Der moderne Märchenprinz von heute ist verrucht, aber in Bezug auf etwaige Liebesgefühle unbefleckt. Er hat einen reichhaltigen Erfahrungsschatz in puncto Sexualität, jedoch scheint ihn seine Umtriebigkeit nicht auszufüllen. Er bietet beruflichen Status und eine charakterliche Kühle – zunächst zumindest.
Demgegenüber hat sich bei Aschenputtel nicht viel geändert: unberührt, etwas schöner und intelligenter als all die anderen, sich über die vorhergehenden Punkte jedoch nicht im Klaren, relativ schüchtern, hier und da keimt Keckheit auf.
Diese Stereotype funktionieren in den Köpfen der Menschen – und man bedient sich ihrer. Darin ist nichts Schlechtes oder Verwerfliches zu sehen. Die Umsetzung entscheidet.
Mann und Frau treffen aufeinander, die Funken sprühen. Körperliche und emotionale Schranken fallen. Zwischen Kennenlernen, Kuss und Spielzimmer vergehen gefühlte drei Sekunden. Rasant ist nicht immer schlecht, zum Beispiel bei Actionfilmen. Stehen dagegen die Charaktere und eine zwischenmenschliche Beziehung im Mittelpunkt, sollte man Christian Grey und Anastasia Steele schon mehr Zeit geben.
Dass der Film von der Ausschließlichkeit der Begegnungen beider lebt, verhindert den Aufbau eines vernünftigen Plots. Logiklöcher entstehen, vereinzelt wirken die Gespräche unstimmig in Bezug auf den zeitlichen Ablauf. Es entsteht der Eindruck, als hätten die Autoren selbst (Roman und Drehbuch) kaum erwarten können, dass Christian und Ana einander wiedersehen.
Aus der an der Oberfläche bleibenden, ursprünglichen Geschichte hätte Hollywood mehr herausholen können: eine tiefergehende Strukturierung der Charaktere, eine Ausreizung des Plots durch die Herausarbeitung von Ecken und Kanten der Lebensläufe beider. Doch statt tiefgreifender Emotionen, für die die Figuren an sich (bei einer über den Roman hinausgehenden Ausarbeitung) durchaus Potenzial geboten hätten, meint man stellenweise einen aufpolierten, in Szene gesetzten Werbespot zu sehen.
»I don’t make love. I fuck. Hard.« – Eher nicht, Mr. Grey.
Diese Szenen erinnern vielmehr an eine aus Versehen in den Schonwaschgang geratene, weichgespülte Lederpeitsche.
Weniger Gutmenschtum. Stattdessen Mut zur Hässlichkeit und etwas mehr “Serienkiller-Manier”, dann hätten die “vielversprechenden” Andeutungen auch in der soften, “Anastasia-tauglichen” Variante authentischer gewirkt.
In der Darstellung des emotional zerrütteten Christian Grey lässt Jamie Dornans Mienenspiel Tiefe aufblitzen. Dank des rasanten Plots hat man jedoch Schwierigkeiten seine zerschundene Seele ernst nehmen zu können und der Eindruck eines rasch gezähmten Gummibärchens drängt sich auf.
Das schauspielerische Können von Dakota Johnson und Jamie Dornan hätte mehr verdient: mehr Tiefe, weniger Tempo. Die entscheidende Szene gegen Ende des Films, die, welcher man vermutlich einen Großteil der Käufe des Nachfolgeromans zu verdanken hat, bringt tatsächlich etwas Pfeffer in den Film und wird dem Facettenreichtum beider Schauspieler gerecht.
Fazit: Ein anhand des Romans, schnell zusammengeschustertes Drehbuch (dessen alternatives Ende, welches im Zusatzmaterial zu sehen ist, auch nichts herausreißen kann), gepaart mit einer tauglichen, finanziell gut bezuschussten Hollywood-Brise, versucht auf der Welle des Erfolgs mitzuschwimmen. – Ich rolle schon wieder mit den Augen, Mr. Grey …
Cover und Szenenfotos © UNIVERSAL Pictures International
- Titel: Fifty Shades of Grey – Geheimes Verlangen
- Originaltitel: Fifty Shades of Grey
- Produktionsland und -jahr: USA, 2015
- Genre:
Drama - Erschienen: 18.06.2015
- Label: UNIVERSAL
- Spielzeit:
120 Minuten auf 1 DVD
125 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
Dakota Johnson
Jamie Dornan
Jennifer Ehle
Marcia Gay Harden
Eloise Mumford
Victor Rasuk
Luke Grimes
Rita Ora
- Regie: Sam Taylor-Johnson
- Drehbuch: Kelly Marcel
- Kamera: Seamus McGarvey
- Schnitt: Debra Neil-Fisher
- Musik: Danny Elfman
- Extras DVD: Die unveröffentlichte Filmversion mit alternativem Ende (123 Minuten), Teaser “Fifty Shades Darker”
- Extras Blu-ray: Die unveröffentlichte Filmversion mit alternativem Ende (128 Minuten), Teaser “Fifty Shades Darker”, Hinter den Kulissen, E.L.James & “Fifty Shades”, “Fifty Shades”: Die Lust am Schmerz, Christians Wohnung: 360°-Set-Tour, Musikvideos, Hinter den Kulissen von “Earned it”, Die Welt von “Fifty Shades of Grey”
- Technische Details (DVD)
Video: Bildverhältnis 2.40:1 Letterbox
Sprachen/Ton: D, GB, TRK (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: D, GB, TRK, ISL, ARAB, HIND
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: Bildverhältnis 2.40:1 Letterbox in High-Definition
Sprachen/Ton: D, I, TRK (DTS Digital Surround 5.1); GB (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: D, GB, I, TRK, GR, RO, ARAB, HIND
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 7/15 dpt