“Rag Men” bedient sich eines einfachen, dennoch geschickt entworfenen (leider nicht entsprechend ausgearbeiteten) Musters, in dessen Zentrum sich eine Seuchenkatastrophe befindet. Ausgelöst durch das, nach seinem Herkunftsort benannte, Qilu-Virus, das die Erkrankten in gefühllose Berserker, der allgemeinen Verständlichkeit halber ‘Zombies’ genannt, verwandelt.
Als sich das Virus in seiner Heimatstadt Wenatchee auszubreiten beginnt, findet sich der gutmütige Boxtrainer Colin Ross auf der Flucht wieder. Seine geliebte Frau im fernen Paris wurde bereits dahingerafft, was schwer an Ross’ Psyche und Konstitution nagt. Derart angeschlagen kümmert er sich trotzdem beflissen um den jungen Andre, dessen Mutter eines der ersten Opfer vor Ort ist.
Parallel dazu ist der drogensüchtige Ex-Sträfling Rooster auf der Jagd nach Vergeltung. Auf der Suche nach seinem Stiefvater Lyle, der Mutter, Bruder und ihn selbst misshandelte und missbrauchte, tötet Rooster jeden, der ihm in die Quere kommt, egal ob infiziert oder nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Colins und Roosters Wege kreuzen. Es dauert, bis es soweit ist, hat dann aber noch eine linde Überraschung parat.
Eingeschoben in diese Handlung werden Rückblenden, die Lyles Untaten an seiner Familie näher ausführen.
Die Ausgangslage von “Rag Men” (zu Deutsch: ‘Lumpensammler’) ist durchaus interessant, der Roman schafft eine Mixtur aus Hardboiled/Country-Noir vor dem Horror-Szenario einer beginnenden Zombie-Apokalypse. Denn um nichts anderes handelt es sich bei der Pandemie, die marodierende Infizierte hervorbringt, deren einziger Daseinszweck Zerstörung heißt. Ob die Attacken auf gesunde Menschen der Nahrungsaufnahme dienen, bleibt im Dunkel. Dass ein einziger Schuss in den Kopf nicht mehr ausreicht, die wandelnden Virenträger zu töten, ist eine kleine Erweiterung des gängigen Kanons.
Leider kommt die Geschichte nur schleppend in Schwung, die Ereignisse um den selbstmitleidigen Colin Ross ziehen sich träge dahin, erst auf Seite fünfzig erfolgt der handlungsrelevante Angriff einer Virenträgerin, bis Seite 185 quält sich Colin danach herum, ehe er sich in Bewegung setzt. Davor und dazwischen wird beobachtet und erklärt, von beidem zu viel, in schlicht gehaltener Sprache, die sich mitunter wie eine allzu ausführliche Bedienungsanleitung liest. Die zunehmende Zombiefizierung spielt eher im Hintergrund eine Rolle, als sie dass sie – bis auf wenige Ausnahmen – eine reale Bedrohung wäre.
Demgegenüber werden dramatische und gewalthaltige Höhepunkte überhastet und wenig effektiv abgearbeitet. Wirkt, ebenso wie die Figurenzeichnung, wie am Reißbrett entworfen. Das Schicksal von Colin Ross und seinem nicht besonders hellen Schützling Andre ist einem schlichtweg egal, was blassen Nebenfiguren im Eilverfahren widerfährt kümmert noch weniger.
Etwas komplexer und spannender ist der Part um den scheinbar amoklaufenden Rooster geraten. Obwohl “Rag Men” mit Brutalitäten nicht geizt, legt Rocky Alexander es nicht darauf an, seinen maßlosen Kollegen wie Edward Lee das gewaltpornographische Wasser reichen zu wollen. Das ist ein ehrenwerter Zug, der zeigt, dass Alexander mehr an seiner Geschichte interessiert ist, als an der Erzeugung einer möglichst expliziten Splatterorgie.
Leider übertreibt es Alexander mitunter mit der Sachlichkeit, denn selbst sein hasserfüllter Rächer ist mit politischer Korrektheit gesegnet. Der begegnet nämlich einem mahnenden alten Indianer und spendet wohlwollend ein paar Dollar an den aufrichtigen “Ureinwohner”. Wohlgemerkt, nachdem Rooster ein halbes Dutzend Menschen kaltblütig gekillt und beiläufig Nekrophilie betrieben hat. Das ist viel zu lieb für einen Protagonisten, der sich im und durch den Dreck wühlt.
So wird viel des vorhandenen Potenzials verschenkt, der Roman ist partiell schlicht langweilig. Das stimmige, frostige Winter-Setting und die menschliche Abrissbirne Rooster reißen es etwas raus. Auch die Begebnisse um die flüchtenden Colin und Andre legen im letzten Drittel an Tempo zu. Was sogar gehalten würde, wenn sich die Beiden nicht dauernd bei irgendwem entschuldigen müssten.
Den Showdown verschenkt Alexander, trotz eines gelungenen Überraschungseffekts, dann wieder in unnötiger Hetze. Hier, wo Konflikte spannend ausgehandelt werden könnten, vergibt der Autor den dramatischen Klimax an kurzatmige Aktionen.
Schließlich endet “Rag Men” wie der alte Otto-Gag von “Father Bull and Son Bull”. Ihr wisst schon:
Father Bull and Son Bull are standing on a hill. They look down in a valley, where they saw a great flock of young crispy cows.
Son Bull says to Father Bull: “Hey daddy bull, let’s run down and fuck one of them”.
»Oh son, oh son, you bloody bastard«, says Father Bull, »let’s walk down and fuck them all.«
Cover © Luzifer-Verlag
- Autor: Rocky Alexander
- Titel: Rag Men
- Originaltitel: Rag Men
- Übersetzer: Andreas Schiffmann
- Verlag: Luzifer-Verlag
- Erschienen: 09/2014
- Einband: Paperback
- Seiten: 266
- ISBN: 978-3-95835-003-8
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 7/15 dpt