Fast jährlich erscheint ein Hammer-Buch, und auch 2012 war dies wieder der Fall. Glaubt man allerdings, die Autorin aus dem Siegerländer Städtchen Kirchen produziere Massenware, so irrt man. Denn auch “Regionalexpress” schließt in qualitativer Hinsicht ohne Verluste zu den vier Vorgängerromanen auf.
In diesem Werk treffen wir auf drei Hauptfiguren, die jeweils aus der Egoperspektive erzählen. Eine davon ist Max, fast erwachsener Sohn esoterisch veranlagter und auf diese Weise ihrer Klientel das Geld aus der Tasche ziehender Eltern. Der junge Mann bekommt in seinem Leben nichts auf die Reihe, zum mehrfach wiederholten Male ist er auf eine neue Schule verpflanzt worden, träumt dort bizarre Tagträume und kommt sich auf dieser Welt völlig überflüssig vor.
Eines Tages wird in der Straßenbahn ein junger Türke namens Adil von Nazis angegriffen, und Max fühlt sich verpflichtet, ihm schlagkräftig aus der Patsche zu helfen. Daraus entsteht eine Freundschaft, die ihn bald dazu bewegt, zum Islam zu konvertieren. Endlich wird er verstanden. Endlich weiß er, wofür er lebt und was seine Bestimmung ist.
Parallel dazu schlägt sich Max‘ pferdevernarrte Schwester Paula, Protagonistin numero zwei, so durchs Leben und kämpft ihren eigenen Kampf mit den Eltern – die wollen, dass sie Abitur macht, sie selbst bevorzugt eine Ausbildung. Ihr Inneres gerät durcheinander, als sie Adil zum ersten Mal sieht, sie fühlt sich zu ihm hingezogen, realisiert aber nicht viel später, dass etwas an ihm nicht so ganz astrein ist.
Hauptfigur drei, Bundesverfassungsschutzbeamter Kemper, vermutet in Adils Dunstkreis schon lange extremistisch-fanatische Auswüchse der üblen Sorte und behält trotz seiner traurigen Lebenssituation einen wachen Blick bei alledem, obwohl seine Kollegen skeptisch bleiben. So langsam zeichnet sich ab, dass ein heftiger Anschlag geplant ist, und sowohl bei Kemper als auch bei Paula schrillen die Alarmglocken.
Auch dieses fünfte Buch besticht durch eine sehr flüssige Lesbarkeit, eine direkte Sprache und ungeschönte Bilder. Ebenso gewährt Agnes Hammer dem Leser auch dieses Mal einen intensiven Einblick in die Köpfe der Charaktere, und so stellt man sehr schnell fest, dass “Regionalexpress” mehr ist, als “nur” ein Thriller, der eine aktuelle Problematik behandelt, sondern sich auch psychologische (“Wer bin ich eigentlich und wofür bin ich gut?”) und soziale Aspektstränge durch die spannende, lebensnahe,oftmals starken Tobak beinhaltende Geschichte ziehen.
Cover © script5
- Autor: Agnes Hammer
- Titel: Regionalexpress
- Verlag: script5
- Erschienen: 2012
- Einband: Klappenbroschur
- Seiten: 272
- ISBN: 978-3-8390-0130-1
Wertung: 11/15 dpt
(Dieser Artikel wurde vom Verfasser überarbeitet und erschien ursprünglich in noisyNeighbours #36. Vielen Dank an dieser Stelle für die Gestattung der Artikelübernahme!)
1 Kommentar