die Frage stellt: Ist es ein kluger Film, der sich trashig gibt, oder umgedreht?
Filmstart: 01. Juni 2017
Für die erste Vorführung des Films ist es überraschend leer im Kino, aber der Abend ist noch früh und weniger Menschen im Saal bedeuten weniger nervenaufreibendes Gequatsche. Es beginnt: „Guradians of the Galaxy Vol. 2“.
Die Landschaft ist mild, die Musik fröhlich, das Auto schnell, seine Insassen ausgelassen. Gemeinsam fahren sie in den Wald, wo sich zeigt, dass es sich um Vater und Mutter Quill handelt. Er pflanzt seinen Samen in sie und ein pastelliges Gewächs (irgendetwas zwischen Seeanemone und Alien-Ei) in die Erde. Was danach passierte, konnte bereits im ersten Teil der Reihe bewundert werden.
Unglücklicherweise könnte die Kritik an dieser Stelle enden, denn dem Charme, dem Witz oder dem Plot wird nichts Nennenswertes hinzugefügt. Man könnte aber meinen, dass die Marvel-Filme ohnehin nicht in die Kategorie des inhaltlich progressiven Kinos gehören und wer „Guardians of the Galaxy Vol. 1“ mochte, dürfte sich blendend unterhalten fühlen. Leider geht diese Rechnung – trotz des handwerklich gewohnt exzellenten Niveaus – nicht auf, was mehrere Gründe hat.
Übertreibung macht bekanntlich anschaulich und das Guardians-Franchise lebt gewissermaßen davon, jeden Gag bis zum Erbrechen auszuspielen. Was im ersten Teil allerdings leicht und erfrischend daherkam, ermüdet im zweiten gewaltig, und zwar ab der allerersten Minute: Während der selbsternannte Starlord und seine Getreuen im Hintergrund ein raumflugfähiges Tentakelmonster (Nudelsiebe auf zum Gebet!) bekämpfen, tanzt Babygroot im Vordergrund – klingt absurd und dauert eine gefühlte Ewigkeit. Das Ding hat so niedliche Kulleraugen und tapst so herzerweichend über die Leinwand, dass es einen am Gaumenzäpfchen kitzelt.
Nur unwesentlich besser kommt Drax weg, der an jeder, ausnahmslos jeder noch so merkwürdigen Stelle in schallendes und grundloses Gelächter ausbricht. Auch wenn David Bautista aus dem Wrestling-Fach kommt, wo Over-acting gewissermaßen eine Kernkompetenz darin darstellt, fragt man sich irgendwann, ob ihn das als Schauspieler nicht gehörig gelangweilt hat.
Comicfans können diesen Charakterzug erklären: Drax gehört zur „Harte-Schale-ganz-weicher-Kern“-Sorte von Figuren. Er ist naiv und in seinen Gefühlsäußerungen ungestüm. Muss man wissen, sonst funktioniert der Charakter im eigenständigen Kunstwerk dieses Filmes nicht. So offenbart sich an Drax die zweite große Schwäche von „Guardians of the Galaxy Vol. 2“. Mit Charakterentwicklung und Figuraufbau können sich die Macher*innen im seriellen Erzählen eines Comics viel Zeit lassen, was häufig zu guten bis sehr guten Ergebnissen führt. Im Kino ist das selbst bei mehrteilig angelegten Filmen eine weit anspruchsvollere Aufgabe.
Regisseur James Gunn, der nach eigenen Angaben eine besondere Zuneigung zu den Guardians hegt und nicht auf den Tiefgang seiner Held*innen verzichten wollte, verbringt die erste Hälfte des Films also damit, in langen Dialogen die Vergangenheit seiner Figuren zu erschließen, um sie in der Gegenwart authentisch zu machen. Es geht für alle Charaktere um Fragen von Identität, Familie, Herkunft und letztlich um Theodizee – spannende Themen, die die Guardians mit dem Tiefgang eines Reifenprofilmessers angehen dürfen.
Vor diesem Hintergrund hat letztlich auch das solide Ensemble – bis hin zu Kurt Russell – kaum Chancen, den Figuren überzeugende Regungen zu entlocken. Am ehesten gelingt es noch Michael Rooker als Yondu und Sean Gunn als dessen getreuer Sidekick, Kraglin.
