
Tierhorrorfilme sind eine verlässliche Nummer im Horror-Genre. Haie unterschiedlicher Größe fluten die Leinwände und Bildschirme, wenn sie nicht vorbeigeflogen kommen, gelegentlich gesellen sich Schlangen, Bären (mitunter fidel auf Kokain), Krokodile und Alligatoren hinzu. Letztere (“Crawl”, “Rogue – Im falschen Revier” und das Double Feature “Black Water” und “Black Water: Abyss”) oft erbaulicher als die von schlechtem CGI und öden Drehbüchern zerlegten Haie.
Spinnen kommen ebenfalls zum Zug. Mal brachial-komisch wie in “Big Ass Spider” oder, etwas weiter zurückliegend “Arac Attac”, mal mau wie “Sting” und nie den Klassenprimus “Arachnophobia” einholend. Das schafft auch “Spiders – Ihr Biss ist der Tod” nicht, kommt aber verdammt nahe ran. Was völlig nachvollziehbar ist, denn der französische Film beackert ein anderes Feld und verzichtet, bis auf ein paar grimmige Gags, auf komische Einlagen.

“Spiders” kennt sich nicht nur mit der Angst vor Spinnen unterschiedlicher Größe aus, sondern hat auch einige Lektionen in Klaustrophobie parat. Die Location, das kunstvolle “Arènes de Picasso” im Pariser Stadtteil Noisy-le-Grand wird sehr adäquat ins filmische Geflecht integriert. Ein sozialer Brennpunkt mit Bewohnern unterschiedlicher Couleur, die von Spinnen festgesetzt werden, während die Korridore zu unheimlichen, vernetzten Labyrinthen mutieren. Da bietet sich ein gesellschaftskritischer Diskurs geradezu an, den Vaniček gekonnt pflegt, und der sich zum Ende hin immer düsterer und dramatischer entwickelt.
Sébastien Vaniček nimmt seine Geschichte und seine Figuren ernst, verleiht dem Geschehen durch die schnelle Ausbreitung der immer größer werdenden Spinnen eine gehörige Portion Dringlichkeit, die man in anderen Creature-Features oft vermisst. Die unverbrauchten Darsteller fügen sich nahtlos ein und leben ihre sich ständig verändernden Gemütszustände schöpferisch aus. Gewinnt während der zweiten Hälfte ordentlich an Tempo, während zunächst die Milieu- und Beziehungsstudie Vorrang hat.

Zurück zum Anfang: Drei Männer gehen in einer Wüstenregion auf Spinnenfang. Für den neugierigsten endet das Unterfangen tödlich. Der Prolog wirkt wie eine (unblutigere) Reminiszenz an die Eröffnungsszene aus Peter Jacksons “Brain Dead” und dient als smarter Teaser für die kommenden Ereignisse.
Eine der gefangenen Spinnen landet in den Pariser Banlieus, wo sie vom jungen Kaled bei halblegalen Aktivitäten erworben wird. Kaled hat sich nach dem Tod seiner Mutter im beengten Wohnbereich ein kleines Tierreich mit exotischen Krabbelwesen geschaffen, die er wie Freunde behandelt, während das Verhältnis zu seiner Mitbewohnerin und Schwester Lila angespannt ist.
Ein Schuhkarton erweist sich nicht als der perfekte Aufbewahrungsort für eine gestresste Spinne, die Edel-Nikes darin schon eher. Das wird dem Käufer und im folgenden dem ganzen Wohnblock zum Verhängnis. Denn aus einer kleinen, aggressiven Spinne werden im Nu eine Vielzahl, die auch an Größe ordentlich zulegen. Diese jähe Vermehrung und das damit einhergehende Turbo-Wachstum sind kleine Schwachstellen des Films.

Bald gibt es die ersten Opfer zu beklagen, und wir folgen Kaled, seiner Schwester und ein paar Freunden beim Fluchtversuch aus dem spinnenbesetzten Haus. Jeder Meter ist mühsam erkämpft, das Entkommen wird erschwert dadurch, dass die Polizei den Wohnkomplex komplett abgeriegelt hat. Und scheinbar ohne großes Widerstreben die unwillkommenen Hausbewohner ihrem Schicksal überlässt. Zwei- wie Achtbeinige. Bis die repressiven Beamten merken, dass sie die gesamte Gegnerschar unterschätzt haben. Und Action.
Am Ende wird es Überlebende geben, wenn auch nicht viele, sowie Trauer, Nachdenklichkeit und Veränderungen. Das geht kohärent vonstatten, wobei sich die erste Dreiviertelstunde dem verschachtelten Wohnkomplex und dem Leben seiner Bewohner widmet, ihren Geschichten, Beziehungen und Malaisen. Bereits hier gilt: “Show, don’t tell.”

Das Tempo ändert sich rasant nach dem ersten Biss der ausgebüchsten Spinne. Dialoge dienen hauptsächlich dem zweckmäßigen Austausch oder dem Bekunden von Trauer, es wird gerannt, getrickst und gekämpft. Mehr gegen die Uniformierten, die den Block abgeriegelt haben, als gegen die Arachnoiden.
Die Bedrohung von außen wirkt wie eine willkommene Säuberungsmaßnahme in einem sozial prekären Viertel. Denn Spinnenbisse sind keine Infektionen, die Betroffenen werden zu Opfern, nicht zu beißwütigen Zombies. Deshalb verschreckt das brutale Vorgehen der Polizei gegen die flüchtenden Bewohner besonders nachhaltig und verleiht “Spiders” zusätzliche Wucht.

Die Kamera ist meist hautnah am Geschehen, die beengte Lage wird betont, was für (gewollte) Unübersichtlichkeit sorgt. Jump Scares sind sorgsam gesetzt und wirkungsvoll, die gezeigte Brutalität ist von gediegener Härte, aber nicht voyeuristisch und ausschweifend.
“Spiders” ist fein austariert und spielt wirkungsvoll mit Elementen aus Horror und Drama. Mit nur kleinen Abstrichen sehr sehenswert.
Cover+ Bilder © Plaion Pictures
Titel: Spiders – Ihr Biss ist der Tod
Originaltitel: Vermines
Produktionsland und -jahr: Frankreich 2023
Genre: Horror, Action, Drama
Erschienen: 27.02.2025 (BluRay, DVD, 4K-UHD)
Label: Plaion Pictures
Spielzeit: 106 Minuten (BD) / 102 Minuten (DVD)
Darsteller: Théo Christine
Sofia Lesaffre
Jérôme Niel
Lisa Nyarko
Finnegan Oldfield
Marie-Philomène Nga
Mahamadou Sangaré
Regie: Sébastien Vaniček
Drehbuch: Sébastien Vaniček
Florent Bernard
Kamera: Alexandre Jamin
Schnitt: Thomas Fernandez
Nassim Gordji Tehrani
Musik: Xavier Caux
Douglas Cavanna
Extras: Trailer, Trailershow, Galerie
Technische Details (DVD)
Video: 2,40:1 (16:9)
Sprachen/Ton: DE, FR Dolby Digital 5.1
Untertitel: DE
Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2,40:1 (16:9)
Sprachen/Ton: DE, FR, DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: DE
FSK: 16
Sonstige Informationen:

Wertung: 11/15 dpt