»Ein typischer Suter« befand das auf dem Klappentext des Taschenbuchs zitierte “heute journal” (ZDF). Ob man für eine abweichende Meinung wohl in die Feuilleton-Hölle kommt? Dann sei es so. Bislang hatte jeder hierorts – stets mit äußerstem Vergnügen – rezipierte Suter-Roman einen “Plot”, der bei aller wertgeschätzten Phantasie des Autors rein theoretisch auch in der wirklichen Welt hätte stattfinden können. “Die Zeit, die Zeit” aber weist so relativ viele Zeichen von Fantasy-, Mystery- und auch SF auf, dass beispielsweise das Deutschlandradio »eine Art Science-Fiction im Kleinbürgermillieu« konstatierte. Das muss ja grundsätzlich auch nichts Schlechtes bedeuten – tut es in diesem Fall aber schon, wenn Erwartungshaltungen ernstlich düpiert werden und das Ende sogar als “unplausibel” gegeißelt werden kann (wie bei stern.de geschehen). Was ist hier also so anders?
Wikipedia, please help me out: »Die Hauptfigur des Romans ist Peter Taler, ein 42-jähriger Sachbearbeiter in der Finanzabteilung eines Bauunternehmens. Talers Frau Laura wird vor der Wohnungstür erschossen und er kommt über ihren Tod nicht hinweg. Talers Lebensziel ist es fortan, den Mörder zu finden und ihn mit seiner Pistole zu töten.
Bei der allabendlichen Observation der umliegenden Häuser wird Taler auf seinen Nachbarn Knupp aufmerksam, der sich merkwürdig verhält und für verrückt gehalten wird. Knupps Frau ist vor 20 Jahren an Malaria gestorben und Knupp fühlt sich mitschuldig an ihrem Tod. Der 82-jährige ist Zeit-Nihilist und vertritt die These, dass es Zeit nicht gibt, sondern nur Veränderung. Er will deshalb die gesamte Umgebung – Bäume, Autos etc. – exakt so arrangieren, wie sie auf Fotos aus dem Jahr 1991 abgebildet ist. Auf diese Weise erhofft er sich, seine Frau zurückzugewinnen und der Geschichte einen anderen Verlauf zu geben.
Mittels Fotos, die Hinweise auf den Mörder von Talers Frau versprechen, erpresst Knupp Taler und zwingt diesen, ihm bei seinem Vorhaben, alle Veränderungen rückgängig zu machen, behilflich zu sein. Die beiden Männer gestalten mit erheblichem finanziellen und zeitlichen Aufwand die umliegenden Häuser, Gärten und Knupps Wohnung auf den Zustand von 1991 um. Dabei entlarvt Taler Knupp als Mörder von Laura und erschießt ihn in dessen Haus. Das Buch endet mit einem kurzen letzten Kapitel, das eine große Überraschung präsentiert.«
So wollen wir es hier auch halten, also mit der Überraschung. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Hochgradig spannend ist auch dieses Opus wieder – schon aufgrund einer Erzählweise, bei der wir erst Stück für Stück die vorangegangenen Dramen kennenlernen und zunächst einmal erfahren, wie der – nicht zuletzt aufgrund massiver Schuldgefühle – extrem trauernde Protagonist nahezu manisch täglich die Vorgänge am Todestag seiner Frau wiederholt und dabei auf den “Sonderling” (S. 12) Knupp in seiner Nachbarschaft aufmerksam wird… »Noch nie war er [Taler] der Lösung so nahe gewesen« (S. 13) – eine Lösung, die übrigens seinen eigenen Suizid ausdrücklich einschließen soll (S. 16).
Während die beiden grundverschiedenen Männer sich bei ihrem im Wortsinn verrückten Vorhaben trotz Rückschlägen allmählich näher kommen, glaubt Taler Dinge über seine Frau herauszufinden, die alles für ihn verändern. Zu den ausgesprochenen Stärken des Buches gehört, wie akribisch das Projekt der beiden beschrieben wird – wenn überhaupt, dann könnte es so klappen… Am Ende wird einer der beiden sein gesetztes Ziel tatsächlich erreichen, soviel sei immerhin verraten.
Das Werk ist auch als gebundenes Buch sowie als von Gert Heidenreich vorgetragenes Hörbuch (7 CDs) erhältlich.
Cover © Diogenes Verlag
- Autor: Martin Suter
- Titel: Die Zeit, die Zeit
- Verlag: Diogenes
- Erschienen: 23.10.2013
- Einband: Taschenbuch, Broschur
- Seiten: 297
- ISBN: 978-3-257-24261-4
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Wertung: 9/15 dpt
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