Als 1968 der “Intim Report”, als Folge des Erfolgs der Oswalt Kolle-Aufklärungsfilme und Erwin C. Dietrichs Kuschelmuschel ohne Klamotten, in die bundesdeutschen Kinos gelangte, war dies der eher bescheidene Start in eine der erfolgreichsten Serien die das deutsche Kino bis dato erlebt hatte.
Richtig los ging es zwei Jahre später mit Ernst Hofbauers “Schulmädchen Report”, der das Muster der Reportfilme definierte und gleich zur Vollendung brachte. Ein wahre Gelddruckmaschinerie, die es bis 1980 auf dreizehn direkte Fortsetzungen brachte, gefolgt vom “Hausfrauen Report” der bis 1977 immerhin sechsteilig zu Buche schlug.
Die weiteren Report-Filme bedienten sich des Grundmusters: Pseudo-Reporter/-Psychologe oder was auch immer befragt Pseudo-Passanten, Pseudo-Patienten, -Schüler*innen sowie deren Lehrer und Eltern, um die deftigsten Geschichten handfest zu visualisieren. Gelegentlich reichten aber auch eine Redaktionssitzung oder lockere Tischgespräche und die sonore Stimme aus dem Off, um den “Report” im Titel zu rechtfertigen.
Dabei herrschte eine spitzzüngige Doppelmoral vor, die einerseits das lasterhafte Treiben anklagte, andererseits um Verständnis für die mehr oder minder jugendlichen Protagonisten warb. Meist minder, denn im Gros waren die Darstellerinnen dem Schulbetrieb deutlich um etliche Jahre entwachsen. Bei Hausfrauen, Grünen Witwen, Vertreterinnen und unbefriedigten Gattinnen stellte sich die Frage nach Jugendschutz und entsprechendem Alter erst gar nicht.
Die Kamera war zwar voyeuristisch auf die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale fixiert, bis zum ersten entblößten männlichen Geschlecht in Vollaufnahme vergingen ein paar Jahre, der gezeigte Sex war pures, fast züchtiges Softcore-Rumgeturne. Grenzüberschreitungen Richtung Hardcore wie sie Jean Rollin, Erwin C. Dietrich und/oder Jess Franco gerne austesteten, blieben von Ernst Hofbauer, seinen Kollegen und Epigonen, meist aus.
So gelangen in Verbindung mit Flower-Power-Pop-Up-Easy-Listening -Musik, dem übertriebenen Schwelgen in zeitgeistiger Mode und Innendekor, in den besten Fällen gelungene Studien über die Mentalität und die Sehnsüchte der deutschen Gesellschaft zwischen Gartenzwergen, Nachmittagskaffee und dem verstohlenen Liebäugeln mit dem Verruchten. Die gefilmten Anekdoten waren mal harmlos oder pseudokritisch, dann wieder von finsterer Moral geprägt. Im Laufe der Jahre gesellte sich eine ungesunde Witzischkeit hinzu, gerne transportiert durch unterschiedliche Dialekte.
Da waren Reportfilme aber schon das sprichwörtliche Pferd eines Komantschen (siehe “The Searchers”). Zusammengebrochen, zwanzig Meilen weitergeritten und dann aufgefressen. Die Freigabe von Pornographie begann ab 1975 der Zurschaustellung von blanken Brüsten und der Abwesenheit von Intimrasur den Rang abzulaufen. Der kleine Report-Goldrausch war vorbei.
Ganz so goldig sah es für die minderbemittelteren Vertreter der vorliegenden Box mit dem spektakulären Untertitel “Kultsexfilme der 70er” aber bereits zum Veröffentlichungsdatum nicht aus. Enthalten sind: “Was Männer nicht für möglich halten” (1971, Ernst Hofbauer), “Schüler-Report” ( 1971, Eberhard Schröder), “Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt” ( 1971, Ernst Hofbauer), “Jürgen Rolands St. Pauli Report” ( 1971, Jürgen Roland), “Liebe in 3 Dimensionen” (1972, Walter Boos), “Mädchen, die nach München kommen” (1972, Walter Boos), “Liebe zwischen Tür und Angel” (1973, Ralf Gregan), “Schlüsselloch-Report” (1973, Walter Boos) und “Wenn die prallen Möpse hüpfen” (1973, Ernst Hofbauer).