Liegt das Problem im allzu strengen Festhalten an der Comicvorlage? Möglich, allerdings sprechen die Stellen, an denen Gunn den Stoff zum Zweck der Kürzung hart eindampft auch nicht für das gegenteilige Vorgehen: Während Ego seine feste Gestalt im Comic nach der ersten Lebensform wählt, die ihm auf seiner Reise durchs All begegnet, darf der von Kurt Russell gespielte Gott lang und ausführlich zu seinem Wie und Woher fabulieren, um schließlich kundzutun, dass er lange gesucht hat und sich erst verkörperlichte, als er die perfekte Gestalt gefunden hatte: einen weißen Mann!
Und der Rest ist Geschichte: Der weiße Mann will natürlich das gesamte Universum unterjochen und wird natürlich in allerletzter Sekunde besiegt. Musikalisch und optisch ist das wie auch beim letzten Mal fabelhaft, ansonsten leider furchtbar fad.
Fazit: „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ ist ein Film für die Liebhaber*innen der Comicvorlagen, die die zahlreichen Leerstellen mit zusätzlichem Wissen und die streckenweise Langeweile des Films mit Begeisterung auffüllen können.
Cover © Walt Disney Studios
- Titel: Guardians of the Galaxy Vol. 2
- Originaltitel: Guardians of the Galaxy Vol. 2
- Produktionsland und -jahr: USA, 2017
- Genre:
Comicverfilmung, SciFi, Action, Komödie
- Erschienen: 27.04.2017
- Label: Marvel Studios, Walt Disney Studios
- Spielzeit: 136 Minuten
- Darsteller*innen:
Chris Pratt
Zoe Saldana
David Bautista
Vin Diesel
Bradley Cooper
Kurt Russel
Michael Rooker
Karen Gillian
Sean Gunn
Pom Klementieff - Regie: James Gunn
- Drehbuch: James Gunn,
- Kamera: Henry Brahm
- Schnitt:
Fred Raskin
Craig Wood
- Musik: Tyler Bates
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Website zum Film
Wertung: 10/15 sehr gut gemeinte Tanzbonsai
Im Gegensatz zum ersten Teil fand ich den zweiten an vielen Stellen sehr nervig. Auch diese Stelle mit dem Tape, um den roten Knopf zu sichern, damit Baby-Groot ihn nicht drücken kann. Da habe ich mich echt gefragt, ob die da Filmminuten gebraucht haben oder die Storywriter den Gag selber so toll fanden. Eigentlich schade. Ich hatte mich sehr auf den Film gefreut.
In einem Punkt möchte ich dir widersprechen: Eine der eindrücklichsten Kritiken des ersten Films stammten von einer Mutter, deren autistischer Sohn sich mit Drax ausgezeichnet identifizieren konnte, und der den Filmemachern bescheinigte, dass endlich mal jemand Autismus ansprechend dargestellt hätte. Unter diesem Gesichtspunkt sind Dave Bautistas Leistung und Drax’ Charakter auch im zweiten Teil wieder äußerst stimmig, scheinen weder überzeichnet noch langweilig. Denn dieses Eingesperrt sein in sich selbst, die Außenwelt als rätselhaften Signalgeber wahrzunehmen, den man im ganz eigenen Gestus interpretiert, spiegelt sich in Drax’ scheinbar stereotypen, überzogenen und situativ sehr eigenen Reaktionen wider. Das ist für Blockbusterkino eine beachtliche Leistung.
Die größte Schwäche des Films liegt darin, dass er seinen Charakteren und seiner Geschichte (bzw. seinen Geschichten) nicht traut und deshalb zum Finale einen pyrotechnisch überladenen CGI-lastigen Showdown herbeizaubert (inklusive der Versuchung und des Falls des Heldens, seiner Läuterung, Überwindung der eigenen Schwächen und sieghafter Triumph – gähn; plus des alten Schmonzes aus dem Kleinen Prinzen, dass man nur mit dem Herzen gut sieht – doppelgähn), der gar nicht nötig gewesen wäre.
Trotzdem ungemein kurzweilig das Ganze, warum auch immer…
Drax hat im ersten Teil als Figur überzeugend und gut funktioniert; im zweiten Teil leider gar nicht: Sein Handeln im war irrational, überzogen oder auch mal Situativ eigen, aber vor allem war es differenziert. Davon blieben im zweiten Teil nur noch die seltsamen Lachsalven übrig.
Ich stimme dir zu, dass der Film seinen Figuren nicht traut. Im ersten Teil sprachen sie für sich (Stichwort: Show don’t tell), im zweiten müssen sie sprechen (sehr viel sprechen) und trotzdem kommt kaum etwas rüber. Kurzweil stellte sich da leider gar nicht ein.