Tom Hillenbrand – Der Kaffeedieb


Tom Hillenbrand - Der Kaffeedieb Cover © Kiepenheuer & WitschHistorischer Roman: Nicht auf Speed – aber auf Kaffee

In kulinarischen Krimis wird sprachlich meist auf Sparflamme gekocht, auf Hochtouren laufen dabei allerdings oft der erhobene Lebensmittel-moralische Zeigefinger und die Belehrung: Keine allzu guten Voraussetzungen für spannende Krimis. Tom Hillenbrand gehört für den Rezensenten dabei allerdings zu einer rühmlichen Ausnahme. Zwar sind die gerade genannten, nicht ganz so sympathischen Elemente auch immer irgendwie mit in seinen bisherigen Romanen verwoben, doch versöhnen eine zumeist halbwegs kluge Dialogführung und ein bis zum Ende hin konsequentes Plotting den Leser.

Mit dem Roman ‘Der Kaffeedieb’ begibt sich Hillenbrand auf ein für ihn neues Terrain. Er entfernt sich von aktuellen kulinarischen Fragestellungen und begibt sich in seinem historischen Abenteuerroman ins Jahr 1683. Zu dieser Zeit begann die Faszination des Kaffees um sich zu greifen. Erst in den wohlbetuchteren Milieus und in Künstlerkreisen, allmählich aber auch flächen- und sozialklassendeckend.

Beinahe religiös wurde in den ersten Kaffeehäusern der Kaffee-Genuss zelebriert. Dumm nur, dass die Osmanen das Monopol auf der Kaffee-Pflanze und den Plantagen hatten. Jeder, der auch nur den Versuch wagte, Kaffee aus dem jemenitischen Mocca herauszuschmuggeln, wurde mit dem Tode bestraft. Doch nicht nur diese Geschichte, sondern auch die Menschheitsgeschichte zeigt immer wieder, dass gerade diese drakonischen Strafen für den ein oder anderen Draufgänger eine gewisse Faszination ausüben. Lohnte sich hier ein Exkurs über eine semantische Analogie zwischen dem umgangssprachlichen „draufgehen“ und „Draufgänger“? Kümmern wir uns der Einfachheit halber weiter um das Buch.

Im Falle dieses Romans begegnet uns der Held in persona Obediah Chalons, ein Spekulant, der gerade eine fulminante Bauchlandung an der Börse hingelegt hat. Zu verlieren hat er nichts mehr – und lässt sich von der Vereinigten Ostindischen Compagnie finanziell und ideell unterstützen, um gemeinsam mit einem international ausgesuchten Spezialistenteam an raskalischen Gestalten den Türken den Kaffee aus den Händen zu klauen.

Zwischendurch changiert der historische Krimi zwischen klassischem Abenteuer- und Spionageroman und Analogien zu Filmen wie Oceans Eleven drängen sich auf. Das ist dabei überhaupt nicht negativ gemeint. Hillenbrand zeigt, dass er auch vor historischem Setting, in dem er natürlich viel mehr erklären und ein anderes Sprachregister nutzen muss als in seinen „herkömmlichen“ kulinarischen Krimis, ansprechende Plots entwickeln und sprachlich konsequent umsetzen kann.

Der Leser kann sich bestens unterhalten fühlen und lernt einiges über Kaffee, seine Geschichte, seinen Anbau, seinen Vertrieb und seine soziologische Bedeutung. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch weist darauf hin, dass Hillenbrand über ein Jahr in Staatsbibliotheken und diversen Forschungsinstituten recherchiert habe. Umso höher ist es dem Autor anzurechnen, dass diese Recherche-Arbeit harmonisch in die Handlung und die Dialoge eingebaut ist. Von Besser-Wissen oder aufgesetzem Pseudo-Seminar ist bei der Lektüre nichts zu spüren.

„Der Kaffeedieb“ ist sicherlich kein Meisterwerk des historischen Romans, das Genre wird auch nicht neu erfunden – und dennoch oder gerade deswegen ist dieser Roman ein gelungener historischer Abenteuer-, Kulinarik- und Gaunerroman geworden, der konsequent alle postmodernen literarischen Errungenschaften ignoriert und tatsächlich eine beinahe altmodische Lektüre mit Substanz, einer gewissen Tiefe und einer gelungenen sprachlichen Umsetzung bereithält.

Cover © Kiepenheuer & Witsch

Wertung: 10/15 Kaffeebohnen


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