Kultfilm trifft am ehesten auf das Highlight der Sammlung zu, “Jürgen Rolands St. Pauli Report”, der das Report-Signet lediglich als Alibi für eine wild-sleazige Kolportage vom Hamburger Kiez gebraucht. Er präsentiert eine Menge Crime, ungeschliffen und heftig, gelegentlichen Schmuddelsex und ein paar Insider-Infos vom wilden Treiben zwischen Davidswache und Tatort Hafenkante. Das ist hoch unterhaltsam, linde spannend und in seiner kruden, exploitativen Machart sehenswert.
Was man von den anderen, teils ziemlich zähen Filmen nicht unbedingt sagen kann. Von denen zudem vier nur in der geschnittenen Fassung vorliegen: “Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt”, Liebe in 3 Dimensionen”, “Mädchen, die nach München kommen” und “Der Schlüsselloch-Report”. Wobei die Zensur nicht unbedingt sexuell allzu graphisches Material betrifft – das meist gar nicht vorhanden ist – sondern inhaltliche Ausrichtungen. Sprich, alles was Prostitution, Inzest oder Vergewaltigung betrifft, kann zur Indizierung führen. Es reicht ein indizierter Film, um eine ansonsten beanstandungsfreie Komplettbox nicht mehr bewerben zu dürfen. Deshalb sitzt die Schere bei den Verkaufsverantwortlichen ziemlich locker.
In Zeiten, in denen man nur drei Xe oder andere entsprechende Suchworte bei Google eingeben muss, um die komplette Box an gezeigten Nuditäten vor Schamesröte erblassen zu lassen, eine selten überflüssige Maßnahme. Selbst vorausgesetzt, man wolle partout eine Freigabe ab 16 Jahren erreichen. Jeder Vierzehnjährige lacht sich heutzutage über das gezeigte Sexwerk vermutlich halb tot. Wenn er es überhaupt versteht. Kleine Umfrage nach dem Begriff “Grüne Witwen” in der Schule, Uni oder am Arbeitsplatz reicht.
Inhaltlich hat die Box einige Absurditäten zu bieten, so ist “Liebe zwischen Tür und Angel”, inszeniert von Dieter Hallervorden-Spezi Ralf Gregan (unter dem Pseudonym Ilja von Anutroff), ein staunenswerter Film über den lustvollen Alltag in einer Drückerkolonne. Kritische Untertöne bleiben komplett außen vor, die Herren und eine Dame erzählen während einer rauchgeschwängerten Belegschaftssitzung vom aufreibenden Alltag eines Abo-Vermittlers, der nur allzu oft in den Betten möglicher Interessent*innen einen Zwischenstopp einlegt. Wobei Hauptfigur Nina zunächst bei einer Präsentation von Damenunterwäsche landet, weil sie rechts und links verwechselt. Kommt vor. Ordentliche Rauchschwaden gibt es dort allerdings auch.
Ein selten unbedarfter, dreister Film, in dem zu allem Überfluss “Ach, Jochen” als Alibifunktion herhalten muss. Im Gegensatz zu den schauspielerischen Leistungen ist die Synchronarbeit (zu) professionell. So gibt Harald Juhnke als Sprecher des cholerischen Willi Rostig seinem Affen nicht nur Zucker, sondern auch Zunder: “Wo ist denn schon wieder der Flaschenöffner? In diesem Haus findet man auch gar nichts wieder. Diese Unordnung macht mich noch krank!” Randolf Kronberg übt bereits für Eddie Murphy.
“Mädchen, die nach München kommen” präsentiert Ingrid Steeger mit dunkelhaariger Perücke, der öde “Liebe in drei Dimensionen” wurde tatsächlich in 3D gedreht, was hauptsächlich für in Richtung Publikum gespritzte Wasser-Gags und wippende Brüste genutzt wurde. Höhepunkt ist der nackt durchs Bett hüpfende rattengeile Rudi, der von Konstantin Wecker gegeben wird. Jung und Geldnot, ihr wisst ja.
Ansonsten tauchen in den Filmen die unvermeidlichen Pappnasen auf. Die schrille Rosl Mayr, wie üblich gern als nervige Aufwartefrau oder Vermieterin besetzt, der Mundzucker Michael Schreiner (vor Kopper der bessere Lena Odenthal-Assi), Rinaldo Talamonti, in der Rolle des triebgesteuerten italienischen Möchtegernmachos, Josef Moosholzer, der bayrische Standard-Kasper, und Elisabeth Volkmann. Sogar im gleichen Film wie Frau Steeger, aber ohne gemeinsame Szenen (“Liebe in 3 Dimensionen”).
Erklecklich sind noch “Erotik im Beruf”, der in unglaublichen, Nachdenklichkeit simulierenden, Schwafelorgien schwelgt und sein Hausfrauen-in-Not-Ableger “Was Männer nicht für möglich halten”. So feministisch wie ein Kioskregal gefüllt mit “Super Illu”, “Praline” und “Bild der Frau”. Aber voller hochtrabender Diskurse über das moderne Leben, zwischen Hochhaussiedlung und Eigenheim. Mit dem lockeren Versprechen der “Vier-Tage-Woche”. Hat ja super geklappt. Stattdessen Spießerträume, die zum Nachtmahr werden:
“Aufpeitschende Werbung, gewissenlose Aufklärung [Selbsterkenntnis, icke hör dir trapsen], skrupellose Ausbeutung des Verbrauchers, hemmungslose Gewinnsucht. Sie sind genauso ehefeindlich wie diese Wohnsilos, die für den Menschen gedacht waren, deren Luxus in Wirklichkeit den Menschen aber nur einsamer macht. Die Lawine der Scheidungen rollt. Immer mehr sind Frauen die Schuldigen. Sind sie es wirklich? Oder sind sie nur Opfer einer Vereinsamung, die ein immer größeres Problem unserer Gesellschaft wird?” […]
“Sie hat ‚Ja’ gesagt. Wozu? Zu modernstem Wohnkomfort, zu blitzenden Küchenmaschinen, Müllschluckern, Waschautomaten. Aber sie hat auch ja gesagt zu einem Ehemann, der nie da sein wird, der dem Geld nachjagen muss, damit sie hier leben kann, in diesem goldenen Käfig der Einsamkeit.”
Die Probleme moderner junger Frauen und Männer auf den Punkt gebracht. Man weiß zwar nicht genau auf welchen, aber einer wird es schon sein. Vierundzwanzig Stunden TV-Programm gab es nicht, also blieb der einsamen, wartenden Gattin nur die Lektüre. Eines guten Buchs? Von wegen. Es gab anscheinend nur Sexhefte, die der vielbeschäftigte Gatte rumliegen ließ. Nicht den Tag füllend. Irgendwann kommt ein Baby. Aber das ersetzt auch keinen Ehemann. Mit dieser und vielen weiteren Erkenntnissen bombardiert der Film den überforderten Zuschauer, der eigentlich nur des Poppens wegen gekommen ist. Aber denkste, Heimatkunde, (Innen)-Architektur, Zeitgeschichte und Geschlechterkampf sind angesagt. Letzteres am meisten. Okay, kein wirklicher Kampf, ein verhaltenes Ringen.
Weit schnarchnasiger ist die Schulmädchen Report”-Paraphrase “Schüler-Report – Junge! Junge! Was die Mädchen alles von uns wollen”. Scheint eine ganze Menge zu sein, denn Sascha Hehn wird von einer anspruchsvollen Operndiva und seiner Freundin in einer Episodenrolle völlig überfordert. Der Titel ist das mit Abstand fetzigste am Film.
Das gilt, trotz höheren Amüsierfaktors, auch für das neunte und letzte Werk der Sammlung, dessen Name Legende ist: “Wenn die prallen Möpse hüpfen” (seinerzeit beworben als “eine Art Schwabinger Decamerone”. Man kann seine Ziele halt nicht hoch genug stecken). Hier existiert der Alibireport nicht mal mehr im Titel. Die prall hüpfenden Möpse sind eine reine Sexklamotte mit melodramatischen Untertönen, knallig vom Meister des Reportfilms, Ernst Hofbauer, in Szene gesetzt. Man muss aber schon in Ich-trinke-mir Mario-Barth-schön-Stimmung sein um die eigenwilligen Humoreinlagen goutieren zu können.
Technisch haben die Filme allesamt nicht viel zu bieten. Solide VHS-Qualität, mehr nicht. Was aber zum sexploitativen Inhalt ganz gut passt. Peter Thomas und Gert Wilden sorgen zwischendurch für psychedelische Hippie-Mucke, an anderer Stelle werden flotte Schlagermelodien überstrapaziert.
Im “Binge-Watching” wird die Box zur quälenden Angelegenheit. Ausnahme ist der unterhaltsame “St. Pauli Report”, der für achtzig Minuten die volle Aufmerksamkeit an sich reißt. Auszugsweise besitzt fast jeder Film seine, teilweise winzigen, Meriten, deren Wahrnehmung man sich aber tapfer erkämpfen muss. Wobei die finanzielle Investition überschaubar bleibt. Trotzdem würde ich bei Bedarf dazu tendieren, die Highlights (“St Pauli Report”, “Was Männer nicht für möglich halten”, “Mädchen, die nach München kommen”, “Wenn die prallen Möpse hüpfen”) einzeln und ungeschnitten zu besorgen.
Die Philosophie des gesammelten Boudoirs:
Moderne Zeiten und “Erotik im Beruf”:
“Menschen sind keine Maschinen, deren Funktionen man nach einer Betriebsanleitung bestimmen kann. Störungen, Komplikationen treten auf, besonders dann, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten.”
–
“Bei gemeinsamer Arbeit, bei ständigem, täglichem Zusammensein entstehen erotische Bindungen am Arbeitsplatz, die vielfältige Probleme aufwerfen. – Dieser Report wird die Probleme schonungslos aufzeigen, ohne zu richten.”
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“Ein Homosexueller hatte meine Gefühle für seine Geschäfte missbraucht.”
“Was Männer nicht für möglich halten” und Frauen mit Ideen:
“Was entsteht, wenn Frauen auf Ideen kommen? Auf die Idee zum Beispiel mit Florian dem Bierkutscher ein Spiel zu spielen, eins, das Männer nicht für möglich halten würden.”
Die Poesie der “Mädchen, die nach München kommen”:
“Ein junger Mann leicht abgeschlafft, hat es am Ende doch geschafft.”
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“Hast Du eine Freundin?”
“Ich werde es mir doch wegen einem Baum nicht mit dem ganzen Wald verderben.”
Meine Hose, die schwebt davon, “Wenn die prallen Möpse hüpfen”:
Vor der Wohnungstür des Herrn Cäsars von Ficker: “Dein Freund hat aber einen komischen Namen.”
“Von wegen, er ist von der Prinzessin Fickiane geadelt worden. Und zwar wegen besonderen Fleißes.”
“Hat er so gut gebumst? Auf einen Ficker könnte ich stehen.”
“Was glaubst du wie du auf mich stehen wirst, wenn er erst steht? – Na wie gefällt’s dir?”
“Eine echte Stoßburg!”
“Willste ‘n Saft?”
“Oh, den zuzele ich mir schon raus!”
–
“Also du hast Sprüche drauf, da platzt mir die Hose.”
“Hast du eigentlich ‘ne Feste?”
“Na, bin ich schwachsinnig? Für eine wär’ mir mein Zauberstab zu schade!”
–
“Warum hat die bloß ‚Feuer’ geschrien?”
“Och, das ist ‚ne Alte Jungfer, die träumt immer von Schläuchen.”
–
“Weißt du Kindchen, die Kunst besteht aus Inspiration, aus Sehnsucht und aus Erfüllung. – Und dich, dich sehe ich nicht als Frau, sondern als Objekt.”
Cover & Szenenfotos © STUDIOCANAL
- Titel: Angezogen, ausgezogen, ungezogen – Kultsexfilme aus den 70er Jahren
- Produktionsland und -jahr: Deutschland 1970 – ’73
- Genre:
Erotik, Softcore, Komödie, Report-Film
- Erschienen: 09.06.2016
- Label: STUDIOCANAL
- Spielzeit:
718 Minuten auf 9 DVDs
- Darsteller:
Ingrid Steeger
Sascha Hehn
Josef Moosholzer
Rinaldo Talamonti
Rosl Mayr
Heidi Kappler
Ulrike Butz
Günther Kieslich
Astrid Frank
Eva Garden
Konstantin Wecker u.v.a.
- Regie:
Ernst Hofbauer
Jürgen Roland
Walter Boos
Eberhartd Schröder
Raldf Gregan
- Drehbuch:
Günther Heller u.a. - Musik:
Gert Wilden
Peter Thomas - Extras:
Werberatschlag und Original-Plakate, Produktionsnotizen
Werbeprospekt, Biografie Ingrid Steeger und Sascha Hehn,
Über das 3D-Verfahren (Texttafeln),
Interviewnotizen mit Regisseur Eberhard Schroeder,
Fotogalerie, Trailer, Wendecover - Technische Details (DVD)
Bild: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Mono DD)
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 7 nicht ganz so pralle Möpse